Entwicklung unter Druck
1. Juni 2017Hungerkatastrophen und Flüchtlingskrisen, Terror, Gewalt, Bürgerkriege, Aufstände: Viele deuten die aktuelle Weltlage als die schwerste humanitäre Krise seit 1945. In dieser Ausgangslage soll das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) mit seiner neuen Aufgabenplanung die globale Entwicklung voranbringen - hin zu einer nachhaltigeren, gerechteren und friedlicheren Welt. Der Entwurf für die Vorhaben 2018-2021 wird aktuell auf der UNDP-Jahresversammlung in New York behandelt.
Knapp fünf Milliarden Dollar hatte das UNDP im letzten Jahr für seine Arbeit - hauptsächlich finanziert durch freiwillige Beiträge der Mitgliedsstaaten. Wegen der Ankündigungen des US-Präsidenten Donald Trump, die Mittel für die internationale Entwicklungszusammenarbeit drastisch zu kürzen, sieht Stephane Dujarric, Pressesprecher von UN-Generalsekretärs Antonio Guterres, schwarz. "Die angekündigten Zahlen würde es den Vereinten Nationen unmöglich machen, ihre lebenswichtige Arbeit für Friedenssicherung, Entwicklung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe im bisherigen Umfang aufrecht zu halten", sagte er auf einer Pressekonferenz in New York.
No pay, No say
Die Etatkürzungen würden auch das UNDP, das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen als Koordinator der gesamten UN-Entwicklungsarbeit massiv treffen. Außerdem könnten die Kürzungen die Machtbalance innerhalb den Vereinten Nationen verrücken.
"In der Kürzung der Mittel liegt natürlich auch eine Chance in dem Sinne, dass andere Ansätze, anderes Denken, andere Vorgehensweisen als die amerikanischen gestärkt werden", sagt Kerstin Leitner, die nach 30 Jahren UN-Arbeit heute Politikwissenschaft an der Universität Potsdam unterrichtet. Sie ist Mitglied des Präsidiums der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen.
Die bisherige bilaterale Entwicklungszusammenarbeit der USA durch USAID sei ebenfalls von den Kürzungen des US-Etats massiv betroffen, so Leitner im DW-Gespräch. Das werde globale Auswirkungen auf den politischen Einfluss der USA haben. "Wenn die USA nicht aufpassen, dann finden sie sich in ein paar Jahren als Regionalmacht wieder."
Karten werden neu gemischt
Andere Länder könnten das Vakuum füllen. "Vieles wird davon abhängen, wie sich andere Mitgliedsländer verhalten - insbesondere natürlich die EU, China, Japan und einige der Schwellenländer in der Gruppe der 77", so Leitner.
Die OECD-Länder haben im vergangenen Jahr ihre Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit insgesamt erhöht. Ein Großteil der Erhöhung floss allerdings in die Flüchtlingshilfe. Die Erkenntnis, dass sich die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern verbessern müssen, um dauerhaft die Zahl der Flüchtlinge zu verringern, setzt sich insbesondere in der Europäischen Union durch. Das könnte auch zu Etaterhöhungen für die UN-Entwicklungsarbeit führen und damit eben auch die Arbeit der Institution stärken.
Softpower UNDP
Als Hauptorganisation in Entwicklungsfragen bei den Vereinten Nationen koordiniert das UNDP die Arbeit der Vereinten Nationen weltweit und hat in mehr als 170 Ländern regionale Büros, die vor Ort die unterschiedlichsten Projekte koordinieren, Organisationen miteinander vernetzen und Mittel für die Finanzierung der Projekte sicherstellen.
Als wenig sichtbare "Softpower" beschreibt Kerstin Leitner das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen. "Erfolge sind immer die Erfolge der Anderen", sagt die ehemalige UNDP-Mitarbeiterin, die sowohl in Benin, Malawi und China als auch im New Yorker Hauptsitz für das UNDP gearbeitet hat.
Dicht verzahnt mit dem UN Bevölkerungsfonds, UNFPA; dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, UNICEF und der Frauenorganisation UN-Women, soll die UNDP-Aufgabenplanung 2018-2021 Prioritäten für die konkrete Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele festlegen.
US-Präsident Trump hat bereits angekündigt, kein Geld mehr für den Bevölkerungsfonds UNFPA zahlen zu wollen. Bei den anderen US-Beiträgen soll die Devise "Amerika First" gelten: Nur was den USA direkt nutzt, soll auch bezuschusst werden.
Doch in den nachhaltigen Entwicklungszielen der Weltgemeinschaft ist der unmittelbare Nutzen für die USA nur schwer herzustellen. Unter dem Motto "Keinen zurücklassen" (engl. "Leaving no one behind") streben die sogenannten Sustainable Development Goals eine soziale- und umweltverträgliche Entwicklung für alle Menschen weltweit an.
Laut UNDP-Entwurf der Aufgabenplanung sind die Hauptziele der nächsten fünf Jahre Friedensförderung und Armutsbekämpfung. Das soll vor allem durch Krisen- und Konfliktprävention erreicht werden, aber auch durch die Stärkung von Frauen und anderen benachteiligten Bevölkerungsgruppen.
Deutscher übernimmt UNDP-Führung
Ab den 19. Juni wird der UNDP außerdem einen neuen Chef bekommen. Der Deutsch-Brasilianer Achim Steiner wird dann die Geschäfte von Helen Clark übernehmen. Als die Ernennung des deutschen Top-Diplomaten zu einem der ranghöchsten UN-Posten bekannt wurde, lobte der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel die Wahl. Steiner sei mit "seiner Erfahrung, seiner Leidenschaft für Entwicklung und seinem großen Engagement genau der Richtige".
Und Entwicklungsminister Gerd Müller wertete die Ernennung als Botschaft für die neue globale Verantwortung der Bundesrepublik. Der 55-jährige Steiner leitete von 2006 bis 2016 das UN-Umweltprogramm (UNEP) und kann somit auch auf seine bisherigen Erfahrungen im UN-System und in der Mittelbeschaffung zurückgreifen. Angesichts der weltweiten Krisen und den gleichzeitig angekündigten US-Kürzungen kommt auf Steiner eine Mammutaufgabe zu.