Eine EU für Ostafrika
13. Januar 2014Reisen ohne Pass und Visum wie in der Europäischen Union - das soll bald für rund 135 Millionen Menschen in Ostafrika möglich sein. Kenia, Ruanda und Uganda machen es bereits vor: Seit dem 1. Januar 2014 können ihre Staatsbürger im Rahmen der Zollunion frei in den drei Ländern reisen. Für die Grenzkontrollen genügt ein Personal-, Studenten- oder Wählerausweis. Nervenaufreibende Behördengänge und hohe Kosten für Visa entfallen.
Kenia, Ruanda und Uganda sind Mitglieder der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC). Ihr Ziel: mehr Wachstum, mehr innerafrikanischer Handel durch einen gemeinsamen Markt mit einheitlichen Einreise- und Zollgesetzen. "Wir müssen den Handel miteinander noch weiter ausbauen und intensivieren", mahnte kürzlich Kenias Präsident Uhuru Kenyatta, der zur Zeit den Vorsitz der EAC innehat. "Nur so entwickeln unsere privaten Sektoren die Stärke, die Ausdauer und Struktur, die sie brauchen, um es mit der Welt aufzunehmen."
Sicherheitsbedenken in Burundi und Tansania
Auch Burundi und Tansania gehören zur EAC. Doch bislang halten diese beiden Staaten ihre Grenzen dicht - aus Angst vor Terrorangriffen der somalischen Al-Shabaab-Miliz, heißt es offiziell. Tansania sei das einzige Land, das Grenzen zu allen vier anderen EAC-Staaten habe, sagt Samuel Sitta, Tansanias Minister für ostafrikanische Zusammenarbeit. Deshalb sei man besonders sensibel. Sitta kritisiert, dass die technischen Voraussetzungen für die Reisefreiheit noch nicht geschaffen wurden, so seien etwa nach wie vor nicht alle Personalausweise maschinell lesbar. "Unklare Abkommen sind eine Sicherheitsbedrohung. Unsere Region hat keinen Frieden und gerade jetzt herrscht Krieg im Südsudan."
Die tansanischen Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass sich Mitglieder und Sympathisanten der Al-Shabaab Personalausweise in den EAC-Staaten beschaffen konnten. Einige sollen sogar EAC-Staatsbürger sein. Die neue Reisefreiheit, so die Befürchtung, würde die Gefahr von Anschlägen und Attentaten massiv erhöhen.
Hoffen auf den Wirtschaftsboom
Sicherheitsbedenken gibt es auch in Kenia, Ruanda und Uganda. Doch dort überwiegt die Überzeugung, dass mit den Grenzen auch wichtige Handelshemmnisse fallen. Mehr Freizügigkeit für Beschäftigte, Waren, Dienstleistungen und Kapital - das weckt Hoffnungen auf mehr Investitionen in die Region, auch in Straßen, Schienen und die Stromversorgung. "Die Infrastruktur ist eine der größten Herausforderungen", sagt Wirtschaftsexperte Martin Otieno aus Nairobi. "In den vergangenen Jahren haben die Regierungen immer wieder beteuert, dass sie Reisen, Handel und Investments sehr viel einfacher machen wollen." Vor allem der Privatsektor hatte immer wieder auf mehr regionale Integration gedrängt und baut nun darauf, dass alle Regierungen ihre Versprechen einhalten.
Die fünf EAC-Staaten arbeiten bereits am nächsten großen Projekt. Sie wollen nach dem Vorbild der Euro-Zone eine Währungsunion gründen. Das soll die Wirtschaft weiter stärken und Ostafrika attraktiver für ausländische Investoren machen. Ein Rahmenabkommen unterzeichneten die Regierungen im Dezember 2013 in Ugandas Hauptstadt Kampala. In zehn Jahren soll die gemeinsame Währung eingeführt werden.
Die Währungsunion "nicht überstürzen"
Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Die Länder müssen bestimmte Kriterien wie Inflationsziele erfüllen. Auch unabhängige Institutionen für eine solche Währungsunion müssen erst noch geschaffen werden. Der Blick nach Europa mag da hilfreich sein - wenn auch mit Einschränkungen. "Sie sollten nichts überstürzen", warnte etwa die Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, bei einem Besuch in Kenia im Januar. "Stellen Sie sicher, dass Sie aus unseren Fehlern lernen", so Lagarde. Wenn die Ostafrikaner es richtig machten, könnten sie den Europäern mit ihrer Währungsunion sogar noch etwas beibringen.
Stolpersteine der wirtschaftlichen Integration sind laut der IWF-Chefin vor allem nicht-tarifäre Handelsbarrieren, wie etwa Importquoten oder Exportbeschränkungen. Aber auch die unterschiedliche Stärke der Mitglieds-Ökonomien sei ein Problem. Wie sehr das den Zusammenhalt der Gemeinschaft als Ganzes auf die Probe stellt, hat Europa mit der Finanz- und Schuldenkrise gerade erst zu spüren bekommen.
Nicht nur ostafrikanische Regierungen drängen auf mehr Zusammenarbeit. Insgesamt gibt es mehr als ein Dutzend regionale Wirtschaftsgemeinschaften auf dem Kontinent. Viele Länder pflegen Mehrfachmitgliedschaften und tun sich schwer, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Deshalb bleibt von den vollmundigen Absichterklärungen der Politiker am Ende oft wenig übrig.