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Erstmals Katholikin an Regierungsspitze von Nordirland

3. Februar 2024

Die zweijährige politische Blockade in Nordirland ist vorbei: Die britische Provinz hat wieder eine Regierung. Erstmals wird sie von einer katholischen Politikerin geführt.

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Nordirland Belfast 2024 | Michelle O'Neill zur Regierungschefin gewählt
Michelle O'Neill spricht nach ihrer Wahl zur Regierungschefin erstmals im ParlamentBild: Liam McBurney/AP/picture alliance

Das Regionalparlament in Belfast wählte die 47-jährige Michelle O'Neill von der Partei Sinn Fein zur "First Minister". Die 47-Jährige ist erste Katholikin in dem Amt in der 103-jährigen Geschichte des britischen Landesteils. Zuvor hatte die pro-britische Partei DUP ihre Blockade des Parlaments in Nordirland aufgegeben.

Nach ihrer Wahl kündigte O'Neill eine "neue Ära" für die Region an. "Dies ist ein Parlament für alle - Katholiken, Protestanten und Andersdenkende", sagte sie in ihrer ersten Rede. "Trotz unserer unterschiedlichen Ansichten über die künftige Verfassungslage verlangt die Öffentlichkeit zu Recht, dass wir Ergebnisse liefern und zusammenarbeiten." Angesichts der Tatsache, dass O'Neill das frühere Bürgerkriegsgebiet gerne mit dem EU-Mitglied Irland vereinigen würde, sprach der irische Fernsehsender RTÉ von einem politischen Erdbeben.

Nordirland Belfast 2024 | Michelle O'Neill zur Regierungschefin gewählt
Journalisten und Besucher verfolgen die Rede von Michelle O'Neill im ParlamentBild: Suzanne Plunkett/REUTERS

Mit der Wahl zur Chefin der Regionalregierung endet die politische Krise in Nordirland - auf den Tag genau zwei Jahre nach dem Bruch der vorigen Regierung. O'Neills katholisch-republikanische Partei Sinn Fein hatte bei der jüngsten Regionalwahl im Mai 2022 erstmals die meisten Stimmen erhalten - kann sich aber den Regierungspartner nicht frei aussuchen.

Katholiken und Protestanten in der Regierung

Das fein ausbalancierte politische System Nordirlands sieht vor, dass die konfessionellen Lager gemeinsam eine Einheitsregierung bilden müssen. Festgelegt ist das im Karfreitagsabkommen, das 1998 den jahrzehntelangen Bürgerkrieg zwischen Katholiken und Protestanten beendet hatte.

Der größten protestantischen Partei DUP, die für die politische Union mit Großbritannien eintritt, steht nun das Amt des gleichberechtigten Vize-Regierungschefs zu. Dafür wurde Emma Little-Pengelly nominiert, eine Vertraute von Parteichef Jeffrey Donaldson.

Die DUP hatte zwei Jahre die Kooperation verweigert. Sie forderte ultimativ ein Ende aller Zollkontrollen zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs, auf die sich die Zentralregierung in London und die EU nach dem Brexit geeinigt hatten. Erst vor wenigen Tagen verständigte sich die DUP mit der britischen Zentralregierung auf ein Dokument, das die staatliche Einheit betonte. So machte sie den Weg frei für die Parlamentssitzung und damit für die Regierungsbildung.

Die innerbritischen Kontrollen sollen dem Dokument zufolge auf ein Minimum reduziert werden - doch Experten nennen die Einigung mit der britischen Zentralregierung symbolisch. Die Zeitung "Belfast Telegraph" schrieb dazu, die DUP habe ihr Ziel verfehlt und verkaufe ihre Niederlage als Sieg.

Chance auf ein geeintes Irland?

O'Neills Amtsübernahme gilt als Durchbruch für den irischen Nationalismus. "Der heutige Tag öffnet die Tür zur Zukunft", sagte die 47-Jährige. Zuvor hatte Sinn-Fein-Präsidentin Mary Lou McDonald gesagt, ein geeintes Irland rücke "in greifbare Nähe". Auch in der Republik Irland ist die Partei, die einst als politischer Arm der Terrororganisation IRA galt, laut Umfragen stärkste Kraft. Dort verhindern aber zwei liberal-konservative Parteien mit ihrer Koalition eine Regierungsbeteiligung der Sinn Fein.

Nordirland Belfast 2024 | Michelle O'Neill zur Regierungschefin gewählt
Michelle O'Neill kurz vor ihrer Wahl zur Regierungschefin im Stormont, dem Parlament Bild: Suzanne Plunkett/REUTERS

In Umfragen ist die Skepsis auf nordirischer Seite bisher groß. Die Zeitung "Irish Times" ermittelte Ende 2023, dass sich dort bei einem Referendum nur 30 Prozent für die Vereinigung aussprechen würden, aber 51 Prozent dagegen. In Irland liegt die Zustimmung bei knapp zwei Dritteln. Die Demografie spricht für das republikanische Lager: Erstmals leben mehr Katholiken in Nordirland als Protestanten, wie eine Volkszählung von 2021 gezeigt hat. Derzeit sieht es nicht danach aus, dass sich das wieder ändert.

Brexit und die Folgen

Ziel der bisherigen Regelung zwischen Großbritannien und EU war, nach dem Brexit eine "harte Grenze" zwischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland zu vermeiden, um keine neuen Konflikte zu schüren. Doch die Umsetzung führte teilweise zu Engpässen bei Lebensmitteln, Medikamenten oder Gärtnereiprodukten. Haustiere konnten nicht mehr mit in den Urlaub nach Großbritannien genommen werden. Loyalisten fürchteten, dass die Kontrollen die Union mit Großbritannien gefährden.

Nordirland Belfast 2024 | Michelle O'Neill zur Regierungschefin gewählt
Der Stormont kann nun wieder arbeiten: Blick auf das Parlamentsgebäude in BelfastBild: Liam McBurney/AP/picture alliance

Die meisten Parteien in Nordirland begrüßten die Rückkehr der DUP in die Institutionen und die Bereitschaft, wieder Verantwortung zu übernehmen im System der geteilten Macht. Doch Hardcore-Unionisten sind nicht überzeugt. Sie kritisieren, Nordirland sei weiterhin von den Gesetzen der EU abhängig, zu deren Binnenmarkt die Region de facto auch nach dem Brexit gehört.

kle/jj (afp, dpa, rtr)