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Politik

Ist Erdogan ein Berliner?

Jülide Danisman
25. September 2018

Der bevorstehende Staatsbesuch des türkischen Präsidenten sorgt für Spannungen in der türkischen Community. Ein Besuch im Berliner Stadtteil Kreuzberg zeigt, wie stark die Polarisierung unter den Deutschtürken ist.

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Brandenburger Tor in türkischen Farben Symbolbild Asylsuchende aus der Türkei
Bild: picture-alliance/dpa/K.D.Gabbert

"Ich freue mich sehr, dass Erdogan kommt. Ich schätze unseren Staatspräsidenten sehr." Özlem Kalender arbeitet in einem Süßwarenladen in Berlin Kreuzberg und verleiht ihren Gefühlen über den anstehenden Besuch des türkischen Staatspräsidenten in Deutschland mit diesen Worten Ausdruck.

Özlem Kalender ist 30 Jahre alt und in Deutschland geboren. Erdogan sei "sehr nützlich" für die Türkei, findet sie. Jedes Jahr reise sie in die Türkei und sehe, wie die "neuen Straßen, Parks und Krankenhäuser das Land immer mehr modernisieren", erzählt sie. Kalender erwartet, dass Erdogan für die in Deutschland lebenden Türken "etwas tut". "Es gibt hier immer noch viele, die uns nicht akzeptieren. Er soll ihnen erzählen, was wir alles für Deutschland getan haben. Er soll zeigen, dass er hinter uns steht", so Kalender.

Özlem Kalender sagt Erdogan sei "sehr nützlich" für die Türkei
Anhängerin Erdogans: Özlem Kalender aus Berlin findet, der Präsident sei "sehr nützlich" für die TürkeiBild: DW/J. Danisman

Kalender wird den türkischen Präsidenten Erdogan während seines Deutschlandbesuches wohl nicht zu Gesicht bekommen. Denn bisher sind keine öffentlichen Ansprachen geplant. Dass könnte viele seiner Unterstützer enttäuschen. "Zu seinen früheren Reden konnte ich leider nicht gehen", sagt Özlem Kalender. "Aber ich würde ihn sehr gerne einmal sehen."

Freund oder Feind

Der anstehende Besuch ist derzeit das Haupt-Diskussionsthema der in Kreuzberg lebenden Türken. Eine Frau, die ihren Namen nicht nennen will, findet es "ganz normal", dass Erdogan als Staatspräsident Deutschland besucht. Seit 30 Jahren lebt die 42-jährige in Deutschland. "Ich unterstütze Erdogan nicht, aber ich bin auch nicht gegen ihn", sagt sie. Jedes Staatsoberhaupt habe Vor- und Nachteile. "Ich kritisiere den Druck, den Erdogan auf die Medien ausübt, und seine konservative Haltung. Aber seine aufrechte Haltung, mit der er sich der ganzen Welt entgegenstellt, gefällt mir", meint sie.

Deutschland Erdogan Anhänger in Köln
Anhänger des türkischen Präsident Erdogan im Juli 2016 bei einer Kundgebung in KölnBild: picture alliance/dpa/H. Kaiser

Dass in Deutschland viele türkische Staatsangehörige leben, die den türkischen Präsidenten Erdogan unterstützen, haben die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 24. Juni dieses Jahres gezeigt. 65 Prozent der 1,4 Millionen wahlberechtigten Türken in Deutschland stimmten dabei für Erdogan, knapp 56 Prozent für die regierende AKP. Nach Angaben des Instituts für Turkistik der Universität Duisburg-Essen machten die Stimmen der Türken in Deutschland insgesamt 2,5 Prozent der Stimmen der Wahlen in der Türkei aus.

Ein ganz normaler Besuch?

Die Polarisierung zwischen Erdogan-Anhängern und Gegnern spaltet auch die türkische Community in Deutschland. Der 35-jährige Adem Orta, der seit 19 Jahren in Deutschland lebt, weiß dies aus eigener Erfahrung. Orta arbeitet in einem Burger-Laden in Berlin-Kreuzberg und ist Erdogan-Gegner. Die Anhänger würden ihn als Feind betrachten, erzählt er.

Adem Orta
Hält nicht viel vom türkischen Präsidenten: Adem Orta aus Berlin-Kreuzberg Bild: DW/J. Danisman

Inci Öykü Yener Roderburg, Dozentin am Institut für Turkistik der Universität Duisburg-Essen, hält die Polarisierung hingegen für normal. Die Spaltung habe es schon immer gegeben, erzählt sie, doch jetzt zeige sie sich sehr deutlich. Sie trete auch deswegen ans Tageslicht, weil viele Leute heute offen sagen könnten, wen sie unterstützen, oder ob sie Alevite oder Kurde seien.

Präsidialsystem spaltet türkische Gesellschaft

Viele Einladungen, wenig Zusagen

Die Polarisierung lässt sich auch an den Zu- und Absagen zum Staatsbankett zu Ehren Erdogans bemessen. So schlug Hüseyin Mat, Vorsitzender der Alevitischen Gemeinde Deutschland, die offizielle Einladung aus. "Die Einladung von Herrn Steinmeier bedeutet uns sehr viel, aber an diesem Essen teilzunehmen, würde bedeuten, die Ungerechtigkeiten Erdogans zu akzeptieren und seine Taten zu legitimieren", erklärte Mat gegenüber der DW. Er finde es "nicht rechtens", ein Essen zu Ehren von Erdogan zu organisieren, obwohl es in der Türkei keine Fortschritte in Sachen Menschenrechten, Kurden und Aleviten gebe.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel scheint keine Zeit für ein Dinner mit Erdogan zu haben. Aus den Kreisen des Bundespräsidialamts hieß es am Montag, dass die Kanzlerin bei dem Staatsbankett nicht dabei sein werde. Zuvor hatten mehrere Politiker der Opposition ihre Teilnahme aus Protest gegen die Politik Erdogans abgesagt.