Neues Parlament, neue Chance
16. Dezember 2016Feierliche Trompetenklänge und rhythmische Trommelschläge scheppern aus den Lautsprechern. Beim Wahlkampf in Cocody ist die Nationalhymne pausenlos zu hören. In diesem Stadtteil der Wirtschaftsmetropole Abidjan tritt Kommunikationsministerin Affoussiata Bamba-Lamine für die Regierungskoalition an. Sie nutzt die Gelegenheit, den Wählern noch einmal die Bedeutung der Parlamentarier zu erklären: "Das sind diejenigen, die über unsere Gesetze abstimmen!" Die Konkurrenz um die 255 Sitze im Parlament ist so groß wie nie. 1337 Kandidaten aus dem ganzen Land treten am Sonntag an.
Doch nicht nur das macht die Abstimmung außergewöhnlich: "Es ist eine besondere Wahl, die eine große Bedeutung für das Land hat", sagt Martin Johr, Repräsentant der Friedrich-Ebert-Stiftung in Abidjan. Denn: Die größte Oppositionspartei FPI wird daran teilnehmen - anders als bei den letzten Parlamentswahlen 2011.
Die FPI ist die Partei des ehemaligen Präsidenten Laurent Gbagbo. Der muss sich zurzeit vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verantworten. Die Anklage lautet auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der monatelangen Krise nach den Wahlen 2010. Die Wahlkommission und internationale Beobachter erklärten den derzeitigen Präsidenten Alassane Ouattara zum Sieger Sieger. Aber Gbagbo weigerte sich, seine Niederlage anzuerkennen.
Es folgten monatelange gewaltsame Auseinandersetzungen. Etwa 3000 Menschen starben. Bis heute ist die Elfenbeinküste ein gespaltenes Land. Der Bürgerkrieg ist noch immer nicht aufgearbeitet.
Gibt es bald eine stärkere Opposition im Parlament?
"Gbagbos Partei hat danach die Wahlen boykottiert und ist seitdem vom politischen Prozess komplett ausgeschlossen gewesen", sagt Johr. "Das heißt, das Parlament bestand bisher aus Regierungsparteien, die die absolute Mehrheit hatten. Und das könnte und sollte sich mit diesen Wahlen ändern."
Im Stadtteil Cocody tritt Issiaka Sangaré für die FPI an. "Uns geht es vor allem darum, uns neu zu positionieren", sagt er der DW bei einem Wahlkampf-Termin. Doch nicht alle Anhänger seiner Partei sehen das so. Ein Teil der Opposition ruft auch dieses Mal wieder zum Boykott der Wahl auf. Ein Grund: Die starke Rolle, die Ex-Präsident Gbagbo noch immer in der Elfenbeinküste einnimmt. "Das geht soweit, dass Teile der politischen Opposition, vor allem die Hardliner-Fraktion der FPI, vehement seine Rückkehr fordern und einen kompletten Boykott des politischen Lebens vollführen", so Martin Johr von der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Angst vor Gewalt
Auch bei der Abstimmung über eine neue Verfassung Ende Oktober hatte die Opposition die Bürger aufgerufen, nicht zur Wahl zu gehen. Das Referendum war umstritten, in der Bevölkerung gab es zum Teil großen Widerstand dagegen. Dennoch wurde die neue Verfassung angenommen. Die Wahlbeteiligung war mit etwas über 40 Prozent aber sehr gering.
Ob bei den anstehenden Parlamentswahlen mehr Menschen abstimmen werden? Schwer einzuschätzen, sagt Martin Johr. Er stellt fest, dass viele Ivorer genug haben von Politik und Politikern: "Diese Politikmüdigkeit speist sich vor allen Dingen aus dem Frust über die Lebensbedingungen, die nach wie vor für viele nicht gut sind. Es gibt aber auch Angst vor weiterer Gewalt, wie man sie 2010 und 2011 erlebt hat." Er selbst sei aber optimistisch, dass die Wahlen am Sonntag friedlich verlaufen.
Eine Frau als Präsidentin?
Unter den 1337 Kandidaten für das Parlament sind etwa 200 Frauen, die sich durchaus Hoffnungen auf einen Abgeordnetenplatz machen. Derzeit sitzen 25 Frauen im Parlament. Yasmine Ouégnin ist eine von ihnen. Am Sonntag will sie ihr Mandat verteidigen.
"Wir brauchen auf allen Führungsebenen viel mehr Frauen", sagt sie. Doch dafür fehlen vielen die Schulbildung und die Unterstützung. Bertin N'Dri, selbst ehemaliger Parlamentarier, setzt sich dafür ein, dass mehr Frauen solche Chancen erhalten. Und er hat große Pläne: "In unserem Nachbarland Liberia gibt es eine Präsidentin. Ich hoffe, dass das eines Tages auch bei uns möglich ist, und dass ich das noch erleben darf."
Mitarbeit: Julien Adayé (Abidjan)