Kontakt mit dem Tod
30. Januar 2015"Nein, nach Bagdad gehe ich jetzt nicht mehr", sagt Georges Malbrunot im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Ich lasse mir doch nicht den Kopf abhacken." Die Enthauptungen der beiden amerikanischen Journalisten, des britischen Entwicklungshelfers, des französischen Wanderers in Algerien und jetzt des einen der beiden japanischen Geiseln durch den "Islamischen Staat, haben den Chefreporter der französischen Tageszeitung "Le Figaro" aufgeschreckt. Verdrängte Ängste kommen wieder zum Vorschein. Und doch übt der Irak weiter eine Faszination auf ihn aus, so dass er sich ständig darüber informiert, was im Zweistromland geschieht.
Im August 2004 war der 52-jährige Franzose zusammen mit seinem Radiokollegen Christian Chesnot von sunnitischen Extremisten verschleppt worden. Sie waren die ersten westlichen Journalisten, die im Irak gekidnappt wurden. Vier Monate lang waren die beiden Reporter in Geiselhaft. Kurz vor Weihnachten 2004 kamen sie wieder frei. Danach rollte eine Entführungswelle durch das Zweistromland.
Sechs Monate lang ging es schlecht
Nach ihrer Freilassung und ihrer Ankunft am Flughafen in Paris riet man Malbrunot und Chesnot, sie sollten Rücksicht nehmen auf die anderen Geiseln. Also erzählten sie keine Details aus der Haft - nur, dass sie fair behandelt wurden. Zwei Wochen später wurde Florence Aubenas, eine weitere französische Journalistin, entführt. Heute sagt Malbrunot, dass er von den Geiselnehmern zwar alles in allem nicht schlecht behandelt, wohl aber eine Woche lang mit dem Tode bedroht worden sei.
"Der permanente Kontakt mit dem Sensenmann ist nicht gerade angenehm." Daran möchte er sich lieber nicht erinnern. Sechs Monate lang ging es ihm schlecht, die Erinnerungen kamen hoch. Danach fing er an wieder voll zu arbeiten und hat sich nicht mehr allzu viele Gedanken gemacht. "Wir hatten Glück, dass wir nicht direkt von Al-Kaida entführt wurden", ordnet er rückwirkend ein. Schon damals wurden Geiseln enthauptet. Heute ist es IS-Anführer Abu Bakr al-Bagdadi, der dieselben Methoden anwendet wie sein Lehrer Abu Mussab al-Zarqawi vor zehn Jahren. Der Jordanier und Chef von Al-Kaida im Irak wurde 2006 in der Provinz Dijala durch amerikanische Bomben getötet.
Motiv Lösegeld
Die Entführung der beiden französischen Journalisten war eigentlich purer Zufall. Sie waren auf dem Weg in die 140 Kilometer von Bagdad entfernte Schiitenhochburg Najaf, wo sie eine Reportage geplant hatten. Eine salafistische Gruppe, die sich "Islamische Armee" nannte, sah die zwei Europäer im Wagen und nahm sie gefangen. Das Gebiet, wo die beiden entführt wurden, ist später unter dem Namen "Dreieck des Todes" bekannt geworden. Kein Ausländer kam hier ungeschoren durch.
Vier Mal in den 124 Tagen Geiselhaft haben die beiden Franzosen mit ihren Entführern den Ort gewechselt. Nach zwei Monaten hätte man ihnen eröffnet, dass sie nicht exekutiert würden, sondern dass über sie verhandelt werde. Wahrscheinlich seien sie von Anfang an auf Lösegeld aus gewesen, vermutet Malbrunot über das Motiv der Entführer. Später habe er erfahren, dass die Amerikaner Gefangene der "Dscheish Islami", wie die Gruppe auf Arabisch heißt, für sie frei gelassen haben. Britische Zeitungen schrieben von 15 Millionen Dollar, die gezahlt worden seien. Die französische Regierung dementiert jegliche Zahlung bis heute. Malbrunot hat nie danach gefragt. Die Gruppe "Islamische Armee" habe sich später aufgelöst, hat der Reporter erfahren. Ein Teil ihrer Mitglieder sei zu Al-Kaida gegangen, ein anderer zur Stammesallianz Sahwa, die zusammen mit den Amerikanern gegen Al-Kaida kämpfte.
Geld und Politik gehen Hand in Hand
Auch bei dem aktuellen Drama um einen jordanischen Piloten und ursprünglich zwei japanischen Geiseln geht es zum einen um Lösegeld, zum anderen um die Freilassung eines Mitglieds der Terrorgruppe. Geld und Politik gehen Hand in Hand. Doch während ein Gefangenenaustausch international akzeptiert ist, wird die Zahlung eines Lösegelds bei Geiselnahmen stets kontrovers diskutiert. Die USA lehnen dies strikt ab, während europäische Länder und auch Japan als verhandlungsbereit gelten. Frankreich, so Malbrunot, habe in den letzten Jahren unzählige Entführungen ihrer Staatsbürger verzeichnen müssen. Grund dafür sei, dass das Land im Ruf stünde, Lösegeld zu zahlen - aber auch, weil Entführungen vor allem von Journalisten eine ungeheure Medienaufmerksamkeit verursachen, die die Kidnapper zu ihren Gunsten ausnützen.
Mittlerweile sei es in Frankreich ein offenes Geheimnis, dass die Regierung zwar offiziell kein Lösgeld bezahle, jeder aber wisse, dass dies durch befreundete Staaten, wie Katar, im Namen Frankreichs übernommen werde. Er selbst sei gespalten, antwortet die ehemalige Geisel Malbrunot, wenn es um die Frage zahlen oder nicht zahlen geht. Natürlich sei es besser, wenn niemand zahlt, um nicht die Kriegskasse der Terroristen zu füllen. "Doch ob dies immer möglich ist?" Jedenfalls wäre Malbrunot ohne eine Lösegeldzahlung wohl nicht mehr am Leben.