Energiekonzerne
23. Dezember 2011Manche Beobachter sprachen im Sommer dieses Jahres schon von einem Meilenstein, von einem neuen Zeitalter gar. Was war geschehen? Eigentlich nichts Besonderes. Zwei große Energiekonzerne, die deutsche RWE und die russische Gazprom hatten ein sogenanntes Memorandum of Understanding unterschrieben. RWE-Chef Jürgen Grossmann und Gazprom-Boss Alexej Miller hatten sich darauf verständigt, Gespräche zu führen über ein Joint Venture, ein gemeinsames Unternehmen. Es sollte in Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien Kraftwerke bauen und betreiben.
Seit Donnerstagabend (22.12.2011) sind diese Pläne begraben. Man habe "in gegenseitigem Einvernehmen" beschlossen, die Gespräche über eine solche Zusammenarbeit zu beenden, teilte RWE in einer Presseerklärung am Firmensitz in Essen mit. Die Gespräche seien "sehr konstruktiv" gewesen, erklärte Vorstandschef Großmann noch, doch hätte man sich eben nicht auf einen "für beide Seiten tragfähigen Rahmen" einigen können. Das lässt vermuten, dass es vor allem beim Pokern um den Preis des Brennstoffs, den Gazprom für die Kraftwerke liefern sollte, zu keiner Einigung kam.
Schlappe hier - Erfolg da
Dabei wäre ein solcher Deal für beide Seiten von großem Interesse gewesen: Gazprom, jetzt schon wichtigster Gaslieferant Deutschlands, versucht schon länger, in Westeuropa mehr Marktmacht zu erlangen. Und RWE, Deutschlands größter Stromproduzent, sucht nach der von der Regierung im Sommer beschlossenen Energiewende samt Atomausstieg nach einer neuen Strategie. Der Gazprom-Deal wäre da ein guter Baustein gewesen, jetzt ist er weggebrochen. Immerhin einen anderen Erfolg konnten die Essener stattdessen vermelden: Der Konzern konnte eine Kapitalerhöhung an der Börse abschließen, die mehr als zwei Milliarden Euro in die Firmenkasse spülte.
Auch der russische Riese Gazprom muss sich etwas Neues überlegen und legt eine erstaunliche Geschwindigkeit an den Tag. Das neue Ziel heißt jetzt Bayern. Der Freistaat im Süden Deutschlands benötigt durch den Atomausstieg dringend Investoren für neue Gaskraftwerke. Schon am zurückliegenden Mittwoch traf Alexej Miller in München den bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer. Auch hier wurde zunächst eine Absichtserklärung unterschrieben, bis Ende 2012 will Gazprom entscheiden, ob und wie man in Bayern investieren will.
Chinesen stechen Eon aus
Neu orientieren muss sich auch der Düsseldorfer Eon-Konzern. Deutschlands größtes Energieunternehmen hatte sich um einen Einstieg beim bislang staatlichen portugiesischen Stromriesen EDP bemüht. EDP ist einer der größten Energieversorger Europas mit einem geschätzten Marktwert von 8,5 Milliarden Euro und 12.000 Mitarbeitern. Das Unternehmen setzt zudem stark auf den Einsatz erneuerbarer Energien. Doch Eon zog im Bieterwettstreit den Kürzeren: Der Zuschlag ging an den Wasserkraftversorger Three Gorges aus China. Das Unternehmen betreibt eines der umstrittensten Großprojekte, nämlich den Drei-Schluchten-Damm am Jangtsekiang. Um EDP hatten sich auch zwei brasilianische Unternehmen bemüht. Eon beeilte sich mitzuteilen, man werde sich durch die Schlappe nicht von seinen Plänen abhalten lassen, die beschlossene neue Strategie umzusetzen, nämlich die Profitabilität des Unternehmens zu erhöhen und in neue Geschäftsfelder und Wachstumsmärkte zu investieren.
Autor: Henrik Böhme (mit dpa, afp)
Redaktion: Rolf Wenkel