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Ein Tag des Terrors

26. Juni 2015

Innerhalb weniger Stunden sterben am Freitag mehr als 60 Menschen bei Anschlägen in Tunesien, Kuwait, Somalia und Frankreich. Überall gibt es Hinweise auf einen islamistischen Hintergrund.

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Im tunesischen Badeort Sousse liegt der Körper eines ermordeten Touristen unter einem Handtuch (Foto: REUTERS/Amine Ben Aziza)
Bild: Reuters/A.b. Aziza

Schauplatz des größten Blutbades ist Tunesien. Dort hatte sich der Attentäter als Tourist getarnt, seine Waffe versteckte er in einem Sonnenschirm. Im Hotel Imperial Marhaba in der bei Touristen beliebten Stadt Sousse zog er dann eine Kalaschnikow und eröffnete wahllos das Feuer auf die Hotelgäste.

Inzwischen bekannte sich die Terror-Organisation "Islamischer Staat" (IS) zu dem Anschlag in der Hotelanlage in Tunesien. In der über den Kurznachrichtendienst Twitter verbreiteten Erklärung heißt es, ein "Soldat des Kalifats" sei in das Hotel eingedrungen.

Unter den Toten sind wohl auch Deutsche

Noch gibt es keine letzte Gewissheit über die genaue Zahl der Toten in Sousse. Unter Berufung auf das tunesische Gesundheitsministeriums berichteten örtliche Medien von 39 Todesopfern. Nach offiziellen Angaben aus Tunis sind die meisten der Getöteten britische Staatsangehörige. Der tunesische Regierungschef Habib Essid erklärte am Samstagmorgen, unter den Opfern seien auch Deutsche und Belgier.

Von deutscher Seite wurde dies bislang weder bestätigt noch dementiert: Der Krisenstab der Bundesregierung und die deutsche Botschaft in Tunis bemühten sich mit Hochdruck um Aufklärung, hieß es aus dem Auswärtigen Amt. "Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass deutsche Staatsangehörige Opfer des Anschlags geworden sind", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin. "Wir müssen damit rechnen, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis das geklärt ist."

Tunesische Gegenmaßnahmen

Nach einer nächtlichen Sitzung des nationalen Sicherheitsrates kündigte Regierungschef Essid eine Reihe von Maßnahmen an. Dazu gehört die Schließung von bis zu 80 Moscheen. "Es gibt weiterhin Moscheen, die ihre Propaganda und ihr Gift zum Terrorismus verbreiten", wurde Essid von örtlichen Medien zitiert. Daneben sollen Vereine und Parteien, die "außerhalb des Verfassungsrahmens stehen", genauer überprüft und dann entweder verwarnt oder aufgelöst werden. Um Touristen vor möglichen weiteren Anschlägen zu schützen, kündigte Essid einen verstärkten militärischen Schutz verschiedener Einrichtungen an. Dazu sollten auch Reservisten einberufen werden.

Lange ein Vorbild in Nordafrika

Tunesien ist das einzige Land Nordafrikas, in dem nach dem Arabischen Frühling 2011 ein friedlicher Übergang zur Demokratie gelungen ist. Das Land gilt zudem als der am weitesten säkularisierte Staat in der von religiösen Konflikten bestimmten Region.

Einen schweren Rückschlag erhielt die weitgehend friedliche Entwicklung dann aber im März beim Anschlag auf das Bardo-Museum in Tunis mit mehr als 20 Toten. Die Extremisten zielten mit ihrem Angriff ebenso wie bei dem jüngsten Terrorakt auf das wirtschaftliche Fundament Tunesiens. Der Tourismus zählt zu den wichtigsten Einnahmequellen des Landes.

Mindestens 25 Menschen sterben in Kuwait

Ein schweres Blutbad gab es am Freitag auch in Kuwait. Bei einem Anschlag auf eine schiitische Moschee in Kuwait-Stadt starben mindestens 27 Menschen, mehr als 200 wurden verletzt. Der Anschlag ereignete sich während des Freitagsgebets. Auch hier erklärten IS-Dschihadisten, sie hätten die Tat begangen. Das Innenministerium meldete inzwischen, eine nicht näher genannte Zahl von Verdächtigen sei zur Befragung festgenommen worden.

Sicherheitskräfte stehen vor der Al-Imam al-Sadeq Moschee in Kuwait Stadt, in der sich zuvor ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt hatte (Foto: AFP PHOTO / YASSER)
25 Schiiten sterben in Kuwait- es ist der erste Anschlag dieser Art im GolfemiratBild: Getty Images/AFP/Y. Al-Zayat

Muslimischer Familienvater wird zum grausamen Attentäter

Einen weiteren Anschlag mit islamistischem Hintergrund gab es in Frankreich: Ein Mann griff ein Gaslager nahe der ostfranzösischen Stadt Lyon an, nachdem er nach Angaben von Ermittlern zuvor seinen Arbeitgeber enthauptet und den Kopf des Opfers am Zaun des Firmengeländes aufgespießt hatte. Am Körper des Toten befanden sich arabische Schriftzeichen.

Der als Yassin S. identifizierte Angreifer gelangte zunächst problemlos auf das Gelände. Er hatte als Angestellter einer Transportfirma immer wieder Lieferungen zum Lager gebracht. Auf dem Gelände raste der 35-Jährige mit seinem Lieferwagen in einen Hangar voller Gasflaschen, es kam zu einer heftigen Explosion.Alarmierte Feuerwehrleute konnten den Mann in einem zweiten Hangar überwältigen, als er gerade mit Azeton gefüllte Flaschen öffnete, um eine weitere Explosion zu verursachen.

Frankreich hat nach dem Anschlag die höchste Sicherheitsstufe für Industrieanlagen verhängt. Die Vorsichtsmaßnahme gilt vorerst für drei Tage.

Soldaten werden Opfer von Islamisten in Somalia

Auch aus Somalia wurde islamistisch motivierter Terror gemeldet. Bei einem Angriff auf einen Stützpunkt der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (African Union Mission to Somalia - Amisom) durch die islamistische Al-Shabaab-Miliz starben mindestens 50 Menschen.

Auf dem Amisom-Stützpunkt waren insgesamt rund hundert Soldaten aus Burundi stationiert, die an der Seite der vom Westen unterstützten somalischen Regierung gegen die Al-Shabaab-Miliz vorgingen. Anwohnern zufolge begann der Angriff mit einem Selbstmordanschlag, bevor die Islamisten den Stützpunkt mit Maschinengewehren und Panzerfäusten unter Beschuss nahmen. Die Amisom bestätigte den Angriff auf den Stützpunkt, machte aber keine Angaben zur Anzahl der Todesopfer. "UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte in einer Reaktion auf die Anschläge, die Verantwortlichen für diese "entsetzlichen Taten" zur Rechenschaft zu ziehen.

Die Shabaab-Miliz kämpft in dem Land am Horn von Afrika seit Jahren für die Errichtung eines Gottesstaates. Im islamischen Fastenmonat Ramadan nehmen die Angriffe der extremistischen Miliz gewöhnlich zu. Am Mittwoch waren bei einem Autobombenanschlag in Mogadischu sechs Menschen getötet worden. Insgesamt sind 22.000 Soldaten der Afrikanischen Union in Somalia stationiert.

Mehr Terror zum IS-Jubiläum?

Am Montag ist der erste Jahrestag der Gründung des "Kalifats" in Syrien und dem Irak durch die Terror-Miliz Islamischer Staat (IS). Die Gruppe forderte dazu auf, während des laufenden Fastenmonats Ramadan Attentate auf "Feinde" des Islams zu verüben. Zu seinen Feinden zählt der IS auch sämtliche Muslime, die IS-Führer Abu Bakr al-Baghdadi keine Gefolgschaft leisten. Sie gelten – ebenso wie alle Schiiten – als Abtrünnige, die den Tod verdienen.

Merkel fordert entschlossenen Anti-Terror-Kampf

Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte angesichts der neuen Anschläge zu einem entschlossenen Kampf gegen den internationalen Terrorismus. "Die Meldungen machen uns allen noch einmal klar, vor welchen großen Herausforderungen wir stehen, wenn es um den Kampf gegen Terrorismus geht."

Die Bundesregierung beteiligt sich zwar nicht direkt an den Militäreinsätzen gegen den IS im Irak und Syrien. Sie unterstützt aber die kurdischen Peschmerga in ihrem Kampf gegen die Dschihadisten durch Waffenlieferungen und militärische Ausbildung.

Die deutschen Sicherheitsbehörden rechnen nach Informationen der "Bild"-Zeitung jederzeit mit #links:18544407:Anschlägen islamistischer Extremisten in Deutschland#. "Deutschland ist erklärtes und tatsächliches Ziel dschihadistisch motivierter Gewalt", zitiert das Blatt in seiner Samstagsausgabe aus einem internen Bericht der Behörden zur Sicherheitslage hierzulande

sp/hf (rtr, dpa, afp, ap)