EU billigt Brexit-Abkommen mit Großbritannien
19. November 2018In schönster Einmütigkeit haben die 27 zuständigen Europaminister in Brüssel den Text für das Austrittsabkommen mit Großbritannien gebilligt. So zumindest stellten es der Ratsvorsitzende, der Europaminister Österreichs Gernot Blümel und der Chef-Unterhändler der EU, Michel Barnier, im Anschluss an die kurze Sitzung dar. Der einzige Punkt, der aus Sicht der EU im Brexit-Abkommen noch offen ist, ist die mögliche Verlängerung der Übergangsphase. Im Moment endet die Übergangsphase, in der ein künftiger Kooperationsvertrag mit Großbritannien ausgehandelt werden soll, im Dezember 2020. Auf britisches Drängen hin ist jetzt eine einmalige Verlängerung möglich. Bis Ende der Woche wollen sich die EU und Großbritannien nun auf ein konkretes Datum einigen. Als spätesten Termin hat die britische Premierministerin die nächsten Wahlen zum Unterhaus genannt, die 2022 fällig wären.
Verlängerung der Übergangsphase
Dieses Datum ist in der innenpolitischen Debatte in Großbritannien durchaus wichtig, denn so lange die Übergangsphase andauert, bleibt eigentlich alles wie es ist. Erst danach und wenn die Bemühungen scheitern, einen Kooperationsvertag auszuhandeln, würde die Notfallregelung, der sogenannte "Backtstop", greifen. Der regelt, dass es zwischen EU-Mitgliedsland Irland und Nordirland, das zum Vereinigten Königreich gehört, keine "harte" Grenze geben würde. Das wird einfach dadurch erreicht, dass Großbritannien und Nordirland unbefristet in einer Zollunion mit der EU verharren würden. Das ist ein rotes Tuch für alle Brexit-Hardliner in der konservativen Fraktion von Premierministerin Theresa May. Denn Zollunion bedeutet, dass Großbritannien sich nicht vollständig von der EU lösen könnte und keine eigenständigen Handelsabkommen zum Beispiel mit den USA, Indien oder China abschließen könnte. Das Versprechen, die Kontrolle zurückzugewinnen - take back control - würde also nicht eingelöst.
Backstop mit Zollunion vermeiden
Aber die ganze "backstop"- Regelung soll nie angewendet werden, weil zuvor ein tief gehendes Kooperationsabkommen ausgehandelt wird, das auch die Grenzfrage zwischen Nordirland und Irland regelt. Das jedenfalls hat die schwer unter Druck stehende britische Premierminister am Wochenende in Interviews noch einmal versprochen. Um dieses Versprechen zu untermauern, will Theresa May in dieser Woche noch einmal nach Brüssel kommen, um persönlich über die genauen Formulierungen in der "politische Erklärung" zu verhandleln. In dieser Erklärung werden die Ziele für das neue Abkommen zwischen der EU und Großbritannien festgelegt. Sie sind sehr weit gefasst und reichen von Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen bis zu einem umfassenden Handelsabkommen mit zollfreiem und ungehinderten Austausch von Waren und Dienstleistungen. Der Visa-freie Reiseverkehr ist ebenso vorgesehen, wie der Zugang zu den Fischgründen der Vertragspartner oder die kostenpflichtige Teilnahme der Briten an bestimmten EU-Programmen.
"Politische Erklärung" zur Zukunft soll Klarheit schaffen
Diese "politische Erklärung" soll zusammen mit dem eigentlichen Austrittsabkommen formal am kommenden Sonntag auf einem Sondergipfeltreffen der Europäischen Union verabschiedet werden. In Brüssel sagen manche EU-Diplomaten, die politische Erklärung sei so weit gefasst und ambitioniert, dass sie schon fast an eine Mitgliedschaft in der EU heranreicht. Die Frage sei, warum Großbritannien überhaupt erst aus dem Klub austrete. Theresa May versuche wohl den Eindruck zu vermitteln, es würde noch nachgebessert, meinen EU-Diplomaten. Am eigentlichen legal verbindlichen Text des Austrittsabkommens, das auch die Rechte der EU-Bürger und die fälligen Zahlungen Großbritanniens festlegt, kann nichts Wesentliches mehr geändet werden.
"Ruhe bewahren"
Aus Sicht von Michel Barnier, dem Chef-Unterhändler der EU, ist jetzt die britische Regierung am Zuge und verpflichtet, zu ihren Vereinbarungen stehen. "Wir müssen jetzt ruhig bleiben", sagte Barnier nach der Sitzung der Europaminister. "Wir sind in einer entscheidenden Phase." Die Frage ist, ob die britische Premierministerin eine Vertrauensabstimmung in ihrer eigenen Fraktion, mit der die Brexit-Hardliner drohen, abwenden kann und so bis zum Gipfel am Sonntag wirklich politisch durchhält. "Scheidungen sind nie einfach", meinte der österreichische Europaminister Gernot Blümel. Man wolle aber alles freundschaftlich regeln. "Es liegt ein fairer Kompromiss auf dem Tisch. Beide Seiten haben sich bewegt."
Der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) hoffte nach der Tagung der Brexit-Minister in Brüssel, dass alle Seiten mit dem erzielten Kompromiss "verantwortlich" umgingen. "Die Folgen eines ungeregelten Brexits sind unkalkulierbar in Großbritannien und in der EU, auch für die Wirtschaft. Daran kann niemand ein Interesse haben." Ohne ein Austrittsabkommen, das im Dezember auch noch vom äußerst kritischen Parlament in London gebilligt werden muss, würde das Vereinigte Königreich am 29. März 2019 aus der EU ohne Übergangsfrist ausscheiden. Dies könnte zu Unterbrechungen im Handel, in der grenzüberschreitenden Industrieproduktion und im Reiseverkehr führen.