Eine Reise nach Teheran
24. Juli 2015"Was, du fährst in den Iran? Bist du verrückt geworden?" So oder so ähnlich reagierten Freunde und Bekannte auf meinen Plan, für eine Woche nach Teheran zu fahren. Dreizehn Jahre lang war das Land mit 75 Millionen Einwohnern international isoliert, die Unwissenheit ist groß, die Vorurteile sind es auch.
Wer das Kürzel "IKA" auf seinem Flugticket stehen hat, landet am "Imam Khomeini Airport", dem relativ neuen Flughafen der 15-Millionen-Metropole Teheran. Eine knappe Stunde dauert die Taxifahrt ins Zentrum. Was einem zuerst auffällt: Es fehlt irgendetwas. Selbst im dichten Berufsverkehr ist von dem Chaos, das man aus arabischen Ländern, aus Mega-Cities wie Bangkok oder Mumbai kennt, nichts zu spüren. Keine wild durcheinander fahrenden Autos und Fußgänger, die sich unter Lebensgefahr auf die andere Straßenseite kämpfen. Alles wirkt irgendwie europäisch.
Offen und hilfsbereit
Auf dem Weg zum Hotel fallen mir die vielen jungen Menschen auf. Der größte Teil der Bevölkerung ist unter 30. Es gibt kaum Berührungsängste. Ich, der Besucher aus dem Westen, werde mit einer Offenheit und Freundlichkeit begrüßt, die mich selbst als weitgereisten Weltenbummler staunen lässt. Ich werde von wildfremden Menschen auf der Straße zum Tee eingeladen. Oder jemand bietet mir, dem Ausländer, der sich offensichtlich verlaufen hat, ganz selbstverständlich sein Handy an, um im Hotel anzurufen. Und organisiert auch noch einen Bekannten, der ein paar Brocken Englisch spricht und mir vielleicht weiter helfen kann.
Teheran ist eine moderne Großstadt, in der ich mich schnell zu Hause fühle. Es gibt einen gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr. Linienbusse fahren in alle Ecken der Stadt, die U-Bahn wurde erst vor wenigen Jahren gebaut. Bei meiner ersten Fahrt merke ich dann doch recht schnell, dass ich in einem islamischen Land bin. Die Wagen sind nämlich mit Glastüren geteilt, in Frauen- und Männerabteile. Und ich bin (natürlich) ins falsche Abteil eingestiegen. Kein Problem, ich gehe rüber in den Männerbereich. Mein iranischer Sitznachbar erzählt mir, dass das mit der Geschlechtertrennung in der U-Bahn eigentlich kaum jemanden interessiert. Niemand rege sich auf, wenn einer "falsch" sitzt. Das sei so eine Art von Protest.
Tradition und Fortschritt
Mehr oder weniger offenen Protest gibt es auch bei den islamischen Kleidungsvorschriften. Frauen müssen im Iran in der Öffentlichkeit den "Hidschab", tragen, eine Art Kopftuch. Oder den schwarzen "Tschador", der den ganzen Körper bedeckt und nur das Gesicht frei lässt. Aber ganz in schwarz gekleidete Frauen sehe ich nur wenige. Und auch das Kopftuch, das eigentlich die gesamten Haare bedecken soll, wird in der Hauptstadt eher als Schal getragen. Und wenn ein Sittenwächter der Religionspolizei auftaucht, dann hat der Wind das Kopftuch gerade eben in den Nacken geweht.
Dazu passen die pinkfarbenen Jeans und die moderne Kleidung, die vor allem junge Frauen nicht ohne Stolz tragen. Teheran ist zweifellos eine moderne Großstadt. Und auch wenn es mir als Europäer erst einmal normal erscheint, dass Frauen hier ganz selbstverständlich am Steuer des eigenen Autos sitzen, ist das - verglichen mit anderen islamischen Ländern - fortschrittlich. In Saudi-Arabien etwa wird das mit Stockschlägen bestraft, wenn man keine besondere Genehmigung hat.
Propaganda und Zensur
Beim Schlendern durch die Stadt begeistern mich die reich verzierten Häuser und Paläste aus der Zeit des alten Persien. Hier bekomme ich eine Vorstellung, wie prächtig dieses Land einmal war. Besonders beeindruckt aber haben mich die Menschen. Mit einem riesigen Interesse am Geschehen in der Welt. Zwar ist die Anti-Amerika-Propaganda an Hauswänden und auf Plakaten allgegenwärtig. Aber die meisten Teheraner denken anders und reden abends im Restaurant Klartext. Dank Satelliten-TV (das eigentlich verboten ist, aber das jeder irgendwie hat) und Internet (dessen staatliche Firewall-Zensur sich mit ein paar Klicks umgehen lässt) haben viele Frauen und Männer inzwischen ihre eigene Meinung zum Weltgeschehen, zu Korruption und Politik.
Nach so einem Tag in der Stadt komme ich meist völlig geschafft ins Hotel zurück. Apropos Hotel: Unterkünfte gibt es zumindest in Teheran genug. Von der Backpacker-Absteige bis zum Fünf-Sterne-Haus. Vor dem einzigen Fallstrick hatten mich Freunde mit Iran-Erfahrung gewarnt: dem Bezahlen. Der Iran ist wegen der Sanktionen (noch) vom internationalen Finanzsystem abgeschnitten. Ausländische Kreditkarten funktionieren nicht. Ausreichend Bargeld ist Pflicht.
Tourismus als Chance
Aber auch dieses Problem, so hoffen alle, mit denen ich gesprochen habe, wird nach der Einigung mit dem Westen der Vergangenheit angehören. In das Ende der Sanktionen setzen die Menschen überhaupt große Hoffnungen. Sie erzählen mir, dass sie ein eigenes Geschäft eröffnen wollen, wenn der wirtschaftliche Aufschwung kommt. Oder eine Firma gründen. Allen gemein ist die Sehnsucht nach einem besseren Leben. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, viele der gut ausgebildeten jungen Leute finden keinen Job.
Immerhin hat sich die Zahl der Touristen innerhalb eines Jahres verdoppelt. Und das Land, in dem ich sowohl Wälder, Wüsten, aber auch Küsten und das Hochgebirge kennengelernt habe, wartet darauf, entdeckt zu werden. In Teheran etwa bin ich mit der Seilbahn auf über 4000 Meter Höhe gefahren und habe gemerkt, was Bergsteiger unter "Höhenkrankheit" verstehen. Eine Woche jedenfalls war viel zu kurz. Für dieses Land muss man sich Zeit nehmen. Oder einfach wiederkommen.