Eine ewige Baustelle?
8. April 2010Sie wächst, die Elbphilharmonie, und thront immer höher auf dem alten Kaispeicher über dem Hamburger Hafen. Die ersten transparenten Fassadenteile sind bereits angebracht und geben eine Ahnung davon, wie der kühne Bau der Schweizer Architekten Herzog und de Meuron einmal aussehen wird. Ein Wahrzeichen mit internationaler Strahlkraft soll die Elbphilharmonie werden, ähnlich der Oper in Sydney oder dem Guggenheim Museum in Bilbao. Doch die Hamburger Bürger sehen in der Baustelle derzeit wohl eher ein gigantisches Steuergelder-Grab. Die anfangs veranschlagten Baukosten von 77 Millionen Euro sind auf 323,5 Millionen Euro gestiegen. Eröffnung sollte einmal im September 2010 sein, inzwischen rechnet man mit dem Jahr 2013. Die Baufirma Hochtief möchte keinen verbindlichen Terminplan mehr herausgeben, weshalb sie nun von der Stadt Hamburg verklagt wird.
Das große Problem: der Konzertsaal
Heribert Leutner ist Chef der für den Bau verantwortlichen städtischen Realisierungsgesellschaft (ReGe). Warum Hochtief sich auf keinen neuen Terminplan festlegen will, weiß er nicht. Bekannt sei nur, dass der große Konzertsaal, eine bislang einmalige Stahlkonstruktion, die Baufirma vor Probleme stellt. Aber wo die Probleme genau liegen, habe Hochtief noch nicht verraten. "Das würden wir auch gerne ein bisschen besser verstehen", gibt Leutner zu. "Bisher hat Hochtief uns noch nicht im Detail nachgewiesen, warum es im Stahlbaubereich zu Schwierigkeiten kommt."
Muss nun also die Kommunikation zwischen Bauherr und Bauunternehmer eingeklagt werden? Es gehe vor allem um die Frage der Haftung, sagt Leutner, und damit um sehr viel Geld. Sollte Hochtief Termine nicht einhalten, drohen Vertragsstrafen. Insofern sei die Kommunikation sicher auch von Strategie geprägt, aber der Kontakt sei keineswegs abgebrochen, so Leutner.
Kommt es noch schlimmer?
Es könnte also sein, dass in der großen Baustelle im Hamburger Hafen noch eine weitere böse Überraschung für die Stadt und die Steuerzahler lauert. Weshalb die Baukosten derart explodieren konnten, will die Hamburger SPD-Opposition nun mit einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss klären. Christoph Lieben-Seutter, Generalintendant von Elbphilharmonie und Laeiszhalle, dem traditionellen Hamburger Konzerthaus, war der Erste, der öffentlich von einer erneuten Verschiebung des Eröffnungstermins gesprochen hat. Die Hamburger Kulturbehörde wollte das Offensichtliche lange nicht zugeben.
Lieben-Seutter aber gibt sich entspannt. Mit negativer Begleitpresse sei es natürlich schwieriger, entsprechende Sponsoren mit ins Haus zu holen. Zudem könne die Vermietung des Hauses erst laufen, wenn es eine zuverlässige Terminplanung gebe, "aber das Projekt als solches ist nach wie vor einmalig und Aufsehen erregend", sagt er.
Es wäre auch billiger gegangen
Derzeit organisiert Lieben-Seutter unter dem Titel "Elbphilharmonie Konzerte" in der Laeiszhalle und an anderen Spielorten ein Programm, wie es die Elbphilharmonie eines Tages bieten soll. Denn in der Tat, aus künstlerischer Sicht ist ein so aufwendiger Bau wie die Elbphilharmonie nicht nötig, gibt auch Lieben-Seutter zu: "Die Elbphilharmonie hat zwei Identitäten: Es ist ein Konzerthaus und gleichzeitig ein architektonisches Wahrzeichen. Ein gutes Konzerthaus kriegen Sie auch viel billiger und viel bescheidener, das ist keine Frage."
Umso trauriger ist es, dass die Elbphilharmonie in Hamburg zum Problemfall und Symbol einer gescheiterten Politik wird. Denn Lieben-Seutter bezieht mit seiner Arbeit als Intendant in vielen Projekten auch Kinder aus sozial schwachen Stadtteilen mit ein. Und gerade die werden das Fehlen der Gelder, die in Hamburgs künftigem Wahrzeichen verbaut wurden, wohl am stärksten zu spüren bekommen.
Autor: Dirk Schneider
Redaktion: Petra Lambeck