Erdogan-Puppe löst diplomatischen Streit aus
13. Januar 2023Seit Monaten blockiert die Türkei den Beitritt Schwedens in dieNATO. Eine Protestaktion im Zentrum der schwedischen Hauptstadt sorgt jetzt für weitere Verzögerung. Die Aktion fand in der Nähe des Stockholmer Rathauses statt. Dort war eine Puppe an den Füßen aufgehängt worden, die dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ähnelte.
Organisiert worden war die Aktion offenbar von Aktivisten einer schwedischen Gruppierung, die sich selbst als "ein Netzwerk für Solidarität und Austausch mit der revolutionären Bewegung in ganz Kurdistan" bezeichnet. Sie wollten Erdogan damit in die Nähe des faschistischen italienischen Diktators Benito Mussolini stellen, dessen Leiche 1945 kopfüber in Mailand aufgehängt worden war.
Als Reaktion darauf bestellte die türkische Regierung den schwedischen Botschafter ein und strich einen für nächste Woche geplanten Besuch des schwedischen Parlamentspräsidenten Andreas Norlén in Ankara. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete, leitete die türkische Staatsanwaltschaft Ermittlungen ein, nachdem ein Anwalt Erdogans Strafanzeige eingereicht hatte.
In Stockholm äußerte man Verständnis für die türkische Reaktion. "Ich verstehe, dass man von türkischer Seite scharf darauf reagiert, was in Stockholm passiert ist. Ich selbst habe ein tiefes Unbehagen gefühlt", sagte Norlén dem Rundfunksender SVT.
Auch Ministerpräsident Ulf Kristersson verurteilte die Aktion. Es handle sich um einen "extrem ernsten" Vorfall, der der Sabotage des schwedischen NATO-Antrags gewidmet sei, sagte er im Morgenfernsehen des Senders TV4. Es sei noch zu früh, um zu sagen, ob das Ganze den NATO-Prozess beeinflussen werde - das Risiko bestehe jedoch.
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu stellte klar, man werde Schwedens "Erwartungen nicht nachkommen, solange so etwas vor sich geht". "Die PKK und YPG legen Schweden Minen auf den Weg zur NATO-Mitgliedschaft. Es liegt nun an Schweden, ob es diese Minen räumt oder wissentlich darauf tritt", führte Cavusoglu aus. Damit machte er Anhänger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und der syrischen Kurdenmiliz YPG, die Ankara als Ableger der PKK betrachtet, für den Vorfall verantwortlich.
"Abscheuliche" Darstellung
Schwedens Außenminister Tobias Billström hatte am Donnerstag auf Twitter geschrieben, die Darstellung eines hingerichteten gewählten Präsidenten vor dem Stockholmer Rathaus sei abscheulich. Die schwedische Regierung schütze eine offene Debatte über politische Entscheidungen, weise Drohungen und Hass gegen politische Vertreter aber entschieden zurück.
Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hatte Schweden im Mai 2022 gemeinsam mit Finnland die Aufnahme in die NATO beantragt. Der Prozess hängt fest wegen einer Blockade der Türkei. Sie wirft besonders Schweden unter anderem vor, nicht entschieden genug gegen Personen und Gruppierungen vorzugehen, die Ankara als "terroristisch" betrachtet. Gleiche Vorwürfe macht Ankara aber auch immer wieder etwa Deutschland oder Frankreich, die beide NATO-Partner sind.
uh/sti (dpa, rtr, afp)