Entschädigung für "Colonia Dignidad"-Opfer
30. Juni 2017Der Bundestag setzt sich dafür ein, die Opfer der Sektensiedlung "Colonia Dignidad" zu entschädigen. Einstimmig beschlossen wurde ein Entschließungsantrag von Union, SPD und Grünen. Dieser fordert die Bundesregierung auf, innerhalb eines Jahres zu prüfen, ob ein Hilfsfonds eingerichtet werden kann.
Außerdem dringen die Fraktionen darauf, die Verbrechen, die auf dem Gelände in Chile begangen wurden, besser aufzuarbeiten. Dazu schlägt der Bundestag eine Begegnungs- und Gedenkstätte sowie die Einsetzung einer deutsch-chilenischen Expertenkommission vor. Die Opfer sollen psychosozial betreut und gegebenenfalls finanziell unterstützt werden. Dazu sollen nach dem Willen der Parlamentarier auch Mittel aus dem Vermögen der "Colonia Dignidad" herangezogen werden.
Systematischer Kindesmissbrauch
Der Deutsche Paul Schäfer hatte die Siedlung zusammen mit anderen Auswanderern aus der Bundesrepublik rund 350 Kilometer südlich von Santiago de Chile gegründet - das war 1961. In den folgenden Jahrzehnten kam es dort zu systematischem Kindesmissbrauch.
Während der chilenischen Militärdiktatur, also zwischen 1973 und 1990, wurden zudem Regimegegner auf dem hermetisch abgeriegelten Areal gefoltert und ermordet. Der Bundesnachrichtendienst (BND) sprach von "KZ-ähnlichen" Methoden. Mehrfach besuchten deutsche Politiker die Kolonie, darunter auch der frühere CSU-Chef Franz-Josef Strauß.
Schäfer tauchte wegen strafrechtlicher Ermittlungen in den 1990er Jahren unter. Nach seiner Festnahme 2005 in Argentinien wurde er von einem Gericht in Chile zu 20 Jahren Haft verurteilt. Der Siedlungsgründer starb 2010 im Gefängnis.
Steinmeier: "Nicht angemessen reagiert"
Im vergangenen Jahr hatte der damalige Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier eingeräumt, das Auswärtige Amt und Diplomaten vor Ort hätten jahrelang nicht angemessen auf die Verbrechen in der "Colonia Dignidad" reagiert.
Zwar trage das Außenministerium keine Verantwortung "für das Unwesen, das Paul Schäfer und seine Spießgesellen trieben, teilweise in Verbindung mit den Militärs und Diktatoren". Aber das Amt hätte entschiedener "Deutschen nach pflichtgemäßem Ermessen Rat und Beistand gewähren" müssen, wie es das Konsulargesetz vorsieht. "Und es hätte früher versuchen können, durch diplomatischen Druck die Spielräume der Colonia-Führung zu verengen und juristische Schritte zu erzwingen", so Steinmeier damals.
Nach dem Bekenntnis zu moralischer Mitverantwortung müsse die Bundesregierung den Worten Taten folgen lassen, heißt es in dem nun beschlossenen Antrag des Parlaments. Die Regierungsakten über die Kolonie wurden auf Steinmeiers Initiative bereits vor Ablauf der Sperrfrist geöffnet, damit Wissenschaftler und Journalisten die Vorgänge untersuchen können.
jj/vk (dpa, afp)