Eine Stimme für eine ethisch vertretbare Forschung
30. November 2001Der Schutz des menschlichen Lebens ist ein hohes Gut - zu Recht. Täglich massenhaft wird dieses höchste Menschenrecht verletzt - die Bilder vom Krieg in Afghanistan führen uns das ebenso vor Augen wie die Bilder vom Hunger in der Welt oder von medizinischer Unterversorgung. Es ist schwer in unseren Zeiten, das menschliche Leben ohne Ansehen der Person zu schützen.
Wann beginnt das Menschenrecht auf Leben? Der deutsche Gesetzgeber sagt: mit der Verschmelzung von weiblicher Eizelle und männlichem Samen. Das ist eine sehr fundamentalistische Position, die nicht von allen, auch nicht von allen Religionen übrigens, geteilt wird. Doch sie ist aller Ehren wert in einem Land, in dem einmal Rassenwahn und Verachtung angeblich "unwerten" Lebens so schrecklich wüteten.
Heute wissen wir ungleich mehr über das Leben, seine Entstehung und Vererbung als in jenen unseligen Zeiten. Und wir wissen es, weil - in allem Respekt vor der Schöpfung - darüber geforscht wurde, frei auch von Vorurteilen und ideologischen Schranken geforscht werden durfte. Und auch deshalb kann heutzutage niemand ernsthaft behaupten, Rassenwahn lasse sich wissenschaftlich begründen.
Schutz des Lebens vom frühestmöglichen Zeitpunkt an - gut. Aber müssen wir deshalb auf Forschungen verzichten, die uns medizinische Fortschritte bringen könnten, die Leid vermindern könnten? Nein, wir müssen nicht darauf verzichten, wenn wir auf die ohnehin vorhandenen embryonalen Zellen zurückgreifen, die bei künstlichen Befruchtungen zwangsläufig übrigbleiben.
Wer den Bonner Gehirnforschern, die nach Mitteln gegen Nerven-Krankheiten suchen, den Import solcher Zellen verbietet, verhindert zudem ihre Forschung nicht. Sie emigriert dann eben aus Deutschland - in Länder mit möglicherweise deutlich niedrigeren ethischen Hürden.
Wird mit der positiven Mehrheits-Meinung des Nationalen Ethikrates menschliches Leben zur Biomasse degradiert, entwürdigt? Wer so grundsätzlich argumentiert, müsste dann konsequent auch gegen die seit Jahrzehnten betriebene künstliche Befruchtung vorgehen, müsste jede Abtreibung mit Mord gleichsetzen und mit schwersten Strafen belegen.
Fundamentalismus auf die Spitze getrieben kann eben zum genauen Gegenteil von Menschenfreundlichkeit und Vernunft führen. Die Argumentationshilfe des Nationalen Ethikrates für die Politik - mehr kann und soll die Mehrheits-Äußerung nicht sein - ist eine Stimme für eine ethisch vertretbare, sich der öffentlichen Kontrolle stellenden Forschung und wendet sich gegen einen Fundamentalismus, der nicht quasi gottgegeben die Ethik für sich allein gepachtet hat.