Ein neuer Präsident für Usbekistan
1. Dezember 2016Der 59-jährige Schawkat Mirsijajew ist der jüngste unter allen Führern der ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien. Er ist ein Jahr jünger als der kirgisische Präsident Almasbek Atambajew und nur einen Monat jünger als der turkmenische Staatschef Gurbanguly Berdimuhamedow. Mit ihm wird Mirsijajew am meisten verglichen.
Schon seit Mitte der 1990er Jahre sehen Menschenrechtler Parallelen zwischen dem Machtsystem, das Islam Karimow in Usbekistan errichtet hat, und dem repressiven Regime des turkmenischen Präsidenten Saparmurat Nijasow, das dessen Nachfolger Berdimuhamedow bis heute aufrecht erhält. Nach Karimows Tod Anfang September wurde wie auch nach Nijasows Ableben 2006 bei der Machtübergabe die Verfassung verletzt. In beiden Fällen hätten die Parlamentsvorsitzenden bis zu den vorgezogenen Präsidentenwahlen das Amt des Staatsoberhaupts ausüben müssen. Doch in Turkmenistan tat dies der damalige Vizepremier Berdimuhamedow und in Usbekistan Premier Mirsijajew.
Nun fragen sich Beobachter, wie Mirsijajew als neuer Präsident mit dem Personenkult seines Vorgängers Karimow umgehen wird. Wird er dem Beispiel seines turkmenischen Nachbarn Berdimuhamedow folgen, der Nijasows Porträts schnell durch sein eigenes ersetzte? Kritiker des Regimes in Usbekistan gehen davon aus, dass Mirsijajew Eigenschaften des "Karimow-Systems" übernehmen wird.
Vom Komsomolzen zum Premier
Mirsijajew ist aus dem sowjetischen administrativen Kommandosystem hervorgegangen und ist Teil der usbekischen Nomenklatura, der Machtelite des Landes. Er ist gelernter Maschinenbauingenieur, hat das Taschkenter Institut für Bewässerung und Mechanisierung der Landwirtschaft abgeschlossen, war als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Sekretär der kommunistischen Jugendorganisation Komsomol tätig. Ab 1990 saß er als Volksdeputierter im Obersten Sowjet Usbekistans und ab 1994 als Abgeordneter im ersten Parlament nach der Unabhängigkeit des Landes. Später war er Verwaltungschef in den Gebieten Dschizak und Samarkand. 2003 wurde er schließlich Regierungschef.
Akeschan Kaschegeldin ist ein führender Kenner Zentralasiens. Der ehemalige kasachische Premierminister und Oppositionspolitiker, der heute im westlichen Exil lebt, sagte der Deutschen Welle, Mirsijajew habe als Premier seinem Präsidenten Karimow absolut treu sein müssen. "In dieser Rolle war er kein Stratege, er war vor allem ein Manager. Aber er weiß, wie der Staat funktioniert. Wenn man bedenkt, dass man schon lange auf ihn gesetzt hat, dann wird er wohl an der bisherigen Strategie des Staates festhalten: am Prinzip der Blockfreiheit, an der größeren Aufmerksamkeit für regionale als auch für globale Fragen sowie an der Stärkung der Wirtschaft", sagte Kaschegeldin.
Er ist überzeugt, dass Mirsijajew sich zweier grundlegender Merkmale von Karimows Erbe bewusst ist. Einerseits hinke Usbekistan bei der Modernisierung weit hinter den fortschrittlichen Ländern der Welt her, aber andererseits sei Usbekistan heute der stärkste Staat in Zentralasien, wenn es um das Funktionieren staatlicher Institutionen gehe.
Anzeichen für eine Modernisierung?
Mirsijajews Programm für die vorgezogenen Präsidentschaftswahlen enthält keine unerwarteten Thesen. Den Kandidaten selbst präsentierte die Machtelite der Bevölkerung von Anfang an als klaren Favoriten. Bei seinen Auftritten gab sich Mirsijajew bescheiden. Doch nicht damit machte er von sich reden, sondern viel mehr in der Rolle eines "neuen Besens". Er überraschte mit mehreren Personalentscheidungen und entließ einige Leiter örtlicher Verwaltungen. Doch er beließ wider Erwarten den einflussreichen Finanzminister Rustam Azimow im Amt. In ihm hatten viele den künftigen Präsidenten gesehen. Azimow gilt eher als pro-westlich, im Gegensatz zum eher pro-russisch eingestellten Mirsijajew.
"Die Signale, die Mirsijajew und sein Team gen Westen geschickt haben, sind mit vorsichtigem Optimismus aufgenommen worden, insbesondere die Einladung westlicher Wahlbeobachter und die Amnestie für politische Gefangene", sagte Kaschegeldin. Ihm zufolge könnten dies aber Anzeichen dafür sein, dass Mirsijajew Kurs auf eine Modernisierung der Wirtschaft nehmen und Unternehmern mehr Freiheit einräumen möchte.
Das über Jahrzehnte errichtete Machtsystem, in dem der Staat "in jeder Ecke des Landes präsent" sei, spiele hierbei Mirsijajew in die Hände, denn es ermögliche eine Modernisierung "von oben", meint Kaschegeldin. Doch nach größeren wirtschaftlichen Freiheiten würden die Bürger dann auch nach größeren rechtlichen Freiheiten streben. Diese Forderung werde für die usbekische Staatsführung, die autoritär zu herrschen gewohnt sei, ein sehr schwieriger Moment werden, so der Zentralasien-Experte.