Ende des Übergangs?
10. Februar 2014Vor dem Kinderkrankenhaus Tsararalana in der Hauptstadt Antananarivo suchen Wartende im Schatten einer Mauer Schutz vor der Sonne. Kinderarzt Heritiana Randrianjafinimpanana hält drinnen einem neunjährigen Jungen sein Stethoskop an die Brust. Seit zwei Monaten fühle er sich schwach, erklärt die Mutter des Jungen. Manchmal könne er kaum aufstehen. Der Junge schaut verschüchtert zu Boden.
Erst als der Arzt ihn auf die Waage bittet, wird klar, woran der Junge leidet. Unterhalb der 20-Kilogramm-Marke pendelt sich die Nadel ein: Untergewicht. Dieses Problem habe in der Zeit der Übergangsregierung, der sogenannten Transition, stark zugenommen, sagt Randrianjafinimpanana. "Während der Transition gab es auch weit mehr Todesfälle als sonst und mehr tödliche Krankheiten." Ursache dafür sei die extreme Armut. "Ich erwarte von der neuen Regierung, dass sie vor allem an die Lebensbedingungen der Menschen denkt."
Machtkampf mit Folgen
Rund die Hälfte der 22 Millionen Insel-Bewohner lebt von weniger als einem US-Dollar am Tag. Madagaskars Wirtschaft liegt am Boden, seit ausländische Investoren der Insel nach einem Putsch im Jahr 2009 den Rücken gekehrt haben. Andrey Rajoelina hatte damals den Präsidenten Ravalamonana entmachtet, auch westliche Regierungen kürzten daraufhin ihre Hilfszahlungen. Der Streit zwischen den Anhängern der Erzfeinde Rajoelina und Ravalomana blockierte das ganze Land, kostete mehr als 130 Menschen das Leben. Touristen blieben der Insel im Indischen Ozean fern.
Erst knapp fünf Jahre nach dem Putsch konnten sich die Lager auf Neuwahlen einigen. Ravalomanana muss zunächst im Exil in Südafrika bleiben und Rajoelinas Kandidatur wurde vom Wahlgericht abgelehnt. Dafür schickte er seinen Finanzminister vor, der die Wahl gewann. Soll nun ausgerechnet ein Mann der alten Putsch-Regierung das Land nach vorne bringen? Natürlich habe es Schwierigkeiten in der Übergangszeit gegeben, sagt der neue Präsident Hery Rajaonarimampianina im DW-Interview: "Die Zeit der Transition ist nun jedoch vorbei. Und die Tatsache, dass wir jetzt zum Respekt gegenüber der Verfassung zurückkehren, zeigt doch, dass wir den Kurs wechseln."
Rückkehr Rajoelinas?
Der Respekt gegenüber der Verfassung wird nun wieder zelebriert. In langen roten Roben schreiten die Richter in den Saal des Verfassungsgerichts in der Hauptstadt Antananarivo. In den Stuhlreihen ist kein freier Platz mehr zu finden. Es gilt, das amtliche Endergebnis der Parlamentswahlen zu verkünden, die im vergangenen Dezember zeitgleich mit den Präsidentschaftswahlen stattfanden.
Doch was die Richter dann mitteilen, verheißt nicht unbedingt Gutes für den politischen Wandel im Land. Die Partei des Übergangs-Präsidenten Rajoelina stellt mit 49 Sitzen die Mehrheit der Abgeordneten. Damit könnte Rajoelina Premierminister werden in der Regierung seines ehemaligen Finanzministers. Im Saal des Verfassungsgerichts wird getuschelt über die so genannte russische Variante. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte 2008 nach zwei Amtszeiten seinem Freund Dmitri Medwedew den Weg ins höchste Staatsamt geebnet, um selbst Ministerpräsident zu werden. Vier Jahre später wurde Putin wieder Präsident.
Rosenholz und Rechtsstaat
Die Außenbeauftragte der Europäischen Union, Catherine Ashton, lässt dennoch ihre Glückwünsche zur gelungenen Parlamentswahl übermitteln. Nun müsse möglichst schnell eine neue Regierung gebildet werden. Doch es ist klar, dass die EU den Putschisten Rajoelina nicht gern zurück an der Macht sieht. Man begrüße den Willen des neuen Präsidenten, mit der Vergangenheit zu brechen, so heißt es aus Brüssel.
Das würde auch bedeuten, der Korruption im Land endlich Einhalt zu gebieten. Etwa dem mafiös organisierten Handel mit seltenen Hölzern wie Rosenholz. Den Schmuggel damit einzudämmen und so die einzigartige Vielfalt der Natur Madagaskars zu schützen, auch das hat sich der neue Präsident vorgenommen. Doch das dürfte schwierig werden: Allzu gut hat die Machtelite des Landes bislang vom illegalen Handel profitiert.
"Es ist wahr, dass das Niveau der Korruption in Madagaskar beunruhigend hoch ist", sagt Präsident Rajaonarimampianina der Deutschen Welle. "Deshalb werde ich einen unerbittlichen Kampf dagegen führen. Es geht darum, wieder eine staatliche Autorität aufzubauen."
Mehr Staat gefragt
Auf einen stärkeren Staat hofft auch Louisette Vohangy Malala. Einige Kilometer außerhalb der Hauptstadt lebt sie wie die meisten Madagassen von der Landwirtschaft. Malala hat mit einer Schaufel Löcher gegraben, nun drückt sie Maniokstecklinge in die rote Erde, jeder einzelne ist lang wie ein Bleistift. Mit gut 30 Schritten kann sie ihr kleines Feld abmessen. Aber es bringt ihr etwas Geld, denn von ihrer eigentlichen Arbeit als Obsthändlerin alleine kann sie nicht leben. Sie erwartet von der neuen Regierung nun mehr Sicherheit und Polizeipräsenz. "In den letzten Jahren konnten die Leute hier einfach von meinem Feld klauen, ohne Strafe", so Malala.
Doch ganz ohne Hoffnung für die Zukunft ist sie nicht. Einige der Setzlinge, die sie vor ein paar Wochen gepflanzt hat, haben bereits ausgetrieben und grüne Blätter gebildet. Wenn alles gut geht, kann sie hier in einem Jahr die Wurzelknollen ernten. Ob Madagaskar dann eine stabile Regierung hat, die den Weg zu Wohlstand und Sicherheit ebnet, ist allerdings eine andere Frage.