Emir trifft auf Kanzlerin
17. September 2014Das soll er also sein, der Herrscher des reichen Ölstaates Katar, der heimlich radikalislamische Terroristen finanziert, zuhause Minderheiten unterdrückt und duldet, dass Gastarbeiter beim Bau der Stadien für die Fussball-WM 2022 zu Tode geschunden werden. Ein adretter Mann im dezenten grauen Anzug und charmantem Lächeln schreitet an der Seite von Bundeskanzlerin Angela Merkel durch ihren Dienstsitz: Emir Tamim bin Hamad al-Thani - seit gut einem Jahr der jüngste Staatschef der arabischen Welt. Die beiden haben sich eben ausführlich unterhalten. Ein gutes Gespräch, wie es scheint. "Das ist der erste Besuch des Emirs, wir haben sehr offen, sehr intensiv und sehr freundschaftlich miteinander geredet", findet Merkel. Al-Thani pflichtet dem bei. Die Beobachter haben das Gefühl, dem Beginn einer vielversprechenden Partnerschaft beizuwohnen.
Das hat Gründe. Katar pumpt seine Öl-Milliarden derzeit auch kräftig nach Deutschland. "Wir schätzen, dass Katar ein strategischer Investor ist und nicht nur rein und wieder raus geht", freut sich Merkel und wirbt für die Angebote der deutschen Baufirmen, die in dem Golfstaat die Infrastruktur ausbauen wollen. "Katar hat ja noch eine rasante Entwicklung vor sich", erwartet die Bundeskanzlerin. Weil das Öl doch eines Tages ausgehen könnte, lockt sie auch mit dem deutschen Know-how bei den erneuerbaren Energien und energieeffizienten Bauen, denn es geht "um die Vorbereitung für die Zukunft".
Klartext im Sinn
Staatsbesuche sind meist nicht die Gelegenheit, bei denen Kontroversen zwischen Nationen ausgetragen werden. Sie verlaufen nach Protokoll, mit aller diplomatischen Zurückhaltung bei kniffligen Themen. Aber auch hier wollte die Kanzlerin klar machen, dass sie Klartext geredet hat. Gute Arbeitsbedingungen für die Arbeiter an den WM-bauten wünscht sie sich und der Emir schaut ernst. Es habe da tatsächlich Probleme gegeben, sagt er. "Katar sei kein idealer Staat, aber man bemühe sich, die Situation zu verbessern", verspricht al-Thani.
Nach all den Anschuldigungen und Diskussionen in der deutschen und internationalen Presse muss er auch Stellung nehmen zu der Sache mit der mutmaßlichen Unterstützung von radikalislamistischen Organisationen, wie sie derzeit in Syrien oder im Irak kämpfen. Merkel wollte wissen, was an den Mutmaßungen dran ist. "Das macht Katar nicht, wird es nicht und hat es in seiner Geschichte auch nie getan", äußert sich der junge Emir dazu. Merkel nickt: "Ich habe jetzt auch keinen Grund, den Aussagen des Emirs nicht zu glauben."
Pragmatismus im Köcher
Zwischen den beiden Staatenlenkern soll Vertrauen bestehen. Das hat nicht nur mit den vielversprechenden Wirtschaftsbeziehungen zu tun. Die Kanzlerin setzt in ihrer Art Politik zu betreiben auf einen nach vorne gerichteten Pragmatismus und Dialog. Katar bietet die Möglichkeit, in der krisengeschüttelten Region des Mittleren und Nahen Ostens neue Gesprächsfäden aufzunehmen. Merkel versucht vorsichtig vorzugehen und steckt dafür Kritik im Inland ein.
Denn nicht alle finden al-Thani gleichermaßen vertrauenswürdig. Besonders die Opposition im Bundestag gibt sich erregt. Die Bundesregierung rolle einen "roten Teppich für Katars Diktator" aus, wettert die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen, Sprecherin für internationale Beziehungen ihrer Bundestagsfraktion. Sie wirft dem Golfstaat vor, die finanzielle Unterstützung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu dulden und warnt vor weiteren Rüstungsgeschäften mit Katar.