Ein spezielles Verhältnis: Merkel und Hollande
2. Dezember 2016Im Oktober, vor wenigen Wochen also, veröffentlichte der französische Präsident Francois Hollande ein Buch, das viele Franzosen ebenso erschreckte wie erheiterte: Die Richterzunft, sein Vorgänger Nicolas Sarkozy, die eigene Freundin: eigentlich alle unfähig. Alle? Eine nicht. Warme Worte fand der offenbar frustrierte Sozialist für Angela Merkel, die deutsche Kanzlerin. "Nicht autoritär, nicht herabsetzend, nicht distanziert" sei seine politische Partnerin in Berlin, sondern vielmehr "seriös, intelligent, darauf bedacht, eine Balance zu finden". Besser als die Kanzlerin kam eigentlich niemand weg in dieser bösen Abrechnung.
Merkel wollte eigentlich Sarkozy
Das war so im Mai 2012 nicht zu erwarten, als der Sozialist Hollande als Präsident antrat. Die konservative Angela Merkel war da schon sechseinhalb Jahre im Amt und regierte mit der wirtschaftsliberalen FDP. Und es galt als offenes Geheimnis in Berlin, dass Merkel sich eine Wiederwahl des konservativen Hollande-Vorgängers Sarkozy in Paris gewünscht hätte.
Hollande wollte dem, was unter dem Stichwort "Austeritätspolitik" in Europa bekannt war und maßgeblich von der deutschen Regierung vorangetrieben wurde, etwas anderes entgegensetzen: weniger Spardruck vor allem für die armen EU-Länder des Südens, mehr staatliche Investitionsprogramme. Davon blieb dann allerdings in den Jahren danach nicht mehr viel übrig: Merkel und Hollande zogen etwa gegenüber der griechischen Regierung an einem Strang und setzen die harten Reformprogramme durch.
Zwei Ereignisse: Ukraine und der Terror
Für das am Ende gute Verhältnis der beiden waren zwei Ereignisse von besonderer Bedeutung: die Rolle Deutschlands und Frankreichs im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine und die Reaktion auf die Terroranschläge in Frankreich: Nachdem US-Präsident Obama Signale ausgesandt hatte, eine mögliche Lösung des Konflikts in der Ost-Ukraine eher den Europäern überlassen zu wollen, ergriffen Merkel und Hollande die Initiative und gründeten das "Normandie"-Format. Bei den Feiern zum 70. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie hatten im Sommer 2014 Gespräche zwischen Russland und der Ukraine, Deutschland und Frankreich stattgefunden, dieses Gesprächsformat nahmen Paris und Berlin nun wieder auf. Im Februar 2015 erreichten sie eine Waffenstillstandsvereinbarung (Minsk II). Friede herrscht immer noch nicht, aber das Format besteht fort, meistens durch die Außenminister mit Leben erfüllt.
Ein Bild geht um die Welt
Und im Februar 2015 ging dieses Bild um die Welt: die Kanzlerin in Paris, ihren Kopf an die Schuler Hollandes legend, vereint in der Trauer um die Opfer des Terroranschlags: Hollande in seinem Buch dankbar: "Das war eine sehr weibliche und persönliche Geste, das war heikel und hätte leicht missverstanden werden können."
Leichte Differenzen
Nicht ganz so eng war die Zusammenarbeit in der Flüchtlingskrise. Mit leisem Kopfschütteln registrierten die Franzosen den Merkel-Satz "Wir schaffen das" und die Aufnahme von rund einer Million Flüchtlingen in Deutschland im vergangenen Jahr. Einig war man sich dann wieder bei den nötigen Reaktionen: Europa müsse möglichst geschlossen handeln. Auch wenn die beiden großen EU-Motoren (bislang jedenfalls) dabei nicht erfolgreich waren. Hollande unterstützt aber das EU-Flüchtlingsabkommen mit der Türkei. Und war wie Merkel ein Gegner des EU-Austritts der Briten.
Seit Jahren schon beim "Du"
Jedenfalls war die Zusammenarbeit stets so eng, dass die beiden das förmliche "Sie" schnell hinter sich ließen: Bei einem Essen am Berliner Gendarmenmarkt im Januar 2013 bot Merkel dem Franzosen das "Du" an. Eigentlich kein Wunder: An diesem zentralen Ort der Bundeshauptstadt stehen sich zwei Kirchen quasi direkt gegenüber: Der Französische und der Deutsche Dom. Beim "Du" von Hollande und Merkel ist es bis heute geblieben.