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Ein großer, aber kein einfacher Markt

Kerstin Lohse / (kas)13. April 2002

Der deutsch-chinesische Handel boomt. Das Heimatland des VW ist Investor Nr. 1 in Shanghai. In anderen Gebieten spricht die chinesische Presse bereits von Klein-Schwaben.

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Skyline von ShanghaiBild: AP

Deutschland ist Chinas wichtigster Handelspartner in Europa, und in Shanghai sind die Deutschen seit der Kanzlerreise im November letzten Jahres sogar Investor Nr. 1. Schröders Besuch hat gezeigt, wie sehr die deutsche Industrie gewillt ist, an der dynamischen Entwicklung Chinas Teil zu haben. Die Volksrepublik ist für die Deutschen einer der letzten Zukunftsmärkte, die es zu erobern gilt. Es gibt wohl kaum ein Land, das die Vorstandsvorsitzenden der deutschen Großindustrie so oft besuchen wie China.

Beispiel Transrapid

Besonders wenn es um ein Prestigeprojekt wie den Transrapid geht, muss die 1. Liga aufs Feld, meint Bundeswirtschaftsminister Müller: "Ich habe gehört, dass die beiden Herren von Pierer und Schulz, die sich das Projekt ja zu 50% teilen, sich auch selbst noch mal in die Rolle eines Projektmanagers hinein begeben haben, was ja sonst bei
diesen Vorstandsvorsitzenden nicht mehr so häufig der Fall ist."

Transrapid
Bild: AP

Der Bau des Transrapid in Shanghai zeigt jedoch auch, wie wichtig in China noch immer die politische Flankierung ist, wenn es darum geht, den Interessen deutscher Investoren Nachdruck zu verleihen. Fast jeden Monat ist ein deutscher Politiker in Shanghai, um sich von den Baufortschritten zu überzeugen.

Es folgt der Mittelstand

Doch längst sind es nicht mehr nur die Großunternehmen, die den Sprung nach China wagen. Die Handelskammer in Shanghai verzeichnet seit dem letzten Jahr einen auffallend stark wachsenden Zustrom von Mittelständlern. Die wollen in der Regel nicht nur schauen, sondern ein eigenes Unternehmen gründen. Beruhigend sei, so die deutsche Handelskammer, dass sie sich viel besser auf den Markt vorbereitet hätten, als ihre Vorgänger, die nicht selten beim ersten Anlauf eine Bauchlandung machten.

Im Industriepark Taicang, 50 km nordwestlich von Shanghai, trifft man auf zahlreiche Mittelständler, die von Anfang an auf ein eigenes Unternehmen gesetzt haben. In den letzten fünf, sechs Jahren haben sich hier so viele deutsche Unternehmen angesiedelt, dass die chinesische Presse bereits von Klein-Schwaben spricht. Denn von Fischer-Dübeln über Kettensägen von Stihl hin zu Spezialmaschinen von Trumpf oder Kern-Liebers wird inzwischen hier produziert, was einst aus Schramberg, Waiblingen oder Tummlingen stammte.

Rund 100 Millionen Euro haben die Deutschen inzwischen in Taicang investiert. Und dafür werden sie hofiert. Auch kleine und mittlere Unternehmen werden im Industriepark Taicang begrüßt, als handle es sich um einen Multi vom Schlage Coca Cola. Den Mittelstand locken besonders die niedrigen Kosten für Miete und Personal in der Industriezone.

Der Staat lenkt

Die Großindustrie hat dagegen nicht immer die freie Wahl, wenn es um die Ansiedlung geht. In strategisch wichtigen Branchen wie der Chemie oder Stahlindustrie weist ihnen die Regierung den Standort zu - so wie auch im Falle des jüngsten Großprojektes der BASF in Nanjing. Doch die Investoren müssen noch ganz andere Pillen schlucken. So erwartet Peking beispielsweise intensive Ausbildungsförderung und natürlich Technologietransfer.

Siemens etwa unterhält inzwischen im ganzen Land Schulungszentren; die Allianz hat einen eigenen Ausbildungsgang zum Versicherungskaufmann eingeführt und so könnte man die Aufzählung beliebig fortsetzen. All dies Vorleistungen, von denen keiner sagen kann, ob sie sich jemals auszahlen werden. Zudem leidet knapp die Hälfte aller Unternehmer darunter, dass ihre Produkte gefälscht werden und zu erheblich günstigeren Preisen verkauft werden.

Erfolg auf Zeit?

Volkswagen galt bisher als eine der wenigen Erfolgsgeschichten im Reich der Mitte. Immer wieder betonen Vorstandsmitglieder, dass China einer ihrer renditestärksten Märkte sei. Die Zeiten sind möglicherweise bald vorbei. Am Montag (8. April 2002) brachten die Wolfsburger in China den neuen Polo auf den Markt. Niemand kann ihnen garantieren, dass ihre eigenen Joint-Venture-Partner nicht schon bald das Modell kopieren und ihnen damit Verluste in einer Größenordnung bescheren, die sie niemals in China verdient haben.

Auch beim viel gepriesenen Transrapid-Projekt warnen Beobachter, dass die Chinesen schon bald in der Lage sein werden, die Magnetschwebebahn selbst zu bauen. Der Vorsitzende der Deutschen Handelskammer in Shanghai, Klaus Grimm fordert die beteiligten Firmen dennoch auf, mit ihrem Wissen nicht so zurückhaltend umzugehen. Die Deutschen müssten sich endlich darüber klar werden,
dass es bei dem Transrapid um mehr geht: Es sei ein Symbol für das, was Deutschland leisten kann.

Symbolkraft dürfte das Transrapid-Projekt auch in anderer Hinsicht haben. Die zähe Verhandlungsphase, das schnelle Genehmigungsverfahren und der wenig später entfachte Streit zwischen den Projektpartnern - all das kommt vielen Unternehmern bekannt vor. Und noch eines ist typisch an dem Projekt: Keiner der Beteiligten will öffentlich über die Probleme reden. Ganz nach dem Motto: Soll doch jeder selber merken, dass China ein großer - aber kein einfacher Markt ist.