Afrika nach Gaddafi
20. Oktober 2012Mal nannte er sich "Bruder Revolutionsführer", mal "König der Könige" - Muammar al-Gaddafi hatte viele Gesichter. Im Westen war er der Despot aus der Wüste, skrupellos und exzentrisch. Doch welches Bild hinterlässt Gaddafi in Afrika, ein Jahr nach seinem Tod?
In der ugandischen Hauptstadt Kampala gibt es eine Gaddafi-Moschee, zu der eine Gaddafi-Straße führt. "Gaddafi war ein sehr guter Freund Ugandas", sagt Fred Opolot, Regierungssprecher Ugandas. Als eine Schlüsselfigur in der Unabhängigkeitsbewegung Ugandas habe Gaddafi einen festen Platz in der Geschichte des Landes.
Gekaufte Freunde
Die Lobeshymnen auf Gaddafi, sie haben auch einen wirtschaftlichen Hintergrund. Für die Freundschaft hat Gaddafi bezahlt. 375 Millionen Dollar hat er in Uganda insgesamt investiert - Geld aus den Erdöleinnahmen. Es steckt unter anderem in der ugandischen Telefongesellschaft und der Tropical Bank.
Gaddafi war ein willkommener Finanzier der afrikanischen Wirtschaft. Über den ganzen Kontinent sind libysche Investitionen verteilt. Sie stecken in Luxushotels von Kenia bis Ghana, in Kautschukfabriken in Liberia, in der Fruchtsaftproduktion in Guinea, in Telefongesellschaften und Tankstellen in ganz Ostafrika.
Doch während des Krieges in Libyen folgten die afrikanischen Länder einer UN-Resolution und froren das Auslandsvermögen und die Geschäftsanteile des Gaddafi-Clans ein. Heute sind die Sanktionen zwar aufgehoben. Auch die libysche Investitionsbehörde LIA gibt es noch. Doch das Kapital stammt aus den goldenen Ölzeiten vor der Libyenkrise. Und wo wie viel Geld steckt, weiß nicht einmal die neue Regierung.
Keine Öl-Millionen mehr aus Libyen
Mit den libyschen Geschäften sei nun Schluss, sagt daher Sebastian Spio-Garbrah, Gründer der New Yorker Beratungsfirma DaMina, die Risiko-Analysen für Afrika erstellt: "Es gibt keine neuen Investitionen, die von Libyen aus in Afrika getätigt werden", Libyen sei pleite, die Ölindustrie quasi zusammengebrochen, die Sicherheitslage äußerst schlecht.
Für viele afrikanische Staaten sei Gaddafis Tod ein wirtschaftlicher Verlust, so der westafrikanische Analyst Spio-Garbrah. Es sei völlig unklar, was mit all den Firmen, Hotels und Plantagen passiere, in denen libysches Geld steckt. Denn viele afrikanische Präsidenten misstrauen der neuen Regierung in Libyen. "Auch wenn sie die neue Regierung diplomatisch anerkannt haben, haben die meisten die Anteile noch nicht an Libyen übertragen", so Spio-Garbrah. Wem welche Anteile gehören, ist seit den Sanktionen oft nicht eindeutig.
Einige der Länder profitieren allerdings vom Chaos in Libyen. Die Kontrolle über die libyschen Geschäfte lag durch die UN-Sanktionen bei den afrikanischen Staaten, jetzt geben viele sie nicht mehr aus der Hand. Schlecht für die neuen Machthaber in Libyen - sie sind zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Da bleibt keine Kapazität, um die Investitionen juristisch zurückzufordern.
Neuordnung in der Afrikanischen Union
Aber Gaddafi galt als der solidarische Bruder, der an Afrika glaubte. Was wurde aus den politischen Investitionen? Was aus der panafrikanischen Vision? Die Afrikanische Union (AU) geht immerhin auf Gaddafis Initiative zurück.
Hehre Ziele, wie die Vereinigten Staaten von Afrika, stünden nun nicht mehr auf der Tagesordnung, sagt Ulf Engel. Der Afrikanistik-Professor an der Universität Leipzig berät seit vielen Jahren die Afrikanische Union. Vielen afrikanischen Präsidenten ging Gaddafis ambitioniertes Machtgehabe sowieso zu weit: "Die Mehrheit der AU-Mitgliedsstaaten fühlte sich durch Gaddafi eher genötigt", so Engel. Besonders in der Frage, wie viel Macht die Staaten an die Zentrale abgeben sollten, herrschte große Uneinigkeit.
Finanzierungslücke ohne Gaddafi
Dass Gaddafi den Ton angab, lag auch am Geld. Libyen steuerte 15 Prozent des Budgets bei, außerdem zahlte Gaddafi klammen Staaten die Mitgliedsbeiträge - Stimmenkauf, um politische Freunde zu gewinnen. Laut Ulf Engel keine unübliche Praxis in der AU. Ohne Libyen als Geldgeber hat die Organisation nun ein Finanzierungsproblem.
Dennoch sei die Afrikanische Union ohne die Führungsansprüche Gaddafis effektiver. Die Lage habe sich entspannt, beobachtet Engel bei seinen Gesprächen in der AU. "Man muss sich nicht mehr mit medienwirksamen Ideen beschäftigen, die aktuell nicht umgesetzt werden können, sondern man konzentriert sich darauf, die vorhandenen Institutionen besser zu integrieren."
Ein Jahr nach Gaddafi rücken neue Akteure ins Rampenlicht: Politisch könnte sich Südafrika mit Nkosazana Dlamini-Zuma an der Spitze der AU-Kommission mehr Sagen erhoffen. Und andere wirtschaftliche Investoren gibt es bereits: Der Hauptsitz der Afrikanischen Union in Addis Abeba, ein repräsentativer Bau für 200 Millionen Dollar, ist ein Geschenk der Chinesen.