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Wahl-O-Mat für Tunesien

29. September 2011

Inspiriert vom deutschen Vorbild hat ein Team von Deutsch-Tunesiern ein Online-Tool für die ersten freien Wahlen in Tunesien entwickelt. Es soll Wählern eine Orientierungshilfe bei der Abstimmung geben.

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Wähler gibt seinen Stimmzettel ab. (Foto: Bilderbox, AP, Montage DW)
Rund sieben Millionen Tunesier sind am 23. Oktober zur Wahl aufgerufenBild: Bilderbox/AP/Montage DW

"Es ist soweit, 'TuniVote' geht Online", verkündet Silmi Khanfir auf seinem Facebook-Account. Nach monatelangem Tüfteln und vielen Arbeitsstunden in seiner Freizeit hat der junge Deutsch-Tunesier es rechtzeitig geschafft, "TuniVote" (www.tunivote.net), eine tunesische Version des deutschen Wahl-O-Mats, online zu stellen. Der kostenlose Service soll tunesischen Wählern helfen, sich bei den ersten freien Wahlen seit dem Sturz von Diktator Ben Ali im Dschungel von mehr als 100 Parteien und ihren Programmen zurechtzufinden.

Deutscher Wahl-O-Mat als Vorbild

Die Webseite von "TuniVote" (Foto: "TuniVote")
"TuniVote" - ein Online-Tool als Orientierungshilfe für die tunesischen WählerBild: www.tunivote.net

Die Wahlen sind für den 23. Oktober geplant - durch sie soll eine nationale verfassungsgebende Versammlung bestimmt werden. Doch den tunesischen Wählern sind die meisten Parteien unbekannt. Silmi Khanfir, Sales-Manager bei IBM in Stuttgart, hat das Projekt deshalb schon vor Monaten gemeinsam mit mehreren Freunden ins Leben gerufen. Es solle den Landsleuten in Tunesien als Orientierungshilfe dienen, sagt er. Keinesfalls wolle man konkrete Wahlempfehlungen geben. "Da wir den Wahl-O-Mat aus Deutschland kennen und dessen Vorteile hier kennengelernt haben, dachten wir: Warum nicht dieses Tool auch in Tunesien einsetzen?" Bei mehr als vier Millionen Internetnutzern (von insgesamt 10 Millionen Einwohnern) und einem hohen jungen Bevölkerungsanteil seien die Voraussetzungen für den Erfolg eines solchen Online-Tools sicherlich gegeben, meint Khanfir.

Gesagt, getan: Khanfir führte mehrere Beratungsgespräche mit der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) in Bonn, die einen Wahl-O-Mat für deutsche Wähler entwickelt hat, sowie mit einem niederländischen Institut, von dem die Ursprungsidee stammt. Sie enstand dort bereits 1985, in Deutschland wurde erstmals 2002 ein Wahl-O-Mat für die Bundestagwahlen etabliert. Das neue Online-Tool für Tunesien sei allerdings speziell für die dortigen Wähler konzipiert worden und ermögliche ihnen, innerhalb von maximal dreißig Minuten herauszufinden, welche Parteien der eigenen politischen Meinung am nächsten stünden.

Anpassung an tunesische Mentalität

Silmi Khanfir am Schreibtisch (Foto: Tunicomp)
Der Deutsch-Tunesier Silmi KhanfirBild: Tunicomp

Und das funktioniert so: Der tunesische User muss 56 Fragen zu den verschiedenen Wahlkampfthemen beantworten. Am Ende zeigt "TuniVote" ihm in Form einer Liste an, welche Parteien den höchsten Grad an Übereinstimmung mit seinen eigenen Ansichten aufweisen. Parteien, die sich nicht für "TuniVote" registrieren lassen haben, werden mit entsprechendem Hinweis ebenfalls angezeigt.

Im Vergleich zum deutschen Wahl-O-Mat gebe es einige Unterschiede, betont Khanfir. Die Software sei neu entwickelt und den Bedürfnissen und Besonderheiten des tunesischen Wählers angepasst worden. "Ich denke, dass die Leute in Tunesien auf so eine Hilfe angewiesen sind", sagt Khanfir. "Sie haben nicht die Zeit, sich die Programme von über einhundert Parteien durchzulesen." Auch die Mentalität sei anders: "Der tunesische Wähler ist nicht so geduldig wie der deutsche", meint Khanfir. "Er will so schnell wie möglich zum Ergebnis kommen."

Vernetzt mit der Heimat

Logo von Tunicomp (Foto: Tunicomp)
Das Tunesische Kompetenznetzwerk versteht sich als Brücke zwischen Deutschland und TunesienBild: Oualid Hamdi

Khanfir hat "TuniVote" nicht alleine entwickelt. Der Wahl-O-Mat ist eine Gemeinschaftsprojekt von Auslands-Tunesiern, insbesondere aus Deutschland. Sie gründeten dafür einen Verein namens "Tunicomp" (www.tunicomp.net ) - das steht für Tunesisches Kompetenznetzwerk. Miteinander vernetzt sind die jungen Leute vor allem via Facebook. Tunesischstämmige Informatiker, Ingenieure, Wirtschaftswissenschaftler und andere machen dabei ehrenamtlich mit, darunter auch Oualid Hamdi, Produktmanager bei der Deutschen Telekom. Der 29-Jährige erklärt, er wolle bei der Demokratisierung Tunesiens mitwirken: "Es herrscht ein großes Wirrwarr bei den Wählern in Tunesien. Aus diesem Grund wollen wir einen Beitrag zur politischen Aufklärung leisten."

"TuniVote" sei jedoch keineswegs ein elitäres Projekt von Auslands-Tunesiern, betont Hamdi. Die Wähler in Tunesien seien von Anfang an mit einbezogen worden. Jeder im Team habe sich im eigenen familiären Umfeld sowie bei Freunden und Bekannten umgehört, welche Fragen die tunesische Wähler am stärksten bewegen. Zahlreiche Menschen aus unterschiedlichen Gesellschafts- und Altersklassen seien befragt worden. Zu Rate gezogen worden seien neben deutschen auch tunesische Kommunikations- und Politikwissenschaftler.

Autorin: Chamselassil Ayari
Redaktion: Rainer Sollich