"Es werden die Falschen abgeschoben"
29. März 2017DW: Herr Arnold, wie hat sich der politische Druck für mehr Abschiebungen auf Sie und die Stadt Schwäbisch Gmünd ausgewirkt?
Richard Arnold: Wir merken, dass da ein wahrer Wettbewerb unter den Ländern stattfindet. Mir geht das alles zu schnell und zu pauschal. Wir haben im Moment in Deutschland 213.000 ausreisepflichtige Asylbewerber und davon haben sich natürlich viele, die vor vier Jahren schon kamen, gut integriert. Und die, die schon integriert sind, sollen jetzt auch gehen. Es werden keine Unterschiede bei den Menschen gemacht. Das geht so nicht.
Werden denn jetzt zu wenige oder zu viele Flüchtlinge abgeschoben?
Es werden die Falschen abgeschoben. Es werden genau die abgeschoben, die greifbar sind, und es sind die greifbar, die in geordneten Bahnen leben. Das betrifft Menschen, die hier in die Schule gegangen sind, die hier einen Abschluss gemacht haben, die hier eine Ausbildung begonnen haben.
Darunter sind auch etliche, die sich wirklich integriert haben und auch schon in die Renten- und Krankenkassen einzahlen. Vor kurzem kam zum Beispiel ein Handwerker zu mir, ein Malermeister, der beschäftigt einen Flüchtling aus Nigeria und dieser Mensch hat sich wunderbar in die Firmen-Mannschaft eingelebt. Gestern hat er aber die Ablehnung seines Asylbescheids bekommen. Die Firma verliert einen ihrer besten Männer. Dabei könnte er jetzt hier weiterarbeiten und hier weiterleben.
Sieht das Asylgesetz denn keine Ausnahmen vor, wenn die Verfahren zu lange gedauert haben?
Nein. Es kann nun einmal nur der als Flüchtling anerkannt werden, der politisch verfolgt ist. Das ist auch in Ordnung so, aber es muss dann auch beachtet werden, wer sich hier gut integriert hat. Wir müssen Brücken bauen können. Auch kurzfristig. Immerhin wurden wir Kommunen und Bürger, als die Flüchtlingswelle begann, dringend aufgefordert, alles für die Integration der Menschen zu tun. Diejenigen, die sich dann in die Gesellschaft eingefügt haben, sollten jetzt nicht herausgerissen werden. Die Anständigen sollten nicht die Dummen sein.
Teilen auch andere Städte und Bundesländer Ihre Einschätzung?
Das tun die Beteiligten an allen möglichen Stellen. In Bayern genauso wie in Schleswig-Holstein. Das Problem ist einfach, dass die integrierten Menschen, deren Antrag abgelehnt wurde, oft die Aufforderung bekommen, binnen dreißig Tagen oder einer Woche das Land zu verlassen. Sie können Rechtsmittel einlegen, sie können dagegen klagen, aber das wird in der Regel abgelehnt.
Welche Einflussmöglichkeiten haben Sie denn als Kommune?
Wir haben keine. Die einzige Möglichkeit, die bleibt, wenn alle Rechtsmittel ausgeschöpft sind, ist vor die Härtefallkommission oder vor den Petitionsausschuss des Landtags zu ziehen. Inzwischen häufen sich bundesweit die Anträge bei den Härtefallkommissionen. Das war mal als Ausnahme gedacht. Inzwischen ist es für die Integrierten die Regel.
Wir haben uns zum Beispiel vor der Kommission für einen Asylbewerber aus Nigeria eingesetzt, der eine komplette Altenpflegehelferausbildung durchlaufen hat und zudem eine Ausbildung zum Feuerwehrmann absolviert hat. Es muss doch Anreize für solche Menschen geben, die hier mitmachen. Wie sollen denn die zu uns gekommenen Menschen gegenüber unserem Land sonst eine positive Einstellung entwickeln? Es fehlt einfach der Spurwechsel vom Asylbewerber zum Einwanderer. Es fehlt leider ein Einwanderungsgesetz.
Sie fordern, vor Ort mehr entscheiden zu dürfen, weil Sie die betroffenen Menschen näher kennen und plädieren jetzt für eine "Einwanderungsampel". Wie soll die funktionieren?
Wie bei einer Ampel mit den Stufen Rot, Gelb und Grün. Auf Grün würden die Bewerber gesetzt werden, die bereits integriert sind. Die ihren Lebensunterhalt zum Teil selbst sichern können. Da könnten wir als Kommune sagen - auch wenn deren Asylanträge abgelehnt worden sind - die dürfen trotzdem bleiben. Über ihnen würde nicht dauernd das Damokles-Schwert der Abschiebung schweben. Diejenigen, die sich hier eine Perspektive aufgebaut und in die Gesellschaft eingebracht haben, müssen belohnt werden können.
Alle anderen müssten dann gehen. Das System würde von unseren Bürgern anerkannt. Das wäre auch politisch relativ einfach machbar. Das würde das Integrationsgesetz, das wir schon haben, ergänzen. Wir müssen die Diskussion innerhalb meiner Partei, der CDU, führen. Ich bin mit dem Innenminister von Baden-Württemberg in Kontakt und ich versuche ihn davon zu überzeugen, dass wir in den Kommunen in die Asyl-Entscheidungen einbezogen werden.
Richard Arnold (58) ist CDU-Mitglied und seit 2009 Oberbürgermeister der 60.000 Einwohner zählenden baden-wüttembergischen Stadt Schwäbisch Gmünd.
Das Interview führte Wolfgang Dick.