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Nicht alle Aids-Viren sind gleich ansteckend

Brigitte Osterath16. Juli 2014

Mutierte HIV-Erreger sind gar nicht die gefährlichen, zeigt eine aktuelle Studie - sondern solche, die nah am Original sind. Möglicherweise bietet sich so eine Chance, dem Virus beizukommen.

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Aids-Virus
Bild: picture-alliance/dpa

Zunächst eine nur allzu bekannte, aber wichtige Warnung: Ungeschützter Sex ist immer eine schlechte Idee. Auch wenn nicht alle Aids-Viren gleich ansteckend zu sein scheinen, wenn sie beim Geschlechtsverkehr in die Schleimhaut des Partners gelangen.

Um im ganzen Körper eine HIV-Infektion auslösen zu können, muss das Virus die Schleimhautbarriere überwinden, ins Blut gelangen und sich im menschlichen Körper vermehren. Und das schaffen offensichtlich nur die wenigsten, legt eine Studie um Eric Hunter vom Emory Vaccine Center im US-amerikanischen Atlanta nahe.

So soll nur eine einzige - nach dem Konzept von Charles Darwin besonders "fitte" Variante - den Partner infizieren. Die anderen befallen zwar in der Schleimhaut der Geschlechtsorgane ein paar Zellen, verteilen sich aber nicht im Körper und lösen keine eigentliche HIV-Infektion aus.

Die Studienergebnisse der Forscher erklären die Beobachtung, dass sich in durchschnittlich nur etwa einem Prozent aller Fälle der Partner bei seinem HIV-positiven Partner ansteckt.

Beim gemeinsamen Benutzen von Spritzen hingegen gelangt das Virus direkt ins Blut und hat weniger Barrieren zu überwinden.

Elektronenmikroskopische Aufnahme mehrerer HIV- Erreger (Foto: Hans Gelderblom / Robert Koch Institut)
Elektronenmikroskopische Aufnahme mehrerer HIV-ErregerBild: picture-alliance/dpa

Je frischer die Infektion, desto ansteckender

"Das HI-Virus mutiert wie verrückt", sagt Jonathan Carlson von Microsoft Research in Redmond im US-Staat Washington, Erstautor der Studie, im DW-Interview. Ein HIV-Infizierter hat daher stets viele Varianten des Virus in sich. Durch das ständige Verändern seines Erbguts und damit seiner äußeren Gestalt schafft es das Virus, dem menschlichen Immunsystem immer wieder aufs Neue zu entwischen.

Für eine Übertragung sind die mutierten Varianten den Studienergebnissen nach allerdings weniger geeignet. Die im Darwinschen Sinne stärksten Varianten sind offensichtlich die, die genetisch am wenigsten vom ursprünglichen Virus abweichen, also quasi am durchschittlichsten sind und anderen HIV-Erregern am meisten ähneln. Diese für die Übertragung "beste" Gensequenz kommt daher auch am häufigsten vor. "Der Durchschnitt ist nicht umsonst der Durchschnitt", fasst Carlson zusammen.

Das bedeutet aber auch: "Hat sich jemand gerade erst infiziert, ist das Risiko, seinen Sexpartner anzustecken, zehn- bis fünfzigmal höher als bei chronisch Infizierten, die das Virus schon lange in sich tragen", sagt Studienleiter Hunter der DW. Ist jemand schon viele Jahre mit dem HIV-Erreger infiziert, kursieren in seinem Körper sehr viele mutierte Viren, denn das Virus musste dem Immunsystem ja bereits längere Zeit versuchen zu entwischen.

Jemand, der sich gerade erst mit HIV infiziert hat, hat hingegen noch sehr viel ansteckendere Varianten des Virus in seinem Blut. Das ist problematisch, da gerade am Anfang einer HIV-Infektion die Betroffenen vielleicht noch gar nicht wissen, dass sie HIV-positiv sind.

Aids-Aufklärung in Südafrika
Kondome schützen - immerBild: picture-alliance/dpa

Aber all das ist natürlich nur Statistik, fügt der Forscher hinzu. Das sind Durchschnittswerte, die auf Wahrscheinlichkeiten basieren. Für den Einzelfall sind keine Vorhersagen möglich. Schon ein einziger ungeschützter Geschlechtsakt kann zuviel sein - ganz egal, mit wem.

Frauen stecken sich leichter an

Die Forscher hatten über zehn Jahre Paare in Sambia beobachtet, bei denen ein Partner mit HIV infiziert war, der andere aber nicht. Trotz Aufklärung, wie man eine Infektion vermeidet, kam es im Laufe der Zeit zu 137 Ansteckungen. Die Forscher hatten in diesen Fällen die übertragene Virusvariante mit der ursprünglichen verglichen.

Dabei bestätigte sich auch ein bekannter Fakt: Bei ungeschütztem Sex mit einem HIV-Positiven stecken sich Frauen leichter an als Männer. "Wir interpretieren unsere Ergebnisse so: Für das Virus ist es schwieriger, die Schleimhaut eines Mannes zu überwinden als die einer Frau", sagt Hunter. Haben Männer allerdings Entzündungen im Genitalbereich, die die Schleimhautbarriere schwächen, stecken auch sie sich leichter an.

Und: Frauen infizieren sich häufiger als Männer mit mutierten Viren, da es bei ihnen auch die schwächeren Erreger schaffen, ins Blut zu gelangen. Das heißt umgekehrt: Wenn Männer sich anstecken, dann mit einem sehr viel gefährlicheren Virus, der eine ernstere Erkrankung auslöst.

Ansatzpunkt für Impfstoffe?

Die Forscher hoffen, dass ihre Erkenntnisse dabei helfen, HIV besser zu bekämpfen. "Ein Schlüsselergebnis unserer Studie ist, dass Menschen, die mit stärker mutierten und daher schwächeren Viren infiziert sind, sie weniger wahrscheinlich an andere Menschen weitergeben", sagt Carlson.

Schafft man es, mit einem Impfstoff oder mit Medikamenten die Viren zu schwächen, so dass sie weniger wahrscheinlich beim Geschlechtsverkehr übertragen werden, ließe sich die Verbreitung des Virus womöglich eindämmen. Impfstoffe beispielsweise könnten das Immunsystem derart ankurbeln, dass das Virus gezwungen ist, stark zu mutieren. Heilen könnte man einen Menschen dann zwar nicht, aber diese Methode würde vielleicht verhindern, dass er andere ansteckt.