El Salvador: Wasser siegt über Gold
30. März 2017Die indigene Erzählung von El Dorado handelt eigentlich von einer goldenen Person. Aber schon die ersten spanischen Kundschafter in Südamerika verstanden dies falsch und trugen die Mär von einem aus Gold erbauten Ort dieses Namens in die Köpfe von Kolonialherren und Glücksrittern.
In El Salvador allerdings verzichtet man auf die Suche nach El Dorado - egal, wer oder was es ist. Der Kongress hat ein Gesetz verabschiedet, das den Abbau von metallenen Bodenschätzen auf dem gesamten Territorium verbietet.
Das gesamte Territorium des kleinsten Landes auf dem amerikanischen Festland ist kaum so groß wie Hessen. Aber der Boden hat es eben in sich: es gibt viel Gold. Nach Schätzungen der Bergbaugesellschaft Pacific Rim sind es weit über 400 Tonnen, die beim derzeitigen Kurs mehr als 1,6 Milliarden Euro wert wären.
Millioneninvestition verloren
Jahrelang hatte das kanadische Unternehmen im Department Cabañas für dieses Ergebnis geforscht und nach eigenen Angaben 77 Millionen US-Dollar investiert. Dann, als man sich an die Ausbeutung machen wollte, hieß es aus der Hauptstadt San Salvador: "No!" Der damalige Präsident Antonio Saca verweigerte den Kanadiern die nötige Konzession - aus Sorge um die Trinkwasserreserven des Landes.
Pacific Rim berief sich über eine US-Tochter auf den Investorenschutz im Rahmen des Freihandelsabkommens CAFTA und verklagte das Land im Jahre 2009 auf Schadensersatz. Zunächst forderte das Unternehmen die Investitionskosten, dann auch Kompensation für entgangene Gewinne. Am Ende ging es um 250 Millionen Dollar - mehr als ein Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung des Landes.
El Salvador verteidigte sich damit, Pacific Rim habe die Umweltauflagen nicht erfüllt und unzureichende Machbarkeitsstudien vorgelegt. Zudem besäße das Unternehmen lediglich die Nutzungsrechte an einem Teil des betreffenden Gebietes.
Sieben Jahre später, im Oktober 2016 - Pacific Rim ist inzwischen Teil des australischen Konzerns OceanaGold - wies das Washingtoner Schiedsgericht der Weltbank (ICSID) die Klage endgültig zurück und entschied, dass OceanaGold dem Land stattdessen Anwaltskosten in Höhe von acht Millionen Dollar erstatten muss.
Lieber Wasser als Gold
Mit der abgewiesenen Klage war nun der Weg frei für den linken Präsidenten Salvador Sánchez Cerén, das Dekret seines konservativen Vor-Vorgängers Saca, in ein Gesetz zu gießen und den Abbau von Metall in El Salvador unter Strafe zu stellen. 69 der 84 Abgeordneten stimmten dem Gesetzentwurf zu, Ja-Stimmen gab es aus allen Fraktionen. Nach der Abstimmung stellte der konservative John Wright Sol fest: "Heute haben wir über Parteigrenzen hinweg gesehen. Heute hat das Wasser über das Gold gesiegt."
Auch Menschenrechtsorganisationen sowie Vertreter der katholischen Kirche bejubelten den Parlamentsbeschluss.
Vor allem während der Trockenzeit ist die Wasserversorgung in El Salvador ein großes Problem. Eine Goldmine könnte es vergrößern. Denn beim Abbau von Gold werden unter anderen Cyanide und Quecksilber eingesetzt. Die Erfahrung zeigt, dass diese Chemikalien in den Boden gelangen und die Grundwasserqualität mindern können.
Historischer Wirtschaftszweig
Allerdings hat der Bergbau in vielen Teilen Mittel- und Südamerikas eine lange Tradition. Schon bevor die Spanier begannen, Teile des Kontinents zu erobern, hatten Gold und Silber eine wichtige wirtschaftliche Bedeutung. Die Vorkommen ziehen sich durch die gesamten Gebirgsketten - von Feuerland bis Alaska. Heute sind Brasilien und Chile die größten Lieferanten von Eisen- beziehungsweise Kupfererz.
El Salvador ist nun das erste Land, das den Abbau von Metallen generell verbietet. Ein ähnlich weitreichendes Gesetz gibt es bisher nur in Costa Rica, das seit 2010 generell Tagebau untersagt. Andernorts, etwa im Kolumbianischen Department Tolima, haben sich einzelne Munizipien erfolgreich gegen Bergbaukonzessionen ausgesprochen.
Juan Carlos Hidalgo, Lateinamerika-Analyst vom Washingtoner Cato Institute, ist jedoch skeptisch, dass der Parlamentsbeschluss in El Salvador dem Land tatsächlich zugute kommt. "Der Bergbau wird in Lateinamerika sehr polemisch diskutiert, weil er vielerorts mit Korruption in großem Stil einhergeht." Dann würden Regularien missachtet, und es komme zu schweren Umweltschäden, erklärt der Analyst: "Das muss allerdings nicht sein, wenn angemessene Vorschriften existieren und eingehalten werden. Chile zum Bespiel hat das gezeigt."
Aufkommender Trend?
Den fast einstimmigen Parlamentsbeschluss führt Hidalgo auf den großen öffentlichen Druck zurück, den Umweltorganisationen und die katholische Kirche aufgebaut haben: "Vermutlich werden sie schon bald andere ökonomische Aktivitäten ins Visier nehmen."
Wirtschaftlich, glaubt der Ökonom, werde das dem Land schaden, weil es Investoren abschreckt, die dem Land auf die Beine helfen könnten. Nach der Demokratisierung und tiefgreifenden Wirtschaftsreformen in den 1990er Jahren war das Land laut Fraser Institut zu einer der 25 wirtschaftsliberalsten Länder der Welt geworden. In der Folge ist der Gini-Index, mit dem unter anderem die Weltbank die Einkommensunterschiede misst, zwischen 1998 und 2011 von 54,5 auf 42 Punkte gefallen. Zum Vergleich: In Deutschland liegt er etwas über 30. Seit einigen Jahren aber fällt El Salvador im Fraser-Ranking immer weiter zurück, und auch der Gini-Koeffizient stagniert.
Dennoch könnte das Gesetz in El Salvador eine gewisse Signalwirkung haben, meint Hidalgo: "Der Druck von Umweltorganisationen ist in der gesamten Region hoch. El Salvador wird sicher nicht das letzte Land sein, das Bergbau verbietet."