ETFs: Gefahr für den freien Wettbewerb?
3. Februar 2020Wenn man sein Geld in Wertpapieren anlegt, versucht man auch, das Risiko möglichst gering zu halten. Um das zu tun und trotzdem eine gute Rendite zu erwirtschaften, ist es die beste Strategie, nicht nur in ein oder wenige Unternehmen zu investieren. Man sollte stattdessen diversifizieren und kleinere Anteile an möglichst vielen verschiedenen Unternehmen halten. Falls einige Wertpapiere an Wert verlieren, fangen andere den Verlust auf.
Passives Investieren
Genau solche Anlagestrategien verfolgen aktuell viele Vermögensverwalter und nennen es "Passives Investieren". Das wohl bekannteste Beispiel für ein solches Finanzprodukt sind die momentan sehr beliebten ETFs (Exchanged-Traded Fonds). Größter Anbieter ist iShares, ein Tochterunternehmen des Vermögensverwalters Blackrock. ETFs bilden Indizes wie beispielsweise den Dax oder Dow Jones nach, indem im gleichen Verhältnis Aktien nachgekauft werden, wie sie auch in den Indizes versammelt sind. Ein teures Analyseteam wird obsolet und die Gebühren sind vergleichsweise gering. Das Wissen, das benötigt wird, um mit solchen Produkten zu handeln, ist überschaubar und so öffnet sich der Finanzmarkt auch für viele Menschen, die bislang ein eher zurückhaltendes Verhältnis zu Aktien hatten.
Die Sache ist offenbar erfolgreich, denn durch private Anleger, Versicherungen, Pensionsfonds und viele mehr, haben Vermögensverwalter inzwischen ein gigantisches Kapital zu verwalten. Allein auf die größten drei institutionellen Investoren weltweit entfallen zusammengerechnet 13,8 Billionen Euro. Davon verwaltet Blackrock 6,6 Billionen Euro, Vanguard fünf Billionen Euro und State Street 2,2 Billionen Euro. Die Summe übersteigt die Wirtschaftsleistung Chinas im vergangenen Jahr.
Die neue Anlagestrategie hat zur Folge, dass institutionelle Anleger an nahezu jedem großen Unternehmen beteiligt sind. Und genau hier setzen viele Diskussionen an. Bisheriger Höhepunkt ist eine Studie der Universität Michigan. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass sich durch gemeinsame Investoren Verflechtungen zwischen Unternehmen ergeben. Die Wissenschaft nennt dieses Phänomen Common Ownership. Eine Folge könnten wettbewerbsmindernde Effekte sein, weil ein Investor, der an mehreren Unternehmen einer Branche beteiligt ist, nicht unbedingt an deren Wettbewerb untereinander interessiert wäre. Schließlich könnten Preissenkungen auch die Gewinne der Unternehmen mindern.
Bei einer Analyse des Luftfahrt-Marktes in Amerika zeigte sich beispielsweise, dass Ticketpreise von betroffenen Fluggesellschaften um bis zu zwölf Prozent teurer waren, als sie es im freien Wettbewerb wären.
"Großes Potential ausgenutzt zu werden"
Umgehend veröffentlichte Blackrock ein Positionspapier und bemängelte die empirischen Mittel der Untersuchung. Und prompt wird nicht länger über wettbewerblich problematische Strukturen, sondern über die Qualität einzelner Studien diskutiert.
Dr. John P. Weche, Senior Analyst der Monopolkommission und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg, sagt dazu im DW-Gespräch: "Ich bin selbst Empiriker, das sind grundsätzlich gut gemachte empirische Studien. Aber die Diskussion um die Qualität einzelner Studien lenkt vom eigentlichen Problem ab. Das Problempotenzial von Common Ownership besteht unabhängig vom Nachweis empirischer Effekte."
Laut Weche gibt es Risiken, die nicht wegzudiskutieren seien. "Starke Konzentration kann sehr effizient sein und beispielsweise zu geringeren Kosten führen. Gleichzeitig birgt sie ein großes Missbrauchspotenzial." Durch mangelnden Wettbewerb könnten sich auch weitere Probleme ergeben. Weche: "Es muss sich nicht nur auf Preise auswirken, sondern kann auch zur Folge haben, dass Unternehmen weniger innovativ sind."
Befürworter diversifizierter Anlagestrategien halten dagegen, die gehaltenen Anteile seien so gering, dass institutionelle Investoren gar keinen Einfluss auf die Unternehmenspolitik ausüben könnten. Vergessen wird dabei allerdings, dass nicht alle Aktionäre von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen und dadurch der Wert der abgegebenen Stimmen steigt. Außerdem verfolgen institutionelle Anleger oft ähnliche Ziele, was sich in gleichem Abstimmungsverhalten widerspiegeln kann.
Der richtige Umgang ist schwierig
Die Monopolkommission hat das Thema Indirekte Horizontale Unternehmensverflechtungen in ihren Hauptgutachten 2016 und 2018 thematisiert und auch die Bundesregierung musste sich schon in Folge einer Anfrage der FDP damit beschäftigen. Auch die OECD - ein Zusammenschluss von 36 Industrieländern -hat sich bereits mit dem Thema befasst.
Wichtig sei, die Kritik nicht als Unternehmens-Bashing zu verstehen, schließlich es sei nun mal eine Tatsache, dass die entstandenen Eigentumsstrukturen Auswirkungen auf den Wettbewerb haben können, meint Weche. "Auch wenn diese Unternehmen nicht die Absicht haben, den Wettbewerb zu behindern, ergibt sich ein potentielles Wettbewerbsproblem allein aus den Eigentumsstrukturen."
Bei der Übernahme von Monsanto durch Bayer habe die Europäische Kommission diesen Aspekt bei ihrer Beurteilung bereits beachtet.
Es scheint wichtig, dem Thema die Aufmerksamkeit zu schenken, die den erkennbaren Risiken gerecht wird. Mögliche politische Konsequenzen und Entscheidungen sollten jedoch bald diskutiert werden - denn das verwaltete Vermögen und der damit einhergehende potentielle Einfluss der Vermögensverwalter wachsen vorerst weiter.