Erfolge für Afrika
7. Juni 2013Afrika ist vorn dabei: Von den 20 Ländern, die 2012 im Hinblick auf die Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) den größten Fortschritt vorweisen konnten, waren 15 afrikanische Staaten. Vor allem Burkina Faso, Mosambik und Namibia haben sich nach einem Bericht von Afrikanischer Union (AU), Vereinten Nationen (UN) und Afrikanischer Entwicklungsbank (AfEB) stark entwickelt. Im Durchschnitt werde ganz Afrika bis 2015 vier der acht MDGs erreichen - zum Beispiel die allgemeine Grundschulbildung aller Kinder zu sichern, die Rolle der Frau zu stärken sowie HIV und AIDS, Tuberkulose, Malaria und andere Krankheiten zu bekämpfen.
"Wenn man allein den Fortschritt misst, muss man sagen, dass Afrika sich nach ganz vorne an die Spitze gearbeitet hat", sagt Lena Giesbert vom GIGA Institut für Afrika-Studien in Hamburg. Das bedeute aber nicht, dass auch alle Ziele erreicht werden. Der Kontinent sei im globalen Vergleich aus einer enorm schlechten Ausgangsposition heraus gestartet. Gerade deshalb seien die Fortschritte "positiv überraschend", so Giesbert. Ruanda habe sich besonders gut entwickelt, sagt Ayodele Odusola, Berater des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP). Das Land habe sich vor allem sehr um die Gleichstellung der Frau bemüht. "Ruanda hat mit 56 Prozent weltweit den höchsten Anteil von Frauen im Nationalparlament", sagt Odusola, der am Report mitgearbeitet hat. Das Land hatte in seiner Verfassung 2003 eine Frauenquote von mindestens 30 Prozent für das Parlament eingeführt.
Mehr Kinder in Grundschulen
Einige der Ziele ergänzen sich gegenseitig. Zum Beispiel kann die Position der Frau auch dadurch verbessert werden, dass junge Mädchen die Schule besuchen. Gerade im Bereich der Grundschulbildung können die afrikanischen Staaten Erfolge verbuchen. Die meisten Länder haben es laut dem Bericht geschafft, dass über 90 Prozent der Kinder in die Schule gehen. Im Vergleich zu 1990 habe zum Beispiel Niger seine Einschulungszahlen verdoppelt, lobt Odusola.
Wichtig sei, dass die Kinder im richtigen Alter in die Schule kämen, den Unterricht regelmäßig besuchten und auch ihren Abschluss machten, erklärt Susan Karuti, die als regionale Bildungsberaterin für das MDG Center der Forschungseinrichtung "Columbia Global Centers" in Kenias Hauptstadt Nairobi arbeitet. "Wir schicken Bildungsarbeiter von Tür zu Tür und in Gemeindeversammlungen", erzählt sie. “Die Idee dahinter ist, Menschen zu haben, die diese Familien verstehen und die auch die speziellen Bedürfnisse der Gemeinden kennen." Darüber hinaus gebe es Anreize wie warme Mahlzeiten in den Schulen, die die Eltern überzeugen könnten, ihre Kinder zum Unterricht zu schicken.
Die Organisation arbeitet auch daran, Mädchen länger in den Schulen zu halten. Aus verschiedenen Gründen erschienen diese nämlich oft nicht zum Unterricht, so Karuti - wenn sie zum Beispiel früh verheiratet werden oder wenn sie ihre Periode bekommen, ihnen aber die nötigen Hygieneartikel fehlen. "Da versuchen wir gegenzusteuern, indem wir die entsprechenden Hilfsmittel zur Verfügung stellen", sagt Karuti. Langfristig gehe es aber auch darum, die Qualität des Unterrichts zu erhöhen: "Wir haben eine herausragende Steigerung der Schülerzahlen erreicht, jetzt geht es darum zu schauen, wie wir die Fähigkeiten im Rechnen und Lesen verbessern."
Erfolg im Kampf gegen Krankheiten
Einen weiteren Erfolg bescheinigt der Bericht dem Kontinent im Kampf gegen HIV/AIDS, Tuberkulose und Malaria: Mit Insektizid imprägnierte Moskitonetze über den Betten helfen, Malariaerkrankungen vorzubeugen; ein besserer Zugang zu antiretroviralen Medikamenten, die das HI-Virus unterdrücken, verbessert die Überlebenschancen von Infizierten. Besonders viel sei getan worden, um die Übertragung des Virus von der Mutter auf ihr ungeborenes Kind zu verhindern, berichtet Maureen Adudans, regionale HIV/AIDS-Beraterin des MDG Centers in Nairobi. Trotzdem gebe es noch viel zu tun. "Wir müssen uns vor Augen führen, dass die Zahl der Menschen, die von dieser Krankheit betroffen sind, in Afrika immer noch sehr hoch ist", sagt sie der DW.
Frauen seien immer noch proportional stärker von HIV und AIDS betroffen als Männer; sie erkrankten häufiger. "Wir sind leider immer noch nicht da, wo wir sein wollen, was die Stärkung von Frauen betrifft; auch was ihren Zugang zu Gesundheitsangeboten angeht." Meistens seien es die Männer, die in einer Beziehung über Verhütung und Schutz vor Krankheiten entscheiden.
Viele Ziele bleiben unerreicht
Zu den Entwicklungszielen, die Afrika laut dem Bericht nicht erreichen wird, gehört zum Beispiel die Vorgabe, extreme Armut und Hunger bis 2015 zu halbieren. Im Jahr 2010 lebten 48,5 Prozent der Menschen südlich der Sahara unter der extremen Armutsgrenze von 1,25 US-Dollar (0,96 Euro) pro Tag. 1990 waren es 56,5 Prozent. Hier müsse man aber zwischen den einzelnen Ländern unterscheiden, sagt Lena Giesbert vom GIGA-Institut. "Länder wie Ghana, Uganda, Äthiopien oder Ruanda haben ein Wirtschaftswachstum erreicht, das sich nicht hauptsächlich aus dem Ressourcensektor speist." Andere Länder stünden da ganz anders da. "Sehr wenig Wachstum und auch wenig Armutsreduzierung ist in der Sahelzone und in Ländern wie dem Niger, dem Tschad, Mali oder Burkina Faso zu beobachten", so Giesbert.
Zumindest kann Afrika bei Zielen, die es nicht erreicht, Teilerfolge vorweisen. Der Kontinent hat laut dem Bericht insgesamt die Rate der Müttersterblichkeit um 42 Prozent gesenkt. Die MDGs schreiben allerdings 75 Prozent vor. UNDP-Mitarbeiter Odunsola berichtet von Programmen, die die Gesundheit von Müttern und Kindern verbessern sollen. Ein Projekt in Nigerias Bundesstaat Ondo stattet schwangere Frauen mit einem Mobiltelefon aus, damit sie Krankenschwestern und Ärzte rund um die Uhr erreichen können. Und Mosambik lässt werdende Mütter kurz vor der Entbindung in die Nähe von Krankenhäusern umziehen. "Damit haben sie Zugang zu Medikamenten, Behandlung und Versorgung - und zwar umsonst", erklärt Odusola.
Für die Zeit nach 2015 hat Odusola bereits neue Ziele für Afrika identifiziert. Der Kontinent müsse dann verstärkt gegen die verschiedenen Arten von Ungleichheit ankämpfen, die zum Beispiel beim Einkommen, zwischen Männern und Frauen oder zwischen ländlichen Gegenden und Städten bestehen. Ähnlich sieht es auch Afrika-Expertin Giesbert. Afrika sei auf dem richtigen Weg, sagt sie. "Man sollte die Entwicklungsziele weniger als ein 2015 zu erreichendes Endziel betrachten, sondern eher als Etappenziel."