1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Fernbusmarkt

Christian Ebner (dpa)19. September 2014

Auf dem noch jungen deutschen Fernbusmarkt herrscht zur Freude des sparsamen Kunden ein harter Wettbewerb. Das erste Unternehmen gibt auf. Auch die Bahn spürt den Preisdruck.

https://p.dw.com/p/1DFX0
Roderick Donker van Heel vom National Express (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/Roland Holschneider

2,5 Millionen Euro Verlust pro Jahr waren dann offenbar doch zu viel: Mit dem Frankfurter Unternehmen city2city gibt der erste größere Anbieter von Fernbusreisen Mitte Oktober sein Geschäft auf. Die Begründung: Auf dem deutschen Markt lasse sich wegen der anhaltend niedrigen Preise auf Sicht kein Geld verdienen. "Wir gehen davon aus, dass wir das erste, aber sicherlich nicht das letzte Unternehmen sind, das den Betrieb einstellen wird", verabschiedete sich city2city ein wenig unfein aus dem deutschen Markt, an dem es zuletzt als Nummer sechs noch etwa drei Prozent hielt.

Dass es ausgerechnet die deutsche Tochter des europäischen Branchenriesen National als erste erwischen würde, war im Geburtsjahr des deutschen Fernbusmarktes 2013 nicht zu erwarten gewesen. Schließlich vermutete man bei dem britisch-spanischen Verkehrskonzern entsprechendes Knowhow und ausreichend Kapital, um es mit dem bis dahin größten nationalen Anbieter, der Deutschen Bahn AG, und einigen eher studentisch anmutenden Startups wie MeinFernbus, DeinBus oder Flixbus aufnehmen zu können. Spät kam aber auch noch das ebenfalls kapitalstarke Duo ADAC und Deutsche Post dazu.

Zeitvorteil der Bahn schmilzt

In dem vor nicht einmal zwei Jahren geöffneten Markt bekämpfen sich die Anbieter, die in der Regel ihre Verbindungen von regionalen Busfirmen als Subunternehmen fahren lassen, mit Kampfpreisen und ständig weiter ausgefeilten Netzen. Inzwischen sind Fahrten in das benachbarte Ausland und Nachtbusse en vogue, zumal hier der Zeitvorteil der Bahnverbindungen schmilzt.

Marktführer mit einem Anteil von 45 Prozent ist nach Erhebungen des Beratungsunternehmen Iges die Berliner MeinFernbus GmbH mit einem Anteil von 45 Prozent. «Wir können demnächst unseren 7-millionsten Fahrgast begrüßen und erreichen unsere selbstgesteckten Ziele sehr gut», sagt MeinFernbus-Sprecher Florian Rabe selbstbewusst.

Kaum Gewinne

Schweigsam wird das Unternehmen, wenn nach dem Zeitpunkt gefragt wird, an dem erstmals Gewinne fließen. Gerade noch 4 Cent zahlte im September ein Branchenkunde pro Kilometer im Schnitt, wenn er eines der günstigen Aktionstickets erwischt hat, berichtet Iges-Experte Christoph Gipp. Der durchschnittliche Normalpreis sei in der Zweijahresfrist um 2 auf rund 9 Cent gefallen. Nur auf einzelnen, möglichst von einem Unternehmen allein angebotenen Destinationen und auf Flughafenanbindungen lassen sich höhere Preise durchsetzen.

Es war Bahnchef Rüdiger Grube, der unlängst mutmaßte, dass keiner mit den billigen Buslinien Geld verdiene, was wohl auch die Bus-Töchter seines eigenen Konzerns einschloss. Da nicht wenige Fernbuskunden vorher auch mit der Bahn gefahren sind, setzen die niedrigen Preise auch den Schienenverkehrsanbieter im Staatsbesitz unter Druck.

Wettbewerb wird härter

Statt bislang regelmäßiger Preiserhöhungen wie in den vorangegangenen Jahren sollen nun die allermeisten Bahnkunden nichts mehr von höheren Preisen spüren, hat Grube via "Bild-Zeitung" versprochen. In einen Preiskampf mit den Bussen will sich die Bahn nicht einlassen und hätte dafür auch schlechte Karten. Nach einer Studie des Fernbusportals Fahrtenfuchs zahlen die Gäste für eine Fahrt im Fernbus durchschnittlich fünf Euro pro 100 Kilometer, bei der Bahn liegt der Preis für 100 Kilometer zwischen 13 Euro und 25 Euro.

"Keine Pleitewelle"

Vor city2city haben bereits kleinere Busunternehmen ihren eigenen Fernlinienbetrieb eingestellt oder ihn in eine Kooperation mit einem der nationalen Anbieter eingebracht, berichten Gipp und der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (BDO) übereinstimmend. Beispiele gibt es aus Schleswig-Holstein ebenso wie aus dem fränkischen Hof oder der deutsch-französischen Grenzregion.

Von einer Krise will BDO-Vertreter Matthias Schröter aber keinesfalls reden. Die Stimmung der Branche habe sich mit dem Fernbus-Boom aufgehellt, die Unternehmen müssten aber derzeit hohe Investitionen schultern. "Es gibt keine Pleitewelle", versichert Schröter.

Gewerkschaft alarmiert

Zur tatsächlichen Nutzung der Fernbusse fehlen bislang verlässliche Zahlen, weil die neuen Unternehmen sämtlich noch nicht an das Statistische Bundesamt berichten mussten. Es gibt aktuell 255 Linien mit mehr als 7500 Fahrten in der Woche. Der Verband BDO war für 2013 von neun Millionen "Beförderungsfällen" ausgegangen und erwartet für dieses Jahr eine Steigerung in unbekannter Höhe. Gipp legt sich zumindest darauf fest, dass es über zehn Millionen sein werden. Zum Vergleich: Den Fernverkehr der Bahn nutzten vergangenen Jahres 131 Millionen Passagiere.

Für die Gewerkschaft Verdi stehen mit den Fahrern der Subunternehmer bereits die ersten Verlierer des scharfen Wettbewerbs fest. Sie stünden unter einem zu großen Druck seitens ihrer Unternehmen, sagt das für Verkehrsfragen zuständige Verdi-Vorstandsmitglied Christine Behle. Sie weist auf die zahlreichen Verstöße gegen Lenk- und Ruhezeiten hin, die jüngst bei Polizeikontrollen in Hannover zu Tage kamen. "Der Wildwuchs muss durch die Einführung eines Qualitätssiegels für Fernbusfahrten beseitigt werden."