Erkundungstour durch Vietnams Süden
4. Mai 2018Es scheint auf den ersten Blick unmöglich, auch nur einen Schritt in Saigon zu gehen. Motorroller kommen aus allen Richtungen, fahren auf Straßen und Gehwegen - der Verkehr stoppt nie. Um doch über die Straße zu kommen, unterdrücke ich meine natürlichen Instinkte und zwinge mich einfach zu gehen.
Schauplatz Saigon
Trotz erschwerter Bedingungen lässt sich Saigon - oder Ho-Chi-Minh-City, wie die Stadt seit 1975 offiziell heißt - gut zu Fuß erkunden. Viele Sehenswürdigkeiten finden sich im ersten District: der Ben Thanh Markt, die Party-Straße Bui Vien und das gelbe Postamt aus der französischen Kolonialzeit. Auch das große War Remnants Museum, das das Grauen des Vietnamkriegs zeigt: Bilder von Massenhinrichtungen oder misshandelten Kindern muss der Besucher hier aushalten.
Der Einblick in die Kriegszeit ist interessant, aber beklemmend. Um danach wieder auf andere Gedanken zu kommen, gönne ich mir eine frische Pho-Suppe. Das vietnamesische Nationalgericht - eine klare Brühe mit Reisnudeln, dünnen Rindfleischscheiben und frischen Kräutern - gibt es an jeder Ecke. Es lässt sich wunderbar mit einem Saigon Special, dem lokalen Bier, kombinieren.
Einmal Vietcong-Kämpfer sein
"Wir tragen den Amerikanern nichts mehr nach", sagt Phat, unser Tourguide, als wir im Minivan sitzen. Mein Reisepartner und ich haben uns für eine Tour zu einem weiteren Schauplatz des Vietnamkrieges entschieden: Die Cu Chi Tunnel, die der Vietcong strategisch gegen die Amerikaner im Süden genutzt hat.
In den Cu Chi Tunneln hielten sich während des Vietnamkriegs von 1960 bis 1975 kommunistische Partisanen versteckt. Heute sind die Tunnel eine Touristenattraktion. Eine Reisegruppe reiht sich an die nächste, in den verschiedensten Sprachen werden die Abwehrsysteme und ausgeklügelten Fallen erklärt. Wer in die engen Tunnel hinabsteigen will, muss sich hinten anstellen und warten.
Wir krabbeln durch die niedrigen Tunnel, gucken Propaganda-Filme in Schwarz-Weiß und dürfen am Ende noch auf einer Schießanlage mit einer Kalaschnikow auf Büsche schießen. Und auch wenn wir alles andere als Waffennarren sind: Spaß gemacht hat es schon. Der Tagesausflug wird mit einem Schlangenblut-Schnaps beschlossen, bevor es wieder nach Saigon geht.
Eintauchen ins Mekong-Delta
Um die Menschenmassen, die von Saigon zum schwimmenden Markt nach My Tho unterwegs sind, zu umgehen, fahren wir nach Ben Tre, einem kleineren Ort, der auf der Karte nur ein Stück weiter südlich liegt. Aus unserem Bus heraus sehen wir zum ersten Mal Reisfelder, Plantagen und die breiten grün-braunen Ausläufer des Mekong.
Etwa zweieinhalb Stunden später werden wir im Hotel - wenige, einfache Zimmer, draußen ein kleiner Pool, Hängematten, in denen Backpacker ihre zerknitterten Reiseführer lesen - freundlich empfangen und nach unseren Plänen gefragt. Eine Bootstour auf dem Mekong. Kein Problem, am nächsten Morgen wird man uns abholen. Unkompliziert.
Beim Abendspaziergang nehmen wir etwas wahr, das nach vier Tagen Saigon fast unwirklich scheint: Stille. Am Ufer glitzert das Wasser, irgendwo in der Ferne bellt ein Hund. Als wir an einigen Restaurants vorbeikommen, starrt man uns an, einige Menschen winken. Wir sehen uns um und tatsächlich: Wir sind die einzigen Touristen weit und breit.
Bootstour mit Hao
Ein Mann in schwarzer Anzughose und weißem Oberhemd hilft uns beim Einstieg in das Boot. Wir sitzen auf zwei Plastikstühlen, zwischen uns nur der Bootsführer. Er heißt Hao. Auf einem weiteren Stuhl frisches Obst, das uns die Hotelbesitzerin mitgegeben hat. Das Wasser, die vorbeischippernden Boote, Frauen, die am Ufer ihre Wäsche waschen, Fischer, die ihre Netze auswerfen - es gibt viel zu beobachten. Hao erzählt von der wirtschaftlichen und kulturellen Bedeutung des Mekong-Deltas. Und auch wenn wir nur knapp die Hälfte des Gesagten verstehen - Hao hat wie viele Vietnamesen einen starken Akzent - sind wir beeindruckt.
Mit Hao besichtigen wir eine Kokosnussplantage und eine Weberei für Bambusmatten, bevor wir in einem kleinen Restaurant ein Mittagsmenü aus frischen Sommerrollen, Fisch, Huhn und Omelette genießen dürfen.
Can Tho und die schwimmenden Märkte
Am nächsten Morgen begeben wir uns tiefer ins Delta, in die viertgrößte Stadt Vietnams: Can Tho. Mit einem Banh Mi - ein Baguette mit Schweinefleisch, Koriander, Gemüse und Mayonnaise - und einem vietnamesischen Iced Coffee laufen wir durch die Straßen in Richtung Ninh Kieu Pier. Es dauert nicht lange, bis uns eine Frau mit Bauchtasche anspricht und eine Bootstour zum schwimmenden Markt in Cai Rang verkauft. Wir machen eine Anzahlung und kriegen einen kleinen Zettel in die Hand gedrückt.
Gegen 5 Uhr morgens steigen wir ins Boot und werden zum Markt gefahren, der etwa sechs Kilometer von der Stadt entfernt ist. Der Himmel wird langsam heller, die Fledermäuse unter den Brücken wachen mit schrillen Geschrei gerade auf. Auch der Markt erwacht langsam zum Leben. Einige Boote scheinen unter Bergen von Ananas oder Wassermelonen, die sie geladen haben, fast unterzugehen.
Phu Quoc – immer noch ein Paradies?
Eine Busfahrt und eine schaukelige Fährenüberfahrt später erreichen wir den Ort, der lange Zeit als paradiesisch angepriesen wurde: die Insel Phu Quoc. Den Urlaub mit ein paar Tagen Entspannung beenden, das ist der Plan. Unser Resort ist wie aus dem Ei gepellt: schöne Poollandschaften, ein Privatstrand mit Bar und Restaurant, ein großes Spa-Angebot. In den letzten Jahren hat sich viel auf Phu Quoc getan: 2012 eröffnete der Flughafen, 2015 machte ein riesiger Entertainment- und Wasserpark auf, 2016 folgte ein gigantischer Zoo mit Safari-Touren. Es wird ein Ressort neben dem anderen gebaut.
Die Zeiten von unberührten weißen Stränden und idyllischer Ruhe scheinen für Phu Quoc vorbei zu sein. Hier wird ganz offensichtlich sehr viel Geld investiert, um immer mehr Urlauber anzulocken. Trotzdem schaffen wir es, einige entspannte Tage am Strand und am Pool zu verbringen, essen fantastisches Seafood und besuchen am Ende sogar den Safari-Park.