Ein Gesetz für die Raubkunst
30. Januar 2015Im Februar 2014 hatte die bayerische Landesregierung dem Bundesrat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Verjährungsfristen für NS-Raubkunst aufhebt - bisher erlischt der Anspruch auf Rückgabe nach 30 Jahren. Juristen sind jedoch skeptisch: Sie sagen, es sei verfassungswidrig, die Verjährungsfrist außer Kraft zu setzen. Kulturstaatsministerin Monika Grütters hatte die bayerische Initiative schon damals begrüßt und prüfe nun den Entwurf erneut mit dem neu gegründeten Deutschen Zentrum für Kulturgutverluste (DZK). Das erklärte der Amstchef ihres Hauses, Günter Winands, am Donnerstag (29.01.) auf einer Podiumsdiskussion zum Thema Raubkunst im Arp Museum bei Bonn. Er ist überzeugt, "dass eine Aufhebung der Verjährung in Deutschland möglich ist". Auch die Frage nach dem Umgang mit Enteignungen in der DDR sollen unter Umständen in ein solches Raubkunstgesetz mit einbezogen werden.
Auch DDR-Geschichte wird aufgearbeitet
Ähnlich wie die Nazis verkaufte auch die Stasi Kunstwerke gegen Devisen in den Westen, die sie zuvor privaten Kunstsammlern widerrechtlich entzogen hatte. Wo die Bilder heute sind und wem sie einst gehörten, ist auch hier sehr schwer nachzuvollziehen."Das Thema wurde lange ignoriert. 25 Jahre nach dem Mauerfall ist es an der Zeit, auch dieses Kapitel aufzuarbeiten", sagte die Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder, Isabel Pfeiffer-Poensgen, der Neuen Zürcher Zeitung. Ein Bericht zu den Recherchen soll spätestens Mitte 2015 vorliegen.
Museen wollen kein Raubkunstgesetz
"Wir wollen kein Raubkunstgesetz", sagte dagegen Alexander Klar, der als Direktor des Museums in Wiesbaden stellvertretend für die deutschen Museen auf der Veranstaltung im Arp Museum sprach. Es habe viel mehr Symbolkraft, "wenn wir das freiwillig machen". Sein Museum gehört in Deutschland zu den Vorreitern und macht seit 2008 Provenienzforschung. "Von 200 raubkunstverdächtigen Werken haben wir jetzt die Hälfte abgearbeitet und konnten bis heute sieben restituieren", so Klar. Die ungeklärten Fälle seien auf LostArt eingestellt. "Hinter all diesen Fällen verbirgt sich der Tod, und es ist das Mindeste diese Kunst zurückzugeben."
Geschichte soll sich nicht wiederholen
Was aber passiert, wenn sich niemand meldet und ungeklärt bleibt, wem das Kunstwerk heute gehört, fragt jemand aus dem Publikum. Werden die Bilder mit den ungeklärten Provenienzen dann wie einst in den 60er Jahren gewinnbringend verkauft? "Diesen Fehler wollen wir in keinem Fall noch einmal machen", so Winands deutlich. Es sei wichtig, die Geschichte der Bilder zu erzählen. Welche Schicksale hinter den Kunstwerken stecken und wie der NS-Staat sie von ihren Eigentümern abgepresst habe – genau das zeigt aktuell das Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg in einer Ausstellung. Auch mit den ungeklärten Provenienzen aus der Sammlung Gurlitt soll in Zukunft nach diesem Vorbild umgegangen werden.
Die meisten Bilder der Sammlung Gurlitt kommen aus Frankreich
"Im Fall Gurlitt haben wir zehn Anspruchsteller und in drei Fällen konnten wir die Provenienzen eindeutig zuordnen", erklärt Günter Winands und gibt damit einen kleinen Einblick in die Arbeit der sonst so von der Öffentlichkeit abgeschotteten Taskforce. Auf der Suche nach Erben prüfe das Team um Ingeborg Berggreen derzeit die Geschäftsbücher von Cornelius Gurlitts Vater Hildebrand. Doch das sei keine leichte Aufgabe, denn "die Bücher sind nicht komplett und mit Sicherheit auch frisiert, weil der einstige Kunsthändler Hitlers den Raub verschleiern wollte", so Winands. Viele der knapp 500 unter Raubkunstverdacht stehenden Bilder kommen wohl aus Frankreich. Ein Teil der Sammlung sei ein ganzes Konvolut und einem früheren Sammler aus der Zeit klar zuzuordnen, lässt Winands im Gespräch mit der DW durchblicken. Wahrscheinlich handelt es sich hier um den Salzburger Fund, der nach Angaben Winands längst in München ist und von der Taskforce unter die Lupe genommen wird.
Der Fall Gurlitt steht in Deutschland mittlerweile exemplarisch für NS-Raubkunst und die Versäumnisse in der Vergangenheit. Er ist kompliziert. Denn juristisch ist der Fall verjährt und Cornelius Gurlitt war zudem noch ein privater Sammler, der sich nicht an das Abkommen von Washington aus dem Jahr 1998 halten und Raubkunst zurückzugeben musste. Die Politik hat hier jedoch gelernt. Es soll künftig eine Sorgfaltspflicht für Museen, Auktionshäuser, private Sammler und Einrichtungen geben, erklärte Winands bei der Podiumsdiskussion im Arp Museum. Private Sammler und privat getragene Einrichtungen würden in Zukunft durch das Deutsche Zentrum für Kulturgutverluste finanziell bei der Provenienzforschung unterstützt, "wenn sie sich den Washingtoner Prinzipien verpflichten".
Kunstmuseum Bern plant Ausstellung mit Gurlitt-Sammlung
Auch wenn ein Museum wie das in Wiesbaden seit über sechs Jahren die Provenienzen in seinem Haus recherchiert, ist der Amtschef des Staatsministeriums für Kultur und Medien überzeugt: "Die Taskforce wird Ende 2015 ihr Ziel erreicht und die Provenienzen der Gurlitt-Sammlung geklärt haben".
Weiter ist Winands sicher, dass die Sammlung nach ein wenig "juristischem Geplänkel" in die Schweiz gehen wird. Nachdem die Bundesregierung und das Land Bayern mit dem Berner Kunstmuseum eine Vereinbarung über die Gurlitt-Sammlung geschlossen hatten, beantragte eine Cousine des verstorbenen Kunsthändlersohns überraschend einen Erbschein. Sie geht davon aus, dass Cornelius Gurlitt testierfähig war. Nach wie vor ist nicht geklärt, wer nun der Erbe der millionenschweren Sammlung ist. Doch das Kunstmuseum Bern lässt sich nicht beirren und plant schon eine Ausstellung mit der Sammlung. Im März könnte es Neuigkeiten im Fall Gurlitt geben, denn dann will der Direktor des Berner Kunstmuseums vor die Presse treten.