Erdogan geht härter gegen soziale Medien vor
2. Juli 2020"Diese Kanäle, in denen es von Lügen, Beleidigungen, Angriffen auf das Persönlichkeitsrecht und Rufmorden wimmelt, müssen reguliert werden", sagte Recep Tayyip Erdogan in einer Videokonferenz mit Vertretern seiner islamisch-konservativen Regierungspartei AKP. "Verstehen Sie, warum wir gegen soziale Medien wie YouTube, Twitter und Netflix sind? Um die Unmoral zu beseitigen." "Wir wollen so etwas nicht, das passt nicht zu dieser Nation", fügte Erdogan hinzu. Er wolle so bald wie möglich einen Gesetzesentwurf ins Parlament einbringen lassen, damit "solche sozialen Medienkanäle vollständig aufgehoben und kontrolliert werden", erklärte der Präsident. Man werde zudem Zugangssperren sowie rechtliche und finanzielle Sanktionen einführen.
Finanzminister Berat Albayrak, der auch Erdogans Schwiegersohn ist, hatte am Dienstag getwittert, dass seine Frau Esra ihr viertes Kind zur Welt gebracht habe. Erdogan sagte, Zehntausende hätten diesen Beitrag positiv kommentiert. Doch einige wenige "Niederträchtige", die keine Moral und Menschlichkeit besäßen, hätten mit Beschimpfungen reagiert. Einige Nutzer hatten als Reaktion auf Albayraks Tweet angezweifelt, dass der Ehemann von Erdogans Tochter Esra wirklich der Vater des Neugeborenen sei.
Elf Verdächtige inhaftiert
Justiz und Polizei hätten sofort gehandelt, um die Verantwortlichen zu identifizieren, sie würden verfolgt und vor Gericht gestellt werden, sagte Erdogan. Nach Polizeiangaben wurden elf Verdächtige wegen "beleidigender Äußerungen" gegen Albayrak und seine Familie festgenommen. Kurz nach der Ankündigung Erdogans wurde der Hashtag "Rühr meine sozialen Medien nicht an" auf Türkisch ein Trend auf Twitter.
Basak Demirtas, die Frau des inhaftierten Oppositionspolitikers Selahattin Demirtas, und die Oppositionspolitikerin Canan Kaftancioglu solidarisierten sich via Twitter mit Esra Albayrak. Die beiden Frauen waren vor Kurzem selbst in den sozialen Medien beschimpft worden.
Die Regierung unter Erdogan hatte Twitter und YouTube bereits im Jahr 2014 blockiert, nachdem dort Tonaufnahmen veröffentlicht worden waren, welche die Verwicklung Erdogans und weiterer Regierungsmitglieder in einen Korruptionsskandal nahelegten. Erdogans Abneigung gegen die Online-Dienste geht aber auch auf die regierungskritischen Gezi-Proteste im Jahr 2013 zurück. Die Demonstranten hatten sich damals über Twitter und Facebook mobilisiert.
kle/mak (dpa, afp, ape)