Ende einer Odyssee
14. Januar 2005Der Flug durch die Atmosphäre des Titan ist für die Sonde der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) ein Höllenritt: Erst strapazieren Temperaturen bis 1500 Grad Celsius den wokförmigen Wärmeschutzschild. Dann öffnet Huygens nacheinander seine drei Landefallschirme und kühlt auf Umgebungstemperatur ab - auf minus 180 Grad.
Mit sechs Messinstrumenten soll Huygens Informationen über die Beschaffenheit der Atmosphäre sammeln. Dazu gehören neben der chemischen und physikalischen Zusammensetzung auch Daten über Richtung und Geschwindigkeit der Winde. Außerdem wird die Sonde während des Sturzflugs versuchen, Bilder zu machen und Geräusche aufzunehmen. Damit die Fotos auch nicht zu dunkel werden, schaltet sich kurz vor der Landung extra eine kleine Lampe ein.
Ihre Daten wird Huygens an die NASA-Muttersonde Cassini senden, in deren Schlepptau sie den Weg zurückgelegt hatte. Cassini wird als Mittler zwischen Huygens und Erde fungieren. Bis zu unserem Planeten - der immerhin 1,2 Milliarden Kilometer entfernt ist - brauchen die Daten nach Angaben der Raumfahrtkontrollstation ESOC in Darmstadt 67 Minuten.
Mond mit Wind und Wetter
Der zweitgrößte Mond des Sonnensystems - halb so groß wie die Erde - ist zugleich der einzige mit einer Atmosphäre. Diese besteht vor allem aus Stickstoff und Kohlenwasserstoffen wie Ethan oder Methan. Aufgrund der niedrigen Temperaturen sind Wolken, Meere und Regen vermutlich nicht aus Wasser, sondern aus Methan. Laut ESA-Website könnte es auf dem Titan grüne Methanwolken geben, aus denen es tennisballgroße Tropfen regnet.
Ein Rätsel gibt den Wissenschaftlern die Beschaffenheit der Oberfläche auf, denn eine orange-braune Dunstschicht verdeckt die Sicht von außen. Es könnte neben festen Strukturen Seen und Meere geben. Gerhard Schwehm, Abteilungsleiter für planetarische Missionen bei der ESA, hält es sogar für möglich, Leben ermöglichende Bestandteile vorzufinden. "Ich rechne mit sehr komplexen Molekülen." Immerhin ähnelt die Atmosphäre der der Erde vor vier Milliarden Jahren. Für die Entwicklung fortgeschrittenen Lebens wäre es wohl zu kalt.
Unwissenheit macht Landung zum Abenteuer
Die unbekannte Oberflächenstruktur macht die Landung der Sonde zum Abenteuer. Sollte sie auf einem Gewässer landen, würde sich Huygens mit seinen mehr als 300 Kilogramm nur eine Minute über Wasser - respektive Methan - halten. Ein Auftreffen auf hartem Untergrund dagegen könnte Huygens beschädigen. Eine weiche Landung wäre ohnehin nur das "Sahnehäubchen", erklärt Michael Khan, Huygens-Spezialist beim ESOC. Dafür sei die Sonde nicht konzipiert, entscheidend seien die Daten aus dem Sturzflug.
Eingreifen in die Mission können die Spezialisten der ESA nicht, es läuft alles automatisch. Ein Befehl würde zu lange brauchen, um Huygens Flug zu beeinflussen: Mehr als eine Stunde wären die Funkwellen unterwegs, um Mutterschiff Cassini in über einer Milliarde Kilometer Entfernung zu kontaktieren. Huygens Batterien werden jedoch im besten Fall drei Stunden halten.
Start vor sieben Jahren
Das europäisch-amerikanische Großprojekt Cassini-Huygens startete am 15. Oktober 1997 seinen Flug in Richtung Saturn. Das Sondenpärchen ist nach ESA-Angaben der "größte interplanetare Raumflugkörper, der je gebaut wurde." Mehr als 2,5 Milliarden Euro kostete die Mission bislang.
Die Trägersonde Cassini steuerte die amerikanische Luft- und Raumfahrtbehörde NASA bei. Die Sonde misst etwa sieben Meter in der Länge und knapp vier im Durchschnitt. Der lastwagengroße Flugkörper wog beim Start knapp 6 Tonnen, die Hälfte davon war Treibstoff.
Cassinis Aufgabe ist mit dem Abwurf von Huygens am 25. Dezember 2004 noch nicht erledigt. Cassini wird weitere vier Jahre das System um den Saturn erkunden. Eindrucksvolle Bilder von Saturnringen und -monden sendete der Koloss bereits zur Erde.
Probleme drei Jahre nach dem Start
Cassini-Huygens hatte auch mit Problemen zu kämpfen. Im Jahr 2000, die Sonden waren längst unterwegs, stellten NASA und ESA ein Kommunikationsproblem zwischen Cassini und Huygens fest. Der Kurs musste geändert werden, die Mission verzögerte sich um sieben Wochen.