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"Endlich Gerechtigkeit"

Elena Ern28. August 2004

Augusto Pinochet regierte Chile grausam. Bis jetzt musste er sich für seine Taten nicht verantworten. Doch das scheint sich jetzt zu ändern: Seine Immunität wurde aufgehoben - ein Hoffnungsschimmer für die Opfer.

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Augusto Pinochet - 17 Jahre Gewaltherrschaft in ChileBild: AP

Das oberste Gericht Chiles hat am Donnerstag (26.8.) die Immunität vor der Strafverfolgung für Augusto Pinochets aufgehoben - jetzt hoffen seine Opfer auf späte Gerechtigkeit. Das Gericht hatte geurteilt, dass der General im Ruhestand wegen des Verschwindens von 19 linksgerichteten Oppositionellen im Rahmen der "Operación Cóndor" Mitte der 1970er Jahre angeklagt werden kann. Die "Operación Cóndor" war eine gemeinsame Aktion lateinamerikanischer Militär-Diktatoren, die sich gegenseitig bei der Verfolgung Oppositioneller unterstützten.

Entführung, Folter, Mord - Pinochet werden schwere Menschrechtsverletzungen vorgeworfen. Er hatte nach dem Putsch vom 11.9.1973 das Land bis 1990 mit eiserner Faust regiert, unterstützt von den USA. In seiner Regierungszeit sollen mindestens 3000 Vertreter der linken Opposition getötet worden seien. Doch bisher konnten Gerichte und Strafverfolgungsbehörden Pinochet nichts anhaben - als ehemaliger Staatschef war er durch Immunität geschützt, eine Sonderregelung des chilenischen Parlamentes.

Gebrochene Psyche

"Ich bin froh über die Nachricht. Endlich muss sich Pinochet für seine Verbrechen verantworten", sagt der chilenische Exilant und Musiker Ulli Simon im Gespräch mit DW-WORLD. Simon war damals mit seinen sechs Geschwistern und seinen deutschstämmigen Eltern aus Chile geflohen. Sein Vater hatte sich in der Gewerkschaft und in linken Gruppierungen engagiert. So wurde er zum Opfer der Militärdiktatur. Er erinnert sich: "Marineinfanteristen stürmten unser Haus. Sie nahmen meinen Vater mit. Dann folterten sie ihn. Sie legten seinen Körper auf heiße Platten, schlugen ihn und schossen zum Schein auf ihn - sie brachen seine Psyche." Auf Druck der deutschen Botschaft wurde Ulli Simons Vater freigelassen. Kurze Zeit später saß die Familie in dem ersten Flugzeug, dass chilenische Exilanten nach Deutschland brachte.

Auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch begrüßte die Entscheidung des Obersten chilenischen Gerichtshofs. Pinochet könne sich nun nicht mehr länger auf seinen Status als früherer Staatschef berufen, um der Justiz zu entgehen, sagte der Leiter der Amerika-Sektion, José Miguel Vivanco.

"Operación Cóndor"

Schon 2002 sollte Pinochets Immunität aufgehoben werden. Aber der Oberste Gerichtshof erklärte ihn wegen einer "leichten Demenz" für prozessunfähig. Da half auch der Protest der Opferanwälte nichts, die Pinochet für prozessfähig hielten. Aber damals war Pinochet noch ein mächtiger Mann. Abgetretene und aktive Generäle hörten auf seine Befehle, auf der Straße forderte die Oberschicht die Einstellung des Verfahrens.

Protestaktion gegen Ex-Diktator Pinochet, der für seine massiven Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen werden soll
Protestaktion gegen Ex-Diktator PinochetBild: AP

Inzwischen hat sich die Stimmung in Chile geändert. In den Gerichten stapeln sich die Klagen gegen die Mörder der Diktatur. Geheimdienstmitarbeiter und Militärs wurden verurteilt. Einige Generäle Pinochets standen offiziell die Schuld für ihre Taten ein - ohne Pinochets Zustimmung.

Keine Entschuldigung

Pinochet selbst hat seine Taten nie zugegeben, auf eine Entschuldigung warten viele Betroffene bis heute. Im Gegenteil: Ende 2003 sagte er in einem Interview mit einem US-amerikanischen Fernsehsender, er müsse niemanden um Verzeihung bitten. "Sie müssen mich um Verzeihung bitten, sie, die Marxisten", die versucht hätten, ihn umzubringen.

Viele Angehörige der Pinochet-Opfer hoffen, dass jetzt auch geklärt werden kann, was mit den Leichen der Verschwunden passiert ist. "Ich fühle mit ihnen und hoffe, dass sie bald nicht mehr in dieser Ungewissheit leben müssen. Für sie ist es wichtig zu erfahren, was mit ihren Leuten passiert ist und wo sich ihre Leichen befinden", sagt Ulli Simon. Dann zitiert er ein spanisches Sprichwort: "más vale tarde que nunca" - lieber spät als nie.