Erdogan wird "Feind der Pressefreiheit"
2. November 2016In ihrer neuen Übersicht zu "Feinden der Pressefreiheit" listet "Reporter ohne Grenzen" (ROG) insgesamt 35 Staats- und Regierungschefs, Extremisten- und Verbrecher-Organisationen sowie Geheimdienste auf. Erstmals zählt auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan dazu. Er kontrolliere im Zuge des derzeitigen Ausnahmezustands einen Großteil der relevanten Nachrichtenmedien seines Landes. Außerdem seien in der Türkei mindestens 130 Journalisten im Gefängnis, mindestens 140 Medien seien geschlossen worden, teilte ROG anlässlich des UN-Welttages gegen Straflosigkeit für Verbrechen an Journalisten (2. November) mit.
ROG-Geschäftsführer Christian Mihr sagte der Deutschen Welle (DW), die Repressionswelle in der Türkei habe mittlerweile wirklich erschütternde Ausmaße angenommen. Das Land befinde sich "auf dem Weg in eine Diktatur". An die Bundesregierung richtete Mihr den Appell, klar Stellung zu beziehen. "Es reicht aus unserer Sicht nicht, so wie das (Regierungssprecher) Steffen Seibert getan hat, dass man die Lage in der Türkei 'mit Sorge' betrachtet. Die Zeiten der Sorge sind schon lange vorbei", betonte Mihr im DW-Interview.
Ebenfalls neu auf der Liste ...
... stehen unter anderen der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi, Thailands Junta-Chef Prayut Chan-o-cha und der burundische Präsident Pierre Nkurunziza. Erstmals führt ROG außerdem Saudi-Arabiens König Salman und Venezuelas Staatschef Nicolas Maduro, die Huthi-Rebellen im Jemen und die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) auf.
"Die vielen neuen Namen unter den Feinden der Pressefreiheit zeigen, dass Autokraten und Extremisten jeder Couleur immer noch sicher sein können, mit der Unterdrückung freier Medien straflos davonzukommen", so der Vorstandssprecher von "Reporter ohne Grenzen", Michael Rediske.
"Verfolgen, foltern, ermorden"
Auf der Liste finden sich auch viele langjährige "Feinde der Pressefreiheit". Dazu zählen für ROG zum Beispiel Eritreas Präsident Isaias Afewerki, Sudans Präsident Omar al-Baschir, der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping und Nordkoreas Diktator Kim Jong Un. Nach wie vor katastrophal sei die Situation für unabhängige Journalisten auch in Kuba, Singapur, Russland und Syrien. "Mancher Machthaber lässt seit Jahrzehnten ungestraft kritische Journalisten verfolgen, foltern oder ermorden", stellte Rediske ernüchtert fest. Seine dringende Forderung: Die Vereinten Nationen sollen einen Sonderbeauftragten für den Schutz von Journalisten einsetzen.
wa/se (ROG, dpa, epd, dw)