Ein Problem namens Brown
27. Juni 2008Gerade noch geschafft: Bei der jüngsten Unterhausabstimmung über eine Verschärfung der Anti-Terrorgesetze konnte sich Labour-Premierminister Gordon Brown ganz knapp durchsetzen. Viele sprechen jedoch von einem Pyrrhussieg, denn Browns Gefolgsleute verweigerten ihm die Mehrheit. Er gewann nur deshalb, weil ihn die rechtslastigen nordirischen Unionisten unterstützten. Ein durch und durch glückloser Premier, sagen Beobachter. Innerhalb eines Jahres habe Gordon Brown sein politisches Kapital verspielt.
Schwindende Unterstützung
"Gordon Brown ist wie eine Marke, die einfach nicht mehr ankommt", sagt Nick Sparrow vom Marktforschungsinstitut ICM. "Es gibt Politiker, die schwierige Zeiten überstehen und sich wieder erholen. Aber angesichts der jüngsten Umfragen kann man sich nur sehr schwer vorstellen, wie er politisch überleben kann."
Wie um dies zu bestätigen, erlitt Brown vor dem Jahrestag seiner Amtsübernahme am Freitag (27.06.2008) eine verheerende Niederlage: Seine Labour-Partei stürzte am Donnerstagabend in der Nachwahl zum Unterhaus in einem Wahlbezirk auf den fünften Platz ab und rutschte damit noch hinter die rechtsextreme British National Party (BNP). Die konservativen Tories konnten den Parlamentssitz für Henley-on-Thames in der südenglischen Grafschaft Oxfordshire wie erwartet weiter für sich beanspruchen.
Niemand hatte damit gerechnet, dass es mit Gordon Brown so schnell bergab gehen würde. Kurz nachdem er im Juni 2007 zum Premierminister berufen wurde, stiegen die Umfragewerte für Labour auf 40 Prozent. Doch inzwischen liegt Labour 20 Prozent hinter den Konservativen, die, wären jetzt Wahlen, mit einer komfortablen Mehrheit rechnen könnten. Daran, dass ein Hauptgrund für den Niedergang die Person Gordon Brown ist, kann es kaum einen Zweifel geben: Umfragen zufolge haben 49 Prozent der Bürger heute eine schlechtere Meinung von ihrem Premier als vor einem Jahr, im Ansehen gestiegen ist Brown nur bei zwei Prozent. Für den "besten Premierminister" halten 46 Prozent den jugendlich wirkenden Chef der Konservativen, David Cameron – und nur 23 Prozent Brown.
Guter Anfang
Noch vor einem Jahr hatte Gordon Brown mit seiner Wirtschaftskompetenz gepunktet. Solide, kompetent, umsichtig, kein Showman wie Tony Blair, lautete ein verbreitetes Urteil. Inzwischen steckt die Wirtschaft in der Krise, Gordon Brown ist mit dem Spitznamen "Gordon Clown" bedacht worden und wird in Satiresendungen verunglimpft.
Und dabei hatte alles so gut begonnen: Gordon Brown steuerte das Land durch die versuchten Terroranschläge in Glasgow und London, die Maul- und Klauenseuche, die Flutkatastrophe. Schon war die Rede von vorgezogenen Neuwahlen, um Gordon Brown auch direkt, per Stimmzettel, zu legitimieren. Aber dann der entscheidende Fehler: Gordon Brown zauderte.
"Das war der Wendepunkt", glaubt Francis Beckett, Autor einer Brown-Biografie. Wochenlang ließ er die Öffentlichkeit im Unklaren, schließlich fanden die Wahlen nicht statt. Doch Brown bestritt, dass der Grund die damaligen Umfragewerte gewesen seien. Browns Gegner hatten seine vermeintliche Achillesferse entdeckt. Brown mochte ein starker Schatzkanzler gewesen sein, aber als Premier sei er schwach, ängstlich und ohne klare Linie.
Chaos und Affären
Es folgten Spendenaffären, Datenverluste, administrative Pannen. Die Pechphase wollte nicht abreißen. Dann kamen der Kollaps der Bausparkasse Northern Rock, die Finanz- und Schuldenkrise, der Einbruch der Immobilienpreise. Und von allen Seiten der Vorwurf: Brown habe zu guten Zeiten nichts zurückgelegt.
"Gordon Brown hat den Bezug zur Bevölkerung verloren, schlimmer noch, er hat die Bedürftigsten verraten", so Nick Clegg, Chef der Liberaldemokraten - eine Anspielung auf ein weiteres von Brown verursachtes Fiasko. Die Abschaffung des Steuermindestsatzes für Niedrigverdiener hatte zu einer Rebellion in den eigenen Reihen geführt und den Premier zu einem demütigenden Rückzieher gezwungen. Bei den Kommunalwahlen im Mai bekam New Labour die Quittung: das schlechteste Ergebnis seit 40 Jahren. Und nun kommt noch die Ölkrise dazu.
Auch wenn globale Ursachen eine Rolle spielten, sei die britische Bevölkerung dennoch zu Recht verärgert, weil die Regierung so unvorbereitet in die Situation hingeschlittert ist, sagt Nicola Sturgeon von der Schottischen Nationalpartei. New Labour hat maximal zwei Jahre Zeit bis zu den nächsten Parlamentswahlen. Aber selbst ein neuer Premier würde die Partei nicht unbedingt retten. "Es ist eine Binsenweisheit – aber letztendlich dreht sich alles um die Wirtschaft", sagt Nick Sparrow. "Und wenn die Wirtschaft nicht mehr läuft, gibt man unweigerlich der Regierung die Schuld."