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GlobalisierungNiederlande

Aquaponik: Landwirtschaft der Zukunft?

Tim Schauenberg
14. August 2021

Gemüse und Fisch auf engstem Raum in einem (fast) perfekten Kreislauf produzieren - ohne Dünger und Pestizide? Ist das die Zukunft der Lebensmittelproduktion?

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Tim Elfring steht im Gewächshaus und hält zwei Salatköpfe in den Händen
Gründer Tim Efring sieht in Aquaponik-Systemen die ZukunftBild: Tim Schauenberg/DW

Aus Fisch wird frisches Gemüse

Wie ein lila schimmerndes Raumschiff steht das leuchtende Gewächshaus inmitten einer alten Milchfabrik im Gewerbegebiet von Eindhoven in den Niederlanden. Fliegen kann es nicht - geht es allerdings nach den Gründern des Start-Ups Phood Farm, dann hebt ihr Geschäft bald ab. Sie hoffen, dass hier die Zukunft unserer Landwirtschaft heranwächst. 

Die Methode, mit der die fünf jungen Gründer hier auf einer Fläche kleiner als ein Tennisplatz bis zu 200 Kilo Salat pro Woche anbauen, nennt sich Aquaponik: eine Kombination aus Aquakultur - also Fischzucht - und Hydroponik - Gemüseanbau ohne Erde. Die beiden Systeme bilden einen enorm ressourceneffizienten Wasser- und Nährstoffkreislauf.

Lila leuchtendes Gewächshaus in einer dunklen Halle
In einer alten Milchfabrik im niederländischen Eindhoven baut Phood Farm heute Gemüse anBild: Phood farm

Landwirtschaft erschöpft unsere Ressourcen 

Monokulturen und der exzessive Gebrauch von Dünger und Pestiziden schaden unseren Böden, ganzen Ökosystemen und der Artenvielfalt. Weltweit ist der Anbau unserer Lebensmittel für rund ein Fünftel aller Treibhausgasemissionen verantwortlich - der Transport ist dabei noch nicht inbegriffen. Etwa die Hälfte der Weltbevölkerung hat für mindestens einen Monat im Jahr mit ernsthafter Wasserknappheit zu kämpfen. Gleichzeitig wird 70 Prozent des weltweiten Trinkwassers für die Landwirtschaft genutzt.

Phood Farm hofft, mit Aquaponik zur Lösung dieser Probleme beitragen zu können: Die Produktion hier verbraucht 90 Prozent weniger Wasser als konventionelle Landwirtschaft.

Wie funktioniert dieses Kreislauf-System?

Im Treibhaus geht Wasser nur verloren, wenn es verdampft oder von den Pflanzen aufgenommen werde, so Tim Elfring, Mitgründer von Phood Farm. Und das funktioniert so: Nachdem die Samen zu Stecklingen gezogen wurden, werden sie mit den Wurzeln nach unten auf eine im Wasser schwimmende Styroporplatte gesteckt. Dort wachsen sie fünf bis sechs Wochen, bis der Salat reif für die Ernte ist. 

Salatköpfe auf einem Styroporschiffchen
Diese Salatköpfe werden an einen Sternekoch in Eindhoven geliefertBild: Phood farm

Das Geheimnis der Anlage schwimmt dabei im wahrsten Sinne des Wortes im Wasser.

Vor den Pflanzenbecken stehen zwei große Pools, in denen 180 Koi-Karpfen schwimmen. Ihre Exkremente werden in ein Becken gepumpt, in denen natürliche Bakterien aus Luft, Erde und Wasser das potenziell giftige Ammoniak aus der Fischgülle in Nitrat umwandeln - ein Stoff, den die Pflanzen für ihr Wachstum brauchen.

Die Pflanzen reinigen das Wasser und das saubere Wasser wird wieder zurück in den Fischteich gepumpt.

"Mit zehn Litern Wasser lassen sich in einem herkömmlichen System mit einem geschlossenen Wasserkreislauf etwa 2,5 Gramm Fisch produzieren. In einem voll ausgestatteten Aquaponik-System kann man heutzutage bis zu 100 Gramm Fisch und obendrauf noch 500 Gramm Tomaten herstellen", sagt Werner Kloas, Wissenschaftler am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB).

Einer der Fischtanks
Exkremente der Fische sind Dünger für die Pflanzen, die das Wasser reinigenBild: Tim Schauenberg/DW

Tomaten, Auberginen, Salate, verschiedenste Kräuter und Gemüse lassen sich so anbauen. Theoretisch wäre es sogar möglich, Getreide und Mais in den Becken zu pflanzen. Jedoch wären die Investitionen dafür so groß, dass sich der Anbau nicht lohnt. 

Mehrjährige Pflanzen und Früchte, wie Äpfel oder Orangen, die an Bäumen hängen, wachsen nicht in Aquaponik-Systemen. Was hier aber wächst, braucht gar keinen oder kaum Dünger, abhängig von den Fischen und den Pflanzen. "Wir haben die Fische, sie liefern alle Nährstoffe", so Tim Elfring. Weil das System nach außen hin geschlossen und extrem kontrolliert werde, braucht Phood Farm nach eigenen Angaben auch keine Pestizide. 

Gefrorene Fische in Einkaufswagen
Mit Fischzucht gegen Überfischung - eine der größten Bedrohungen für marine ÖkosystemeBild: picture-alliance/dpa

Mit Aquaponik gegen Überfischung?

Anders als in anderen Aquaponik-Systemen werden bei Phood Farm Koi-Karpfen für Sammler gezüchtet. Elfring und seine Partner überlegen, bald auf Speisefische umzusteigen, denn darin liegt das große Potenzial des Kreislaufsystems. 

Überfischung ist eins der größten Probleme für marine Ökosysteme. Wildfang mit Fisch aus Aquakultur zu ersetzen könnte eine Lösung dafür sein, aber die Ausscheidungen der Fische belasten die umliegenden Ökosysteme enorm. Die Zucht fleischfressender Arten, wie Lachs, fördert deshalb paradoxerweise sogar die Überfischung. Etwa zwanzig Prozent des weltweit gefangen Fischs landet laut Umweltorganisation WWF in Fischfutter für Aquakulturen. Arten zu züchten, die sich hauptsächlich von Pflanzen ernähren können - zum Beispiel Tilapia oder Karpfen - ist deshalb entscheidend für die Nachhaltigkeit von Aquakultur und Aquaponik.

Ein Mann wirft Futter in ein Fischbecken
Für nachhaltige Aquakulur sollten Arten gezüchtet werden, die sich vor allem von Pflanzen ernähren könnenBild: picture-alliance/dpa

Ressourcensparende Selbstversorgung 

Laut Abdus Salam, Wissenschaftler an der Bangladesh Agricultural University, können auch kleinere Systeme gerade in Entwicklungsländern in Afrika, Asien oder Lateinamerika sinnvoll sein. Dort sind die Ressourcen knapp; der Klimawandel verschlimmert die Situation von Jahr zu Jahr. Salam behauptet, mit einer rund zehn Quadratmeter großen offenen Anlage auf dem Dach können Menschen in Bangladesch "über das Jahr 70 Prozent ihres Gemüsebedarfs decken." Mit rund 100 US-Dollar könnten Menschen in seinem Land vier mal im Jahr rund 40 Kilogramm Gemüse und jährlich sieben Kilogramm Tilapia-Fisch ernten. Ob in der Stadt auf einem Hausdach oder auf dem Land spielt für den Anbau keine Rolle.

Aquaponikfarm auf Dach in Bangladesh
Salam baut auf seinem Dach Tilapia und verschiedenste Gemüsesorten anBild: Abdus Salam
Reife Tomaten hängen an Pflanzen, die in blauen Eimern stecken
Erntereife Tomaten auf Salams HausdachBild: Abdus Salam

Wie profitabel ist das ganze System wirklich?

Ob Aquaponik-Systeme im großen Maßstab profitabel sind, hängt enorm vom Design der Anlage, von der geografischen Lage und dem lokalen Lebensmittelmarkt ab. Energie für künstliche Beleuchtung, für Strom, Belüftung und Wasserpumpen sind die wichtigsten Kostenpunkte, vor allem beim Anbau in Indoor-Gewächshäusern ohne natürliches Licht. Die Stromversorgung mit erneuerbaren Energien und der Anbau in energieeffizienten Gewächshäusern sind deshalb enorm wichtig für Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit. Mit 600 Millionen US-Dollar ist der Markt noch relativ klein.  

Werner Kloas sieht in Aquaponik dennoch die Zukunft. Gerade vor dem Hintergrund, dass durch den Bevölkerungswachstum in den kommenden Jahren immer mehr Lebensmittel produziert werden müssen und die Ressourcen knapp sind. "Ich denke, für die Ernährungssicherheit, für uns alle brauchen wir große Anlagen", so IGB-Forscher Kloas. 

Wie das gehen kann, zeigt das niederländische Unternehmen Omegabaars. Die Fischfarm hat einen gemeinsamen Wasser- und Nährstoffkreislauf mit einer benachbarten Tomatenplantage aufgebaut.

"Das ist meine Vision für die nächsten fünf bis zehn Jahre, dass wir keine Systeme mehr haben, die nur den einen oder den anderen Teil produzieren, nur Fisch oder Pflanzen, sondern Kombinationssysteme ", so Kloas weiter.

Die Preise von Phood Farm in Eindhoven können heute schon mit den lokalen Preisen konkurrieren. Zwar macht das junge Unternehmen noch keine großen Gewinne, das soll sich aber in den nächsten Monaten ändern. Eine größere Anlage mitten in der Stadt ist bereits in der Planung. Bis dahin bleibt ihr Aquaponik-Raumschiff noch auf dem Boden, den Antrieb hat es aber bereits gestartet.

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