Entwicklung ja, Bürgerrechte nein
11. August 2010Vor 16 Jahren zogen die Völkermörder durch das ganze Land und ermordeten mindestens 800.000 Menschen - Tutsi und gemäßigte Hutu. Und heute? Ruanda ist ein Land, dessen Ausgangsbedingungen genau so schlecht sind, wie in vielen anderen Ländern des Kontinents auch. Die Bevölkerung wächst rasant, die für Landwirtschaft zu nutzende Fläche reicht kaum, um alle zu ernähren. Ruanda hat keinen Zugang zum Meer und kaum Ressourcen.
Trotzdem: Kigali wirkt wie ein gut gepflegter Schrebergarten, nur größer. Schnurgerade und gut ausgebaute Straßen, sorgfältig gepflegte Rasenflächen in der Hauptstadt. Wichtiger noch: ein fast flächendeckendes Schulsystem und hohe Schulraten auch für Mädchen, eine (im afrikanischen Vergleich) funktionierende Basisversorgung für Kranke. Und: eine klare, investitionsfreundliche Wirtschaftspolitik.
Vieles davon wurde von der internationalen Gebergemeinschaft bezahlt. Diese kompensiert mit großzügigen Entwicklungsprogrammen für Ruanda ihr schlechtes Gewissen, nachdem sie während des Genozids 1994 das Land und seine Menschen schändlich im Stich gelassen hatte. Ohne diese Unterstützung von außen wäre Ruanda nicht da, wo es heute ist - und Präsident Kagame wohl auch nicht!
Der Preis dafür sind die Bürger- und Grundrechte. Kagame regiert mit eiserner Faust, Vertreter der Opposition nennt er Verräter - und er geht auch so mit ihnen um. Fakt ist, dass in den vergangenen Wochen der ehemalige Kagame-Vertraute Faustin Nyamwasa bei einem Attentat nur knapp dem Tod entging. Der Vizevorsitzende der Grünen Partei wurde brutal ermordet. Der Journalist Jean Leonard Rugambage wurde erschossen, nachdem seine Zeitung über Verwicklungen des Regimes in den Mord berichtet hatte. Die wohl stärkste mögliche Oppositionskandidatin Victoire Ingabire steht unter Hausarrest und ist angeklagt, der Prozess wird verschleppt - weshalb sie sich nicht zur Wahl stellen konnte.
Kagames Rhetorik speist sich aus seinem Selbstverständnis: es war die Ruandische Patriotische Armee, deren Kampftruppen er führte, die den Terror der Völkermörder an den Tutsi 1994 stoppte. Bis heute zeichnet Kagame eine tiefe militärische Disziplin aus. Wo es aus seiner Sicht nötig ist, nutzt er militärische Mittel, um seine Ziele durchzusetzen. Zuletzt als es um Politik und Bodenschätze im benachbarten Kongo ging. Das gilt auch für Konkurrenten im Land: Als sein früherer Mitstreiter Patrick Karegeya die Ruander aufforderte, den Diktator Kagame aus dem Amt zu treiben, reagierte der prompt: "Alle die, die Krieg wollen, werden Krieg bekommen und es bereuen!"
Es braucht in Afrika nicht viel, um eine soliden Einparteienstaat zu bauen. Das zeigt das Beispiel Ruanda. Und es gibt einen neuen Trend auf dem Kontinent: es entstehen Entwicklungsdiktaturen - Staaten, die eine entschlossene Entwicklungspolitik betreiben, die Bürgerrechte aber mit Füßen treten. Solche Tendenzen gibt es in Äthiopien - oder in Ruanda. Von den Gebern mit Geldern unterstützt, richten sich autoritäre Regime auf ihren Posten ein.
Das westliche Demokratiemodell sei auf Afrika nicht ohne weiteres übertragbar, hat Kagame einmal gesagt. Das mag sein - aber eine autoritäre Politik wie die seine wird vorsichtige Entwicklungsfortschritte und Wirtschaftserfolge schon bald umkehren - da genügt ein Blick in die afrikanische Nachbarschaft.
Kagame ist weder mit seiner Haltung noch mit seiner Politik in Afrika allein: er bleibt als politischer Partner unumgänglich - auch weil er für eine neue, entwicklungsorientierte Elite auf dem Kontinent steht. Ganz offensichtlich baut er darauf, dass die Gebergemeinschaft seinen autoritären Kurs weiter stützt. Warum auch sollte er daran zweifeln? Die europäischen Geber schauen nämlich kategorisch weg, wenn es um die Kehrseite der ruandischen Entwicklung geht - und entsandten auch keine EU-Beobachter zur Wahl. Das ist verlogen und verrät die Werte, für die unsere Entwicklungspolitik doch angeblich steht. Es ist Zeit für eine klare Haltung und ebensolche Worte gegenüber Kagame!
Autorin: Ute Schaeffer
Redaktion: Carolin Hebig