Eine gespaltene Nation
4. November 2014Dass die Regierungsgewalt aufgeteilt ist, das ist nichts Neues in den USA. Im Gegenteil: Sehr oft war es eher die Regel als die Ausnahme, dass das Weiße Haus und die beiden Kammern des US-Kongresses - also Senat und Repräsentantenhaus - von unterschiedlichen Parteien dominiert wurden. Neu ist die politische Polarisierung, die immer weiter fortschreitet, seitdem die oppositionellen Republikaner vor vier Jahren die Mehrheit im Repräsentantenhaus gewannen.
Als eine "gehörige Tracht Prügel" hatte Präsident Barack Obama von den Demokraten das Ergebnis damals bezeichnet. Tatsächlich war es der wohl entscheidendste Einschnitt seiner gesamten Präsidentschaft. Thomas E. Mann, Verfassungsexperte bei der US-Denkfabrik Brookings, sagt, dass die Übernahme der Kontrolle im Repräsentantenhaus durch die Republikaner "alle Chancen, durch Gesetzgebung die Probleme des Landes zu lösen", gestoppt habe.
Umgeht Obama den Kongress?
Würde Obama nun auch noch die bislang demokratische Mehrheit im Senat verlieren, würde die Blockade weiter verstärkt, so Mann im Gespräch mit der DW. Es gibt allerdings eine Möglichkeit für Obama, die Blockade zu umschiffen: Er könnte auf Präsidialverordnungen setzen. Für die braucht er keine Zustimmung aus dem Kongress. Bei der Einwanderungs- und der Klimapolitik zeichnet sich solch ein Vorhaben bereits ab.
Das muss aber nicht von Erfolg gekrönt sein, sagt Cameron Seward von der Heritage Foundation: "Die Republikaner können die Macht ausnutzen, die der Kongress über den US-Etat hat und damit bestimmte Vorhaben stoppen, die Obama über Präsidialverordnungen durchdrücken will."
Die Republikaner haben gedroht, den Druck auf Obama sogar noch zu erhöhen, wie John Boehner, der Sprecher des Repräsentantenhauses, verlauten ließ. Man könne den Präsidenten sogar verklagen, wenn Obama seine Kompetenzen überschreite. Bislang ist Boehner noch nicht so weit gegangen. Präsidialverordnungen haben aber andere Schwächen. Denn die könnten von der nächsten US-Regierung sofort gekippt werden, macht Verfassungsexperte Mann klar.
Not-OP für Obamacare?
Ebenfalls zu erwarten ist, dass die Republikaner ihre mögliche Übermacht im Kongress dazu nutzen werden, Obamas Vorzeigeprojekt zu beenden: den "Affordable Care Act", die Krankenversicherung für alle. Kurz: Obamacare. Mitch McConnel, Fraktionsführer der Republikaner im Senat und damit nach der Wahl vermutlich Mehrheitsführer, ist fest entschlossen, das Gesetz aufzuheben. Dazu bräuchte er allerdings eine Zweidrittelmehrheit im Senat von 60 Sitzen.
An manchen Stellen könnten die Republikaner die Reform zumindest ein Stück weit einschränken, zum Beispiel, wenn es um die Besteuerung medizinischer Geräte geht, wie Thomas E. Mann erläutert: "Möglich ist es, eine Art Guerillakrieg gegen existierende Gesetze zu betreiben. Das geht, indem man zum Beispiel Budgets einschränkt oder neue, aggressive Kontrollmechanismen einführt. Das Gesetz selbst jedoch wird dadurch nicht zurückgenommen, es bleibt Gesetz. Es wird allmählich Teil der amerikanischen Wirtschaft und Gesellschaft werden."
Eine weitere Möglichkeit der Republikaner, ihre Position im Kongress zu stärken, sind die Nominierungen der Richter des Obersten Gerichtshofs. Diese müssen vom Senat bestätigt werden. Vier der derzeitigen Richter im Obersten Gerichtshof sind bereits Ende 70 oder Anfang 80. Sollte es hier in den nächsten zwei Jahren zu Vakanzen kommen, haben die Republikaner das Sagen, wer die Lücke füllen soll.
Die republikanische Agenda
Doch was ist eigentlich mit den eigenen politischen Themen der Republikaner? Cameron Seward von der Heritage Foundation glaubt, dass sie ihre neu gewonnene Position im Kongress dazu nutzen werden, eine ganze Reihe von Themen anzugehen, von der Energiepolitik bis hin zur Steuerreform. Einige der Vorhaben werden allerdings, so Seward, auf ein großes Hindernis stoßen: das Präsidial-Veto. Doch das muss die Republikaner nicht zwingend stoppen: "Ich denke, Signalwirkung werden solche Vorstöße auf alle Fälle haben. Positionen und Ziele werden klargemacht und damit der Grundstein für das Rennen ums Weiße Haus 2016 gelegt."
Wenn beide Parteien so oder so nur auf die Präsidentschaftswahl 2016 schielen - ist dann in den kommenden zwei Jahren eine konstruktive politische Arbeit zwischen dem demokratisch geführten Weißen Haus und einem republikanisch dominierten Kongress überhaupt möglich? Verfassungsexperte Mann hat da durchaus Hoffnung, besonders wenn es ums Thema Freihandel geht, ein traditionell republikanisches Thema.
Die Obama-Regierung verhandelt derzeit mehrere Freihandelsabkommen mit Europa (TTIP) und dem asiatisch-pazifischen Raum (TPP). Viele von Obamas Demokraten sind skeptisch, wenn es um diese Abkommen geht. "Mit einem republikanischen Mehrheitsführer wird deutlich schneller Bewegung in die Sache kommen, als wenn Harry Reid von den Demokraten weiter auf dieser Position ist", so Mann. Im Großen und Ganzen aber dürfte der tote Punkt, den das Patt zwischen Kongress und Weißem Haus in Washington mit sich bringt, kaum überwunden werden.
Experten pessimistisch
Was das vergiftete politische Klima angeht - da sieht Dan Holler vom konservativen Lobbyverband "Heritage Action for America" den Wähler in der Pflicht: "Der Zwist wird so lange anhalten, bis die Wähler klargemacht haben, was sie wollen", so Holler. "Im Moment habe ich den Eindruck, sie wissen gar nicht, was sie von Washington eigentlich wollen."
Thomas E. Mann vom Brookings-Institut, der die US-Politik seit mehr als 40 Jahren beobachtet, ist pessimistisch: "Es ist zwar schwer vorstellbar, dass es noch schlimmer werden könnte - aber danach sieht es trotzdem aus. Es gibt nur noch Gut und Böse, Schwarz und Weiß. Bei all dem geht es aber um ernsthafte Meinungsverschiedenheiten bei Themen wie Rasse, Religion, Rolle der Regierung. Wir sind derzeit eine Nation, gespalten von Parteien."