Einreiseverbot trifft iranische Akademiker
1. Februar 2017Mahasti wollte vor drei Wochen in die USA fliegen. Ihr Sohn lebt in Washington. Vor Kurzem ist er Vater von Zwillingen geworden. Ihre Reise kam aber nicht zustande: Auf dem Teheraner Flughafen musste Mahasti erfahren, dass ihr Vorname auf ihrem Ticket falsch geschrieben war. "Ein selten blöder Fehler", ärgert sich die 69-Jährige gegenüber der Deutschen Welle. Denn die Folgen sind gravierend.
Am letzten Freitag hatte der neue amerikanische Präsident ein Einreiseverbot für Bürger aus dem Iran und sechs weiteren überwiegend muslimischen Ländern verhängt. Das gilt zunächst für 90 Tage und soll die USA "vor Terroranschlägen durch Ausländer schützen". Mahasti empört sich: "Wen sollte ich in den USA gefährden? Meine eigene Kinder?" Sowohl ihr Sohn - ein Computeringenieur - als auch Ihre Tochter - eine Grafikdesignerin - sind in den letzten sechs Jahren mit ihren Familien in die USA ausgewandert. Sie hatten an der Green-Card-Lotterie teilgenommen und gewonnen.
American Dream
Iranische Medien gehen von mehr als einer Million Iranern aus, die eine Green Card besitzen. Laut offiziellen Angaben leben knapp 300.000 US-Bürger in den USA, die eigentlich aus dem Iran stammen. Damit lebt in den USA die größte iranische Gemeinde außerhalb des Landes. Die USA gelten zwar seit der islamischen Revolution als "der große Feind" des politischen Systems und werden häufig offiziell als "Großer Satan" bezeichnet. Tatsächlich sind die USA aber das Traumland für viele Iraner, besonders für Akademiker und Facharbeiter.
Zahlreiche hochrangige iranische Politiker haben auch in den USA studiert und promoviert - zum Beispiel Außenminister Mohammad Javad Zarif oder Ali Akbar Salehi, Leiter der Atomenergiebehörde. 2015 waren beide maßgeblich am erfolgreichen Abschluss der Atomverhandlungen beteiligt.
Momentan studieren mehr als 12.000 Iraner in den USA. Auch sie sind von Trumps Einreiseverbot betroffen. Sollten sie - aus welchen Gründen auch immer - Amerika verlassen, können sie mindestens in den nächsten 90 Tagen nicht zurückkehren.
Gegenmaßnahme auf Kosten der Sportler
Mit dem Einreiseverbot spiele Präsident Trump iranischen Hardlinern in die Hände, kritisiert Außenminister Zarif. Trumps Dekret werde "in die Geschichte eingehen als großes Geschenk an Extremisten und ihrer Unterstützer", prognostizierte er am Sonntag via Twitter.
Im Gegenzug will der Iran vorerst keine US-Bürger mehr ins Land lassen. Das Außenministerium teilte mit: Als Reaktion auf die "beleidigende Entscheidung der USA" werde man das Prinzip der Gegenseitigkeit walten lassen, bis die Maßnahme wieder aufgehoben werde.
Auf der Kippe stehen nun auch Sportereignisse. Wenn die iranische Bogen-Nationalmannschaft kein Visum für die USA erhält, werden die iranischen Behörden im Gegenzug die Visumsvergabe für die amerikanische Nationalmannschaft im Ringen für den Ringer-Weltcup im Februar im Iran auf den Prüfstand stellen.
Hardliner und Mr. Trump
Das Einreiseverbot hat auch die konservativen Politiker im Iran überrascht. Sie waren zuerst begeistert von Trumps Sieg in der US-Präsidentschaftswahlen gewesen. Der oberste religiöse Führer im Iran, Ayatollah Ali Chamenei, sonst extrem sparsam mit lobenden Worten für die USA, hatte Trump im Vorfeld der Wahl gelobt: Die USA bräuchten jemanden, der die Wahrheit "über die korrupten Eliten" sage und tue, was er sagt.
Justizchef Ayatollah Sadegh Larijani hatte noch am 23. Januar einen ungewöhnlich sanften Ton angeschlagen: Für ein Urteil über Herrn Trump bestehe keine Eile. Aber am 30. Januar kritisierte er: "Angesichts der amerikanischen Mentalität war diese unmenschliche Entscheidung nicht überraschend." Larijani bezeichnet das Einreiseverbot als menschenrechtswidrig.
Verfolgte religiöse Minderheiten
Sonst allerdings hält der Ayatollah nicht viel von der Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen. Larijani hat ihre Unterzeichnung sogar als Fehler bezeichnet. Diese Charta schützt unter anderem auch die Religionsfreiheit. Zum Christentum konvertierte Iraner und auch die religiöse Minderheit der Bhai werden im Iran verfolgt.
Die USA hatten vor 27 Jahren ein Sonderprogramm für verfolgte religiöse Minderheiten im Iran ins Leben gerufen.
Das "Lautenberg Programm" ermöglicht Angehörigen bedrohter religiöser Minderheiten die Ausreise in die USA. Mit Trumps Einreiseverbot wurde auch dieses Programm vorerst gestoppt.
Die letzte Gruppe von rund 300 Betroffenen war teilweise bereits unterwegs. Sie hätten über Österreich in die USA einreisen sollen. Nach Angaben des Sprechers des österreichischen Außenministeriums, Thomas Schnöll, gibt es rechtlich keine Möglichkeit, diese Menschen in Österreich aufzunehmen.
Auf Anfrage der Deutschen Welle erklärte die Behörde für Flüchtlinge und Migration im amerikanischen Außenministerium: "Wir arbeiten mit den österreichischen Behörden, um die Angelegenheit in einer Weise zu lösen, die humanitären und Fragen der Sicherheit gerecht wird." Wie lange das aber dauern wird, weiß bislang niemand.