Rückblick im Zorn
18. Mai 2007Es war wie immer nach einem großen Fußball-Turnier. Zwar ist von der WM 2006 außer der netten Partystimmung wenig haften geblieben. Aber die Saison danach war die übliche fußballerische Katastrophe - und zwar überall.
In Deutschland ist alles klar. Schon zum dritten Mal in diesem noch jungen Jahrhundert wurde Bayern München nicht Meister. Für Torwart-Titan Oliver Kahn liegt der Grund für die "verlorene Saison" auf der Hand: der "Mangel an Drecksäcken". Aber jetzt wird ja investiert und umgebaut. Die Zeit der Knickerigkeit bei den Bayern ist vorbei, das Festgeldkonto wird geplündert. Alles wird wieder gut. Vielleicht.
Meister oder Erster?
Zugegeben: Die Stadien waren voll wie nie, die Spannung war riesig. Nur sollte man das nicht überbewerten: Ersteres liegt an den im internationalen Vergleich niedrigen Eintrittspreisen. Und die Spannung sollte nicht über das mäßige Niveau der Bundesliga hinweg täuschen. Eigentlich hätte in Deutschland niemand verdient, Meister zu werden - das Wort höre sich, wie Jens Lehmann der Welt am Sonntag aus dem fernen London wissen ließ, etwas komisch an. Wo er recht hat, hat er recht: Schließlich haben alle vermeintlichen Spitzenmannschaften fast jedes vierte Spiel verloren.
Aber Erster wurde ja immerhin doch einer: der VfB aus Stuttgart. Ist ja okay - die anderen haben ihre Chancen nicht genutzt: Die Hanseaten aus Bremen haben sich genau so vornehm zurückgehalten wie die selbst ernannten "Meister der Herzen" von Schalke versagt haben - das Phlegma war einfach stärker als der Millionendünger aus russischen Gasbeständen.
Katalanische Krise
Anderswo allerdings sieht es nicht viel besser aus: Tristesse, nur auf höherem Niveau. Wenn böse Zungen Schalke schon als das Greuther Fürth der Bundesliga bezeichnen - als Verein, der es einfach nicht geregelt kriegt, der den Sprung nie schafft - könnte man den FC Barcelona getrost das Schalke 04 der Primera División nennen.
Der spanische Traditionsklub schaffte es mit seinem Elitekader locker, schon im Achtelfinale der Champions League zu stranden, einen großen Vorsprung in der Meisterschaft zu verspielen und in der "Copa del Rey" (dem spanischen Pokalwettbewerb) mit einer unsäglichen Leistung auszuscheiden. Na ja, freuen tut's die Konkurrenz: Sevilla und Valencia - und auf einmal gehören auch wieder die ebenfalls krisengebeutelten "Königlichen" aus Madrid dazu.
Geld korrumpiert - und garantiert keinen guten Fußball
Geld korrumpiert - wie die Entwicklung im italienischen Fußball zeigt. Allerdings sorgt fehlendes Geld für den Niedergang - Beispiel: Niederlande. PSV Eindhoven ist zwar seit zehn Jahren kontinuierlich in der Champions League vertreten - Nennenswertes hat jedoch die Fußballabteilung des Glühlampenherstellers aus dem Süden des Landes nicht zustande gebracht. Prädikat: Celtic Glasgow. Zuletzt war Mitte der 1990er Jahre ein niederländischer Verein in der europäischen Königsklasse erfolgreich. Aber nur ältere Fußballfans wissen vielleicht noch, dass "Ajax" nicht immer nur ein Scheuermittel war.
Wer's nicht hat, wird nichts. Geld allein aber garantiert noch keinen guten Fußball. Das zeigt nicht zuletzt die beste europäische Liga, die englische Premier League. Durch beispielhafte Vermarktung haben alle Vereine Geld wie Heu - Geld, mit dem alles gekauft wurde, was zwei Beine hatte. Erfolg hatten die wenigsten mit dieser zweifelhaften Philosophie. Auch nicht Chelsea. Umgerechnet 450 Millionen Euro hat der russische Öl-Milliardär Roman Abramowitsch bezuschusst, seit er den Verein 2003 übernommen hat. Aber der große (europäische) Titel blieb dem Team bisher verwehrt.
Vorsichtig und berechnend
Schlimmer noch: Der unterkühlte Zweckfußball der Londoner ödet sogar die Fans an der Stamford Bridge an. Harsche Kritik kam auch vom argentinischen Ex-Weltmeister Jorge Valdano. In der spanischen Zeitung Marca geißelte er Trainer wie Mourinho (Chelsea) und Benitez (Liverpool): "Beide Mannschaften spielen so vorsichtig und berechnend, dass der kreative Aspekt des Fußballspiels total verloren geht."
Aber eine Hoffnung bleibt noch: das Finale der Champions League. Vor zwei Jahren schaffte der AC Milan beim Endspiel in Istanbul das Kunststück, nach einer 3:0-Pausenführung noch gegen Liverpool zu verlieren. Jetzt gibt's die Revanche in Athen. Letzte Gelegenheit für Berlusconis Altherren-Riege um Maldini, Cafu, Costacurta und Serginho, es allen nochmal so richtig zu zeigen.