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Abstimmung gegen Gold

Oliver Ristau21. November 2015

El Salvador will seine Umwelt schützen und untersagt deshalb den Bergbau. Die Bevölkerung unterstützt die Pläne, ein kanadischer Konzern hingegen klagt vor einem Schiedsgericht. Aus El Salvador Oliver Ristau.

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Abstimmung gegen Gold in El Salvador
Bild: Oliver Ristau

Klarer kann ein Votum kaum ausfallen. 99 Prozent der Wähler in Arcatao, einer Gemeinde im Norden El Salvadors, sagen Nein. Eine Goldmine soll es in ihrer Region nicht geben. Es ist die vierte Volksabstimmung innerhalb der letzten Monate, die sich im kleinsten Land Zentralamerikas gegen Bergbauprojekte ausspricht. Der Widerstand in dem Landstädtchen ist greifbar. Plakate und Parolen an den Häusern kritisieren den Bergbau. Vor der katholischen Kirche haben Künstler eine Mauer mit Anti-Minen-Motiven bemalt. Nach der Messe stellt sich der Priester demonstrativ mit Ministranten und Gläubigen dazu.

"Den Menschen liegt das Thema sehr am Herzen", hat Anna Backmann von der deutschen Nichtregierungsorganisation CI Romero festgestellt, die als internationale Wahlbeobachterin vor Ort ist. "Es ist beeindruckend, wie auch alte Menschen unter Anstrengung zu den Wahllokalen kommen, um sich für ihr Recht einzusetzen."

Abstimmung gegen Gold in El Salvador
Proteste einer Kirchengemeinde gegen eine GoldmineBild: Oliver Ristau

Moratorium gegen Bergbau

15 Minuten holprige Fahrt mit dem Pick-Up sind es bis zum Fuße des Cerro Patacon, einem der höchsten Erhebungen in der hügeligen Landschaft. Auf dessen Spitze geht es nur noch zu Fuß. In Zeiten des Bürgerkriegs von 1980 bis 1991 war der nach einem Blut saugenden Insekt benannte Berg ein wichtiger strategischer Punkt. Der Blick geht über grüne Kämme und Berge, die sich in der Ferne verlieren - die mittelamerikanischen Kordilleren, die von Mexiko bis Panama reichen und unter denen viel Gold schlummert.

"Wir wollen nicht, dass neue Blutsauger kommen und diese Landschaft zerstören", sagt Nicolas Rivera Lopez, der auf einer Farm am Fuße des Berges aufgewachsen ist. Er meint internationale Minenunternehmen, die mit großem Interesse nach El Salvador schielen. Noch wird in Arcatao nicht nach Gold geschürft. Seit 2009 gilt für das Land ein Moratorium. Die Regierung in San Salvador hat damit allen Minenprojekten einen Riegel vorgeschoben, um die Natur zu schützen, vor allem das Wasser.

Die Schäden aus dem Bergbau sind rund 120 Kilometer weiter östlich im Department La Union zu beobachten. Bei Santa Rosa de Lima liegt die einstmals größte Mine des Landes, San Sebastian. Sie lieferte Edelmetall, bis der Bürgerkrieg ausbrach. Die US-Betreiber flohen Hals über Kopf. Seitdem steht das Bergwerk still. Nur die Söhne einiger ehemaliger Minenarbeiter schürfen noch auf eigene Faust.

Abstimmung gegen Gold in El Salvador
Ein alter Mann gibt in Arcatao seine Stimme abBild: Oliver Ristau

Verseuchtes Wasser

Materiellen Reichtum hat das Gold der Region nicht gebracht. Die Menschen leben in einfachen Behausungen, geteerte Straßen sind Mangelware. Ihre Haupteinnahmequelle ist der Anbau von Bohnen und Mais. Fische leben kaum in den Flüssen. Der Grund: Das Wasser ist durch die giftige Abwässer aus den Minen verseucht.

Gustavo Blancos Vater hatte einst in den Minen gearbeitet. "Die Firmen haben hier Gold im Gegenwert von rund 25 Millionen Dollar herausgeholt", rechnet der 58jährige vor. "Uns ist nichts geblieben außer Armut und Kontamination." Noch immer treten saure Abwässer aus dem Berg. Blanco zeigt einen Bach am Fuße eines Maisfeldes. Er schimmert orange - saures Bergbauwasser, wissenschaftlich als "acid mine drainage" beschrieben. Bei Hochwasser werden die Felder mit den Giften überspült und hinterlassen die Schwermetalle Blei und Cadmium, wie jüngst eine Umweltstudie der Regierung zeigte.

Zu den Vermächtnissen zählen auch zwei große gelbe Stahlcontainer, die auf dem Gelände in der Hitze schmoren. Bergmannssohn Blanco ist sicher, dass sie Zyanidlauge enthalten, ein hochtoxisches Gift, das zum Lösen des Goldes verwendet wurde. Die Menschen haben Angst, dass die Behälter eines Tages platzen.

Abstimmung gegen Gold in El Salvador
Gustavo Blnaco zeigt verseuchtes GrubenwasserBild: Oliver Ristau

Konzern fordert 300 Millionen Dollar

Ansonsten, versichert Blanco, seien sie nicht prinzipiell gegen Gold, "wenn es uns Wohlstand brächte." So sind sie froh, dass das Vorhaben einer US-Gesellschaft, die Mine 2006 wiederzubeleben, an fehlenden Umweltauflagen scheiterte. Zwar klagte die Firma gegen den Staat El Salvador vor dem Internationalen Schiedsgerichtshof. Doch vor zwei Jahren wurde das Verfahren eingestellt, nachdem sie die Prozesskosten nicht mehr zahlte.

Auch ein anderer börsennotierter Minenkonzern, die australisch-kanadische Oceanagold, klagt vor dem Tribunal gegen den Staat. Die Firma fordert 301 Millionen US-Dollar Schadensersatz wegen entgangener Gewinne für eine Mine, die nie in Betrieb war. Die Firma hatte 2013 den Wettbewerber Pacific Rim übernommen, der im Department Cabañas von 2004 bis 2008 eine Goldmine erkundete. Eine Genehmigung zur Förderung hat die Regierung nie erteilt. Zugleich schlug dem Projekt massiver Widerstand der örtlichen Bevölkerung entgegen. Lokale Umweltaktivsten wurden daraufhin Opfer von Attentaten. Pacific Rim wies jede Verantwortung von sich. Stattdessen reichte die Firma 2009 Klage ein. Die Entscheidung wird in den kommenden Wochen erwartet.

In der Hauptstadt San Salvador sorgt die Klage für Entsetzen. "Es ist ein Skandal, wenn private Unternehmen die Politik einer demokratisch gewählten Regierung torpedieren, die versucht eine nachhaltige Entwicklungsstrategie aufzubauen", sagt der stellvertretende Umweltminister Angel Ibarra. Für das arme Land wäre ein Schuldspruch fatal. Nicht nur wegen des finanziellen Schadens, sondern weil dem ausländischen Bergbau damit in Arcatao und anderen Landesteilen wohl Tür und Tor geöffnet werden müsste.