EU prüft neue Cockpitregeln
27. März 2015Die Ausbildung von Piloten, ihre Lizensierung, ihre flugmedizinische Untersuchung und die Ausrüstung der Flugzeuge mit Sicherheitstüren: Das alles hat die Europäische Union einheitlich geregelt. Das haben die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) mit Sitz in Köln und die Europäische Kommission in Brüssel nach dem Absturz der Germanwings-Maschine noch einmal gegenüber Journalisten bekräftigt.
Nach Angaben von EU-Beamten, die nicht genannt werden wollen, geben die gesetzlichen Vorschriften auf europäischer Ebene Mindeststandards vor, die die Fluglinien einhalten müssen. Höhere Standards und Sicherheitsvorschriften dürfen die Airlines sich selber geben. Die nationalen Flugsicherheitsbehörden sind für die Kontrolle der Mindeststandards verantwortlich, in Deutschland ist dies das Luftfahrt-Bundesamt in Düsseldorf. Einheitliche Regeln für die Luftfahrtsicherheit gibt es in Europa erst seit den Attentaten vom 11. September 2001. Zuvor hat jedes Mitgliedsland eigene Regeln erlassen und kontrolliert.
Prüfstein psychische Gesundheit
Die Vertreter der EU-Kommission und EASA bestanden in Brüssel auch nach mehrfacher Nachfrage darauf, dass Verkehrspiloten mindestens einmal im Jahr auf ihre Gesundheit untersucht werden müssen, das schließe psychische Krankheiten wie Depressionen mit ein. "Piloten mit Depressionen sind als flugunfähig anzusehen und können keine Bescheinigung der Flugtauglichkeit erhalten", sagte ein EU-Beamter im Hintergrundgespräch. Sie hätten auch die Pflicht, sich ihrem Arbeitgeber als untauglich für den Job zu offenbaren.
Der deutsche Fliegerarzt Onno Bender stellte das in einem Interview mit der Deutschen Welle anders dar. Er sagte, psychische Erkrankungen seien bei den routinemäßigen fliegerärztlichen Untersuchungen nur schwer zu erkennen. Eine verpflichtende psychologische Untersuchung gebe es nicht. Die EASA-Vertreterin in Brüssel wollte sich nicht zu den Umständen des Germanwings-Absturzes und den inzwischen bekannt gewordenen Vorerkrankungen des Co-Piloten Andreas L. äußern. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft in Frankreich vor, er habe die Maschine mit 150 Menschen an Bord absichtlich abstürzen lassen.
Nur Gefahren von außen bedacht
Nach dem 11. September 2001 hat die EASA allen Airlines, die in Europa starten oder landen wollen, den Einbau von Sicherheitstüren zum Cockpit vorgeschrieben. "Der Sinn war allerdings, das Eindringen von außen zu verhindern", sagte eine EASA-Vertreterin. An die Möglichkeit, dass von den Piloten selbst eine Gefahr ausgehen könnte, hatte man wohl nicht gedacht. In Europa ist außerdem vorgeschrieben, dass die Flugzeuge mit Kameras ausgerüstet sind, die den Raum vor der Cockpittür den Piloten anzeigen. Deshalb sei es auch erlaubt, dass die Piloten einzeln für kurze Zeit die Flugkanzel verließen, da jeder Pilot sehen könne, wer vor der Tür stehe. Deshalb war es aus Sicht der EASA bisher auch nicht nötig, dass immer zwei Menschen im Cockpit anwesend sein müssen. In den USA sei ein zweiter Mensch nur nötig, um durch das Guckloch der Tür zu blicken und sie gegebenenfalls zu öffnen. In den USA sind Kameras nicht vorgeschrieben. "Die Zwei-Personen-Regel in den USA und auch bei einigen europäischen Fluglinien hatte bisher nicht das Ziel, den verbliebenen Piloten zu überwachen", so die EU-Beamten in Brüssel.
Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Europäischen Parlament, Michael Cramer (Grüne), sagte im Deutschlandfunk, er wolle eine europaweit einheitliche Regelung für zwei Personen im Cockpit erreichen. "Gegen totale Absicht kann nichts machen, aber die Frage ist eben, ob Co-Pilot L. genauso reagiert hätte, wenn ein Steward oder eine Stewardess dabei gewesen wäre. Als es draußen klopfte, hätte er verhindern können, dass die Tür dann geöffnet wird?"
Mittlerweile haben die deutschen Fluggesellschaften angekündigt, die Zwei-Personen-Regel vorläufig einzuführen und mit dem Luftfahrt-Bundesamt abzusprechen. In Europa haben bereits britische Fluglinien, die skandinavische SAS und die lettische Air Baltic erklärt, die Regelung übernehmen zu wollen. Schon vor dem Absturz in den Alpen hatten die tschechische Airline CSA und der größte europäische Billig-Flieger Ryanair dieses Verfahren angewendet.
Mehr Steuerung vom Boden
Angesichts der Umstände des abgestürzten Airbus von Germanwings wollen die EU-Kommission und die EASA jetzt prüfen, ob neue Regeln für die Präsenzpflicht im Cockpit nötig sind. "Das kann aber einige Zeit dauern, weil wir die Fakten noch nicht auf dem Tisch haben", sagte eine EASA-Sprecherin. Die Sicherheitsagentur der EU könnte auch kurzfristig in dringenden Fällen Vorschriften erlassen. Diese Dringlichkeit ist nach Ansicht der EU-Behörde offenbar nicht gegeben. Auch über die Frage, ob der Verriegelungsmechanismus und die Öffnungsmöglichkeiten der Cockpittüren verändert werden müssen, wolle man beraten. "Das wird alles untersucht", so die Vertreterin der EASA. Die Sicherheitstüren hätten alles in allem einen positiven Effekt gehabt. "Die Zahl der Entführungen von Flugzeugen ist weltweit drastisch zurückgegangen", so eine EU-Beamtin.
Langfristig wollen EU-Kommission und EASA darüber nachdenken, ob Verkehrsflugzeuge nicht stärker von außen, also durch die Luftraum-Kontrolleure am Boden, gesteuert werden sollten, um Pilotenfehler oder kriminelles Verhalten wie im Fall der Germanswings-Maschine zu eliminieren. Die Tests mit "ferngesteuerten" Jets steckten noch in den Kinderschuhen. Man könne auch darüber nachdenken, bei weiterem Fortschreiten der Technik mit nur noch einem Piloten Flugzeuge zu fliegen und auf Co-Piloten zu verzichten, wenn einer der Flugbegleiter eine minmale Notfallausbildung habe. Das sei aber noch Zukunftsmusik, versicherten die Beamten von EU-Kommission und Flugsicherheitsagentur EASA in Brüssel.