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Energiekonzept von "epochaler" Bedeutung?

7. September 2010

Die Bundesregierung lobt ihr neues Energiekonzept in den höchsten Tönen. Neben längeren Laufzeiten für Atomkraftwerke enthalte es Maßnahmen zum Ausbau von Ökostrom. Die SPD wirft der Regierung vor, käuflich zu sein.

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(foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die Bundeskanzlerin sieht in dem Konzept eine "Revolution im Bereich der Energieversorgung". Die Koalition habe einen Fahrplan bis 2050 aufgestellt, "um das Zeitalter der erneuerbaren Energien möglichst schnell zu erreichen", sagte Angela Merkel am Montag (06.09.2010) vor Journalisten in Berlin.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle maß dem Beschluss der Koalition sogar "epochale Bedeutung" zu. "Es sei ein ökologischer und ökonomischer Durchbruch in der deutschen Energiepolitik gelungen", so der Vizekanzler und FDP-Vorsitzende.

In dem neuen Energiekonzept werden nicht nur längere Laufzeiten für die deutschen Atomkraftwerke geregelt, sondern auch der Weg festgelegt hin zu einer Versorgung mit erneuerbaren Energien. Als Schwerpunkte nannte Merkel den Ausbau der Stromnetze, die Forschung im Bereich von Speicherbausteinen und Gebäudesanierungen zur besseren Wärmedämmung. Umweltminister Norbert Röttgen sprach vom "energiepolitisch anspruchsvollsten Programm, das es bisher gegeben hat, nicht nur in Deutschland".

Atomlaufzeiten werden verlängert

Atomkraftwerk Biblis bei Nacht (Foto: AP)
Die längeren Laufzeiten für Atomkraftwerke sorgen für KritikBild: AP

Neben Maßnahmen für bessere Stromnetze, mehr Klimaschutz und Energieeinsparung wurde festgelegt, die Betriebsdauer der Atomkraftwerke zu verlängern. Ältere Atommeiler sollen acht Jahre länger am Netz bleiben, jüngere 14 Jahre. Im Schnitt ergibt sich damit eine Laufzeitverlängerung von zwölf Jahren gegenüber dem Atomkonsens aus dem Jahr 2000, der von der damaligen rot-grünen Regierung vereinbart wurde.

Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hob hervor, dass die jetzt zu erwartenden Zusatzgewinne der Stromkonzerne aus der Laufzeitverlängerung mittels der so genannten Brennelementesteuer abgeschöpft und der Staatskasse zugeführt werden sollten. Sechs Jahre lang von 2011 bis 2016 sollen die Konzerne jährlich 2,3 Milliarden Euro Brennelementesteuer an den Bundeshaushalt und zusätzlich einen Teil ihrer Gewinne an einen Fonds zum Ausbau erneuerbarer Energien zahlen.

Die Regierungskoalition aus Union und FDP hatte sich nach monatelangem Streit am Sonntagabend bei einem Gipfeltreffen im Kanzleramt auf das neue Energiekonzept verständigt.

Windraeder des Offshore-Windparks "alpha ventus" in der Heckwelle eines Bootes (Archivfoto: dapd)
Leidet der Ausbau der erneuerbare Energien unter der längeren AKW-Laufzeit?Bild: AP

Keine Beteiligung des Bundesrats

Die Kanzlerin zeigte sich zuversichtlich, dass die Laufzeitverlängerung im Fall einer Klage vor den Gerichten Bestand haben werde. Da die schwarz-gelbe Koalition im Bundesrat keine Stimmenmehrheit hat, will sie die gesetzlichen Änderungen ohne die Beteiligung des Bundesrates durchsetzen. Die geplanten Gesetze könnten so gestaltet werden, dass sie nicht die Zustimmung des Bundesrates benötigen, so Merkel. SPD und Grüne haben bereits mehrfach Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht angekündigt.

Opposition spricht von Klientelpolitik

SPD-Chef Sigmar Gabriel warf der Regierung angesichts der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke nun Käuflichkeit vor. Die Sicherheit der Deutschen beim Thema Atomkraft sei an vier große Konzerne verkauft worden, sagte Gabriel am Montag. "So dreist ist in Deutschland noch nie der Eindruck erweckt worden, Politik sei käuflich." Es sei Geld geboten worden, und dann sei danach Politik gemacht worden, so Gabriel. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sprach von "Kapitulation vor der Atomlobby".

Sigmar Gabriel (li.) und Andrea Nahles (Foto: ap)
Scharfe Kritik kommt von der SPD-SpitzeBild: AP

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Jürgen Trittin, wirft der Bundesregierung Klientelpolitik vor. "Der Atombeschluss der Koalition ist kein Kompromiss, sondern ein Milliarden-Geschenk für RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall", sagte Trittin in Berlin. Nach Berechnungen der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) könnten die Energieversorger bei einer Laufzeitverlängerung um zwölf Jahre mit Zusatzgewinnen von 119 Milliarden Euro rechnen, bei steigenden Strompreisen sogar mit bis zu 233 Milliarden Euro. Trittin wies darauf hin, dass der Koalitionskompromiss weit über das hinaus gehe, was die Atomkonzerne seinerzeit bei den Verhandlungen über den Atomkonsens selbst gefordert hätten.

Lob aus Brüssel

Zuspruch erhielt die Bundesregierung dagegen aus Brüssel. EU-Energiekommissar Günther Oettinger bewertete die Einigung der Regierungskoalition positiv. Die Lösung sei ein "fairer Kompromiss für alle Beteiligten" - gerade vor dem Hintergrund, dass manche Staaten sogar neue Atomkraftwerke bauten und auf Laufzeiten von 60 Jahren setzten, während in anderen gar keine Atomenergie produziert werde, sagte der CDU-Politiker. Der Kommissar lobte, dass nun Millionen für die Forschung und Förderung erneuerbarer Energien freigesetzt würden.

Autorin: Marion Linnenbrink (dpa, afp, dapd)
Redaktion: Eleonore Uhlich