Eine schwarz-rote Wirtschaftspolitik muss noch erfunden werden
11. Oktober 2005Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber soll im Kabinett der künftigen Bundeskanzlerin Angela Merkel aller Voraussicht nach Wirtschaftsminister werden. Eine definitive Entscheidung darüber soll aber erst nach den Koalitionsverhandlungen - Mitte November - zwischen Sozialdemokraten und Christdemokraten fallen. So jedenfalls lauten die öffentlichen Mitteilungen.
Kleine Schnittmengen
Das Wirtschafts- ist wie das Finanzministerium ein so genanntes "Schlüsselressort" - und beide werden wohl in Zukunft für reichlich Diskussionsstoff sorgen. Ein Blick in die Parteiprogramme von CDU/CSU und SPD zeigt, dass die Koalitionsverhandlungen schwierig werden. In den Bereichen Wirtschaft und Finanzen, vor allem aber in der Sozialpolitik gibt es wenig schwarz-rote Schnittmengen.
Die SPD, das macht der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck klar, will eine ganze Reihe der Unions-Positionen keinesfalls akzeptieren. "Weder die Kopfpauschale, noch der Einheitssteuersatz, noch der Abbau von Arbeitnehmerrechten haben in der deutschen Bevölkerung eine Mehrheit gefunden. Dass das so ist, das muss sich im Regierungsprogramm niederschlagen", sagt Platzeck.
Streitthema Steuerreform
Beim Thema Steuern fängt es an: Der Union schwebt eine große Steuerreform vor. Der Schwerpunkt liegt auf Vereinfachung. Allerdings schränkte die künftige Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits vor der Wahl ein, dass die CDU keine Entlastung versprechen könne.
Spätestens 2007 sollte der Eingangssteuersatz auf 12 Prozent, der Spitzensteuersatz auf 39 Prozent und die Körperschaftssteuer der Unternehmen auf 22 Prozent sinken. Im Gegenzug sollten aber entsprechend Steuervergünstigungen und andere Subventionen gestrichen werden, unter anderem auch die Steuerfreiheit für Nacht-, Sonntags- und Feiertagszuschläge innerhalb von sechs Jahren.
Das aber wird die SPD kaum zulassen und auch bei den Steuersätzen schwebt den Sozialdemokraten eigentlich vor, die Körperschaftssteuer auf 19 Prozent abzusenken, den Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer für hohe Einkommen auf 45 Prozent zu erhöhen und die übrigen Sätze so zu lassen, wie sie sind. Für die so genannte Reichensteuer trat vor der Wahl nicht nur der linke Parteiflügel, sondern sogar Bundeskanzler Gerhard Schröder ein: "Ich halte es für angemessen, dass diejenigen, die als Verheiratete 500.000 Euro pro Jahr verdienen, sich an einer so gewaltigen gesellschaftlichen Aufgabe, die wichtig ist für unser Land, nämlich Investitionen in Forschung und Entwicklung, in Bildung und Betreuung, mit diesem dreiprozentigen Satz beteiligen."
Subventionsabbau unerlässlich
Doch die Erhöhung des Spitzensteuersatzes allein bringt kein Geld in die leeren Staatskassen. Beide Parteien werden sich daher auf einen umfassenden Subventionsabbau einigen müssen. Hier hat dass so genannte Koch-Steinbrück-Papier, in dem der hessische Ministerpräsident Roland Koch und der damalige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Peer Steinbrück, eine schwarz-rote Streichliste erarbeitet hatten, beste Chancen, aus der Schublade geholt zu werden. Einigkeit könnte auch beim Thema Mehrwertsteuer erzielt werden. Im Wahlkampf war die Union für eine Erhöhung der Verbrauchssteuern von 16 auf 18 Prozent eingetreten.
Angela Merkel rechnet vor, dass sich dadurch ein Plus von 16 Milliarden Euro ergeben würde - Geld mit dem der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 auf 4,5 Prozent gesenkt werden könnte. "Eine simple Mehrwertsteuererhöhung, einfach nur um Haushalte finanzieren zu können, wäre ein riesengroßer Fehler. Es ist aber ein Weg, um die Lohnzusatzkosten zu senken", so Merkel.
Gegensätze müssen überwunden werden
Im Wahlkampf hatte die SPD vehement gegen die Steuererhöhung gekämpft, doch mittlerweile mehren sich die Signale, dass sich auch die Sozialdemokraten mit dieser Lösung anfreunden könnten. Von Gegensätzen geprägt sind auch die Positionen bei den Arbeitnehmerrechten. So will die Union den Kündigungsschutz lockern, die SPD ist strikt dagegen. CDU und CSU wollen Betrieben mehr Freiheiten geben, um von Tarifverträgen abzuweichen - Auch das lehnt die SPD ab. Beiden Seiten ist allerdings klar, ohne Kompromisse wird es nicht gehen.