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Endlager Gorleben - der Widerstand geht weiter

13. April 2010

Taugt der Gorlebener Salzstock als Atomendlager? Seit Jahrzehnten prüft die Regierung das - ein Ergebnis ist nicht in Sicht. Für die meisten Anwohner im niedersächsischen Wendland geht das nicht mit rechten Dingen zu.

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Gorleben Ortsschild (Foto: DW)
Die ewige Prüfung verunsichert die Bürger im WendlandBild: AP

Der Förderkorb verschwindet im Dunkel und beschleunigt sich auf seiner Fahrt in die die Tiefe. Der kühle Fahrtwind lässt die Augen tränen. Man spürt den Druck in den Ohren. In 840 Meter Tiefe hält der Korb sanft an.

Unter Tage eröffnet sich eine andere, versteckte Welt. Hier, so behaupten die Gegner des Standorts Gorleben, wird das Endlager heimlich gebaut. Die Behörden betonen aber, dass eine Entscheidung für Gorleben noch nicht gefallen ist. "Bevor wir die Erkundung abgeschlossen haben, können wir keine absolute Eignungsaussage zu diesem Standort treffen", sagt Ralf Schmitt, Geologe von der Deutschen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe.

Salzstock in Gorleben (Foto: DW)
Wird hier schon heimlich am Endlager gebaut?Bild: DW

Seit Jahrzehnten ist Gorleben als Endlager für hochradioaktiven Atommüll nun schon im Gespräch. Ebensolange wird darüber diskutiert, ob der Salzstock für diesen Zweck überhaupt geeignet ist. Nachdem die Bundesregierung die Laufzeit für Deutschlands Kernkraftwerke verlängern will, verstärkt sich der Druck, ein geeignetes Endlager zu finden. Seit einigen Wochen läuft nach einem zehnjährigen Moratorium die Erkundung in Gorleben weiter. Gleichzeitig soll ein Untersuchungsausschuss des Bundestags klären, ob die Entscheidungsgründe für Gorleben als möglichen Standort politisch motiviert waren und einige Informationen damals manipuliert wurden.

Das Gorlebener Salz

Geländewagen rasen durch das Halbdunkel des unterirdischen Streckennetzes. Der Motorenlärm mischt sich mit einem heulenden Wind, der durch die geräumigen Gänge zieht. Tobias Schmidt, mit weißem Overall und Schutzhelm bekleidet, öffnet die Gittertür des Korbs. Er ist zuständig für Öffentlichkeitsarbeit bei dem Bundesamt für Strahlenschutz. "Wir haben nichts zu verbergen", sagt er. "Jeder kann ins Bergwerk einfahren, kann sich das anschauen, kann sich anschauen, wie dort gearbeitet wird. Die Frage, die sich stellt, ist: wollen unsere Kritiker wirklich mit uns reden."

Mit "Kritikern" meint er hauptsächlich die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Von ihrem Büro in Lüchow aus, etwa 18 Kilometer von Gorleben entfernt, wird der Kampf gegen das Endlager in Gorleben gelenkt.

Seit über 30 Jahren im Widerstand

Ein buntes Bleiglasschild mit Sonnenmotiv begrüßt die Besucher des Besucherzentrums der Initiative. Hinter der dicken Holztür findet man im Flur eine große Auswahl an Flugblättern und Informationsheften zum Mitnehmen. Hier, im gemütlichen Aufenthaltsbereich, kann man sich bei einer Tasse Kaffee informieren. Hinter den zwei Schreibtischen im Vorderraum steht eine Reihe von hohen Regalen, gefüllt mit Akten zu den verschiedensten ökologischen Themen. An einem der Schreibtische arbeitet Kerstin Rudek, Vorsitzende der Bürgerinitiative. Sie wurde hier geboren, ist hier aufgewachsen und wohnt direkt an der Elbe. "Ich bin nicht bereit, das aufzugeben und hier wegzuziehen, nur weil die Politik etwas durchziehen will, gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerung", sagt sie.

Ihrer Meinung nach gibt es eine Fülle von Beweisen dafür, dass der Salzstock ungeeignet ist. Er hat Kontakt zum Grundwasser und keine Tonschicht, die das leicht auflösbare Salz vor Regen schützen würde. "Es gibt so viele Untersuchungsergebnisse, in Gorleben muss nichts mehr untersucht werden", sagt sie. "Seit den 80er Jahren ist klar, der Salzstock ist nicht geeignet." Die Bürgerinitiative ist überzeugt, dass die Pläne für ein Endlager in Gorleben eines Tages vom Tisch verschwinden werden.

Viele der Menschen in Lüchow blicken eher pessimistisch in die Zukunft. "Ich gehe langsam auf die 60 zu. Ich werde wohl hier bleiben, aber ich bin immer noch am Überlegen, ob das weiter meine Heimat bleibt", sagt eine Frau mit traurigem Blick.

Gespaltene Gemeinden

25 Kilometer entfernt liegt der Gartower See, ein Ort der fast unberührten Natur, der mit Wiesen, Weiden und traumhaften Sonnenuntergängen lockt. Hinter dieser Schönheit herrscht aber Unruhe, denn die 1370 Einwohner der Gemeinde Gartow sind zerstritten.

Anti-Gorleben-Demo 1997 (Foto: AP)
Seit Jahren wird im Wendland gegen das geplante Endlager demonstriertBild: AP

Versuche, das Thema "Endlager" mit den Menschen hier zu diskutieren, ernten ablehnende Handbewegungen oder bloß Grimassen. Gorleben als Standort für ein Atomendlager ist ein Tabuthema, über das man nicht gerne mit Außenseitern spricht.

Es gibt eine große Anti-Atom-Bewegung im Wendland. Aber es gibt auch Menschen hier, die das Endlager befürworten. Manche arbeiten im Salzstock oder im Zwischenlager, das hier bereits seit Jahren für Auseinandersetzungen sorgt. Andere befürchten, dass die Region ohne die Einkünfte durch ein Atommüll-Zwischenlager keine Zukunft hätte. "Da geht der Streit schon innerhalb einer Familie los oder innerhalb einer Dorfgemeinschaft", erklärt Kerstin Rudek von der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. "Größtenteils wird das aber ganz gut ausgetragen, die Leute reden trotzdem miteinander."

Empörung auf der Straße

Der Dialog mit den Behörden verläuft aber nicht so erfolgreich und lässt keine schnelle Lösung erwarten. Im Wendland herrscht eine Atmosphäre des Misstrauens. Gerüchte von Geheimakten, Bestechlichkeit und einem bereits gebauten Endlager verunsichern die Menschen. Sie glauben, nicht mehr zu wissen, wem sie in den Behörden noch vertrauen können. "Es ist von vielen Seiten dargelegt, wie unsicher so ein Salzstock ist und da wird einfach darüber weggegangen", sagt ein Bürger in Lüchow. "Ich finde das nicht gut mit Gorleben, dass das alles so heimlich gemacht wurde", sagt ein anderer.

Tobias Schmidt vom Bundesamt für Strahlenschutz hat eine schwere Aufgabe vor sich, wenn er alle diese Kritiker vom Gegenteil überzeugen will. Die Erkundung des Salzstockes läuft unterdessen trotz aller Kontroversen weiter. Die Frage, ob Gorleben als nukleares Endlager geeignet ist, ist längst nicht mehr nur eine Frage der Geologie, sondern vor allem eine der Politik.

Autor: Andrew Shale

Redaktion: Manfred Götzke