1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ein Hardliner als Präsident

Andreas Gorzewski11. Juni 2014

Reuven Rivlin lehnt eine Zwei-Staaten-Lösung im Nahen Osten strikt ab. Nun wird er Israels neuer Präsident. Das könnte die internationale Kritik an der Politik von Premier Netanjahu noch lauter werden lassen.

https://p.dw.com/p/1CFZH
Reuven Rivlin (Foto: picture alliance)
Bild: picture-alliance/dpa

Im zweiten Anlauf hat Reuven Rivlin es geschafft. Der 74-Jährige ist am Dienstag (10.06.2014) vom israelischen Parlament zum künftigen Staatspräsidenten gewählt worden. Vor sieben Jahren war er in der Knesset noch dem populären Friedensnobelpreisträger Schimon Peres unterlegen. Diesmal erhielt Rivlin, der Mitglied der konservativen Likud-Partei ist, in der Stichwahl 63 Stimmen der Abgeordneten. Sein Hauptrivale Meir Schitrit von der eher liberalen Hatenua-Partei kam auf 53 Stimmen. In Israel wählt nur das Parlament das Staatsoberhaupt, das vor allem repräsentative Aufgaben hat.

Für Regierungschef Benjamin Netanjahu sei die Wahl seines Parteigenossen zweischneidig, erläutert der israelische Publizist und Journalist Gil Yaron. "Es gab keinen Kandidaten, den Netanjahu eindeutig favorisierte und er wurde eher dazu gezwungen, Rivlin als Spitzenkandidaten zu akzeptieren", sagt Yaron. Trotzdem sei Rivlins Sieg in der Stichwahl gegen Schitrit ein wichtiges innenpolitisches Signal gewesen. Damit sei deutlich geworden, dass die Koalition zusammenstehe.

Rivlin schon mehrfach im Streit mit Netanjahu

Der Nahost-Experte der Denkfabrik European Council on Foreign Relations (ECFR), Mattia Toaldo, betont, dass Netanjahu und Rivlin schon einige öffentliche Auseinandersetzungen hatten. Ein Streitpunkt sei gewesen, dass Netanjahu dem Präsidentenamt in Israel mehr Macht geben wollte. Solch eine Machtverschiebung zulasten des Abgeordnetenhauses habe der ehemalige Parlamentspräsident Rivlin jedoch abgelehnt. Der ECFR-Forscher rechnet nicht damit, dass der Politikveteran nun, da er selbst das höchste Amt im Staat hat, seine Meinung ändern könnte.

Außenpolitisch könnte der neue Präsident eine schwere Hypothek für Israels Regierung werden. Rivlin ist Toaldo zufolge vermutlich der erste Staatschef, der gegen eine Zwei-Staaten-Lösung ist. Diese Lösung sieht einen eigenständigen Palästinenserstaat im Gaza-Streifen und dem Westjordanland vor. Amtsvorgänger Peres war, so sieht es der Journalist Yaron, ein Gegengewicht zur der verbreiteten Ansicht, dass Netanjahu nicht ernsthaft Frieden wolle. "Solange Peres agierte, war die Welt davon überzeugt, dass Israel doch auf eine Zwei-Staaten-Lösung hinsteuert", sagt Yaron. Nun trete ein erklärter Freund der jüdischen Siedler im Westjordanland und ein Anhänger eines Groß-Israel an dessen Stelle. Das setze Netanjahu unter Druck, da der Premier nun nicht mehr Peres als diplomatisches Feigenblatt nutzen könne.

Reuven Rivlin (l.) und Benjamin Netanjahu im Jahr 2011 (Foto: David Vaaknin/Imago)
Likud-Politiker Rivlin und Netanjahu (r.): Verhältnis gilt als zerrüttetBild: imago/David Vaaknin

Mattia Toaldo glaubt nicht, dass sich das Image Israels mit dem Hardliner als neuem Staatschef nun merklich verschlechtern werde. Schon seit Jahren sei die weltweite Kritik an der Regierung in Jerusalem lauter geworden. "Wir konnten etwa beim letzten Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel sehen, dass viele europäische Führungspersönlichkeiten nicht mehr so wie früher bereit sind, Israel gegen internationale Kritik in Schutz zu nehmen", erläutert Toaldo. Angriffsfläche bietet Rivlin mit seiner Idee eines Groß-Israel bis zum Jordan genug.

Unter den Gegnern territorialer Zugeständnisse an die Palästinenser gilt Rivlin laut Toaldo noch als eine Art liberaler Politiker. "Er wäre dafür offen, den Palästinensern einige Rechte zuzugestehen im Rahmen einer Lösung mit nur einem Staat", meint der Nahost-Experte. Rivlin hatte einmal angedeutet, dass er lieber Palästinenser als israelische Staatsbürger akzeptieren würde, als das Westjordanland von Israel abzutrennen.

Reuven Rivlin (r.) gibt am 10.6.2014 in der Knesset seine Stimme ab (Foto: Ronen Zvulun/Reuters)
Rivlin bei der Stimmabgabe in der Knesset: Nötige Mehrheit erst in der StichwahlBild: Reuters

Der Wahl ging eine Schlammschlacht voraus

Eine wichtige Aufgabe für den Vegetarier und Anhänger des Jerusalemer Fußballteams wird sein, das angekratzte Image des Präsidentenamts wieder zu verbessern. Zum Ende der siebenjährigen Präsidentschaft von Schimon Peres, der als integer galt, waren die Kandidaten für dessen Nachfolge in eine politische und juristische Schlammschlacht verwickelt. Der aussichtsreiche Kandidat Benjamin Ben-Elieser von der Arbeitspartei musste kurz vor der Abstimmung seinen Verzicht erklären, weil Ermittler unter anderem die Finanzierung seiner Wohnung klären wollten. Der andere Mitbewerber Schitrit räumte daraufhin ein, dass er zwar vier Wohnungen besitze, die aber alle korrekt erworben seien.

Rivlin als Besitzer einer einfachen Vierzimmerwohnung kam dabei ohne Vorwürfe davon. "Für das Amt des Präsidenten ist die Wahl von Rivlin eine der besten Lösungen, weil Rivlin anerkannt ist als ein sauberer Politiker", sagt Yaron. Er habe trotz seiner sehr rechten und siedlerfreundlichen Weltanschauung auch gute Beziehungen zu arabischen oder zu linken Knesset-Abgeordneten. Der neue Staatschef, der Ende Juli die Amtsgeschäfte übernehmen soll, sei ein Gentleman. "Das wird dem Amt des Präsidenten gut tun", meint Yaron.