Berüchtigte Nachtsitzungen
8. Juli 2011Sämtliche Gesetze, die der Bundestag beschließt, müssen danach in den Bundesrat, die Vertretung der Länder. Wenn sie dort auf Ablehnung stoßen, kann binnen drei Wochen der Vermittlungsausschuss angerufen werden, in dem Bundestag und Bundesrat jeweils 16 Mitglieder haben. Die Bundesratsmitglieder sind Vertreter der 16 Landesregierungen, die Bundestagsmitglieder werden nach Fraktionsstärke benannt.
Der Ausschuss versucht, einen Kompromiss zu finden. Berühmt-berüchtigt sind seine langen Nachtsitzungen zu den Hartz-IV-Gesetzen während der Regierungszeit von SPD-Kanzler Gerhard Schröder. Das Vermittlungsverfahren dauerte über ein Jahr. Die umstrittene Sozialreform kam damals mit Zustimmung der oppositionellen Unionsparteien zustande, was heute manchmal vergessen wird.
Kompromiss oder Blockade?
Der Vermittlungsausschuss tritt besonders oft in Aktion, wenn die Regierungskoalition im Bund - parteipolitisch gesehen - keine eigene Mehrheit im Bundesrat hat. Mitunter wird die Länderkammer von den Oppositionsparteien als Blockadeinstrument der Regierungspolitik genutzt. Es gibt aber eine Statistik der Jahre 1949 bis 2003, wonach der Bundesrat in jener Zeitspanne gerade einmal ein Prozent der Gesetze, die aus dem Parlament kamen, zu Fall gebracht hat.
Andererseits versucht die Regierung in einigen Fällen, einer Ablehnung im Bundesrat zu entgehen, indem sie ihren Gesetzentwurf einfach für "nicht zustimmungspflichtig" erklärt. Dann kann die Vertretung der Länder nur "Einspruch" einlegen, der aber vom Parlament mit absoluter Mehrheit zurückgewiesen werden kann.
Meist versucht die Regierung jedoch, die Konfrontation mit den Bundesländern zu vermeiden und ruft den Vermittlungsausschuss an. Der Ausschuss ist ein wichtiges Instrument, um die Regierungsfähigkeit im föderativ organisierten Deutschland zu sichern. Allerdings kostet ein Vermittlungsverfahren viel Zeit: eine Tatsache, die bereits oft in der Europäischen Union kritisiert wurde.
Autor: Bernd Gräßler
Redaktion: Hartmut Lüning