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Elektroschocks gegen Krebs

Frank Grotelüschen19. Juni 2013

Kurze intensive Hochspannungsstöße sollen Krebszellen lokal zerstören, das umliegende Gewebe aber schonen. Tatsächlich zeigt die neue Krebstherapie erste Erfolge.

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A medical team performing an operation, Foto: Fotolia/astoria, 7735289
OperationssaalBild: Fotolia/astoria

Der Eingriff wirkt eher unspektakulär: Mit einer langen, millimeterfeinen Nadel sticht der Arzt in den Körper seines Patienten. Dann blickt er auf einen Bildschirm neben sich. Dort erscheint die Nadel deutlich sichtbar in einem Röntgenbild, denn der Eingriff findet unter einem Röntgenapparat statt, meist ist es ein Computertomograph. Auf diese Weise kann der Arzt die Nadel zielsicher zu ihrem Ziel navigieren, zum Beispiel einem Tumor in der Leber.

Bislang funktionieren diese feinen Nadeln nach dem Prinzip eines Tauchsieders: Sobald die Spitze im Tumor steckt, wird sie kurz erhitzt - und die Krebszellen sterben ab.

Aber das Verfahren hat Nachteile, erklärt Christian Stroszczynski, Leiter des Instituts für Röntgendiagnostik am Universitätsklinikum Regensburg: „Manchmal kann es Komplikationen geben, insbesondere wenn der Tumor in der Nähe von Blutgefäßen oder Organen wie dem Magen liegt.“ Dann bereitet die Hitze nicht nur den Krebszellen den Garaus, sondern schädigt gesunde Nachbarzellen - eine unerwünschte Nebenwirkung.

Hochspannung statt Hitze

Die Mediziner setzen nun auf eine neue Methode, irreversible Elektroporation genannt. Sie funktioniert ebenfalls mit dünnen Nadeln, aber nicht mehr nach dem Tauchsieder-Prinzip: Statt Hitze schicken die Ärzte kurze Hochspannungsstöße durch die Nadeln. „Wir bringen bis zu sechs Nadeln direkt in den Tumor ein und setzen die Zellen unter Elektroschock“, erläutert Stroszczynski. „Dadurch platzen die Tumorzellen und werden anschließend durch den Körper abgeräumt.“

Auf dem Bild: Christian Stroszczynski am CT. Foto: Universitätsradiologie Regensburg
Christian Stroszczynski führt die Sonden unter dem Computertomographen ins Gewebe ein.Bild: Universitätsradiologie Regensburg

Da die Krebszellen stark wasserhaltig sind, scheinen sie auf die Elektroschocks deutlich stärker zu reagieren als gesunde Zellen. Dadurch, so die Hoffnung, sollten sich Tumoren gezielt und zugleich schonend abtöten lassen.

Christian Stroszczynski hat das neue Verfahren in einer Pilotstudie an 35 Patienten mit Leberkrebs getestet. Die Leber lässt sich gut mit den dünnen, feinen Nadeln erreichen. „Die ersten Ergebnisse zeigen: Die Methode ist erfolgreich, gut verträglich und risikoarm.“ Auch Studien in anderen Kliniken verliefen vielversprechend.

Noch keine Langzeitergebnisse

Bislang wird das Verfahren nur an wenigen Zentren in Deutschland erprobt, im Wesentlichen zur Behandlung von Lebertumoren, die sich nicht operieren lassen. Doch sollte sich die irreversible Elektroporation bewähren, könnten künftig auch andere Weichteilorgane wie Prostata und Bauchspeicheldrüse damit behandelt werden.

Die Frage ist nur: Ist der Krebs durch die Elektroschocktherapie tatsächlich besiegt oder kommt er nach einiger Zeit wieder? Das können die Experten bisher noch nicht beantworten. „Wir sind zwar optimistisch“, sagt Stroszczynski, „aber wir müssen noch einige Jahre abwarten, um einen fundierten Vergleich zu anderen Therapien ziehen zu können.“

Einen Nachteil gegenüber dem Hitzeverfahren hat die Elektroschockmethode allerdings: Um zu verhindern, dass die Elektroschocks beim Patienten Herzrhythmusstörungen hervorrufen, muss der Eingriff unter Vollnarkose mit künstlicher Beatmung stattfinden.