EU-Finanzminister ziehen Zügel an
8. Juni 2010Am zweiten Tag der Finanzberatungen in Luxemburg haben die Finanzminister der Europäischen Union am Dienstag (08.06.2010) eine Verschärfung der Haushaltskontrolle beschlossen.
Auslöser: Finanzdesaster in Griechenland
Um Haushaltstricksereien wie im Falle Griechenlands zu stoppen, erhält die EU-Kommission direkten Einblick in die nationalen Daten. Die EU-Finanzminister gaben grünes Licht für die neuen Befugnisse des EU-Statistikamtes Eurostat. Das Amt erhält damit eine echte Buchprüfungsvollmacht und kann damit auf die Haushaltsdaten von Zentralregierungen, Ländern und Gemeinden sowie der Sozialversicherungen zugreifen. Zudem sollen ihm ausführliche Angaben über die zugrundeliegenden Berechnungen und statistischen Erhebungen vorgelegt werden.
Griechenland hatte seine Statistiken jahrelang frisiert und das wahre Ausmaß der Staatsverschuldung kaschiert. Bislang konnte Eurostat nur mit den von den Regierungen in Brüssel eingereichten Daten arbeiten, obwohl es im Falle Athens schon früh Verdachtsmomente gab. Sollte in Zukunft ein begründeter Verdacht gegen eines der 27 EU-Länder bestehen, können die Eurostat-Kontrolleure in die Mitgliedsstaaten reisen und vor Ort Untersuchungen durchführen. Vor sechs Jahren war ein ähnlicher Vorstoß der EU-Kommission noch unter anderem am Widerstand Deutschlands gescheitert.
Zweckgesellschaft zur Eurorettung
Einen weiteren Schritt Richtung Stabilität hatten die Finanzminister der 16 Euro-Staaten am Montag mit der Gründung einer Zweckgesellschaft gemacht. In diese Aktiengesellschaft mit begrenzter Haftung nach Luxemburgischem Recht fließen bis zu 440 Milliarden Euro. Diese können dann zur Rettung von Pleitestaaten bereitgestellt werden. Die Europartner werden Anteile gemäß ihres Verteilungsschlüssels bei der Europäischen Zentralbank (EZB) übernehmen, plus einen Aufschlag von 20 Prozent, um die optimale Kreditwürdigkeit der Gesellschaft zu sichern.
Das deutsche Parlament hat der Beteiligung im Volumen von maximal 148 Milliarden Euro bereits zugestimmt. Angezapft werden kann das sogenannte Special Purpose Vehicle (SPV), sobald 90 Prozent der Aktien von den Partnern übernommen wurden. Dies werde bis Ende Juni geschehen, sagte Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker. Das SPV ist eines von drei Elementen des insgesamt 750 Milliarden Euro schweren Rettungsschirms, den die Finanzminister am 10. Mai beschlossen hatten. 60 Milliarden kommen über Gemeinschaftsmittel der EU, die sofort bereitstehen. Zudem steuert der Internationale Währungsfonds 250 Milliarden Euro bei.
Estland ist dabei
Ebenfalls beschlossen die Finanzminister, Estland zum Euroland zu machen, dort kann zum Jahreswechsel der Euro eingeführt werden. "Estland wird 17. Mitglied der Eurozone", sagte Juncker. Die Ressortchefs der 27 EU-Staaten segneten diese Entscheidung am Dienstag ab. Die allerletzte Entscheidung kann aber erst auf einem weiteren Finanzministertreffen im Juli gefällt werden, denn in der kommenden Woche müssen die Staats- und Regierungschefs die Erweiterung der Währungsunion bestätigen. Gestoppt werden kann die Aufnahme aber nicht mehr, wie der österreichische Finanzminister Josef Pröll klarstellte: "Estland hat alle Bedingungen erfüllt, im Gegenteil: Das Land hat in vielen Bereichen bessere Kennzeichen als die Euromitglieder.“ Das kleine Land mit 1,3 Millionen Einwohnern habe Inflation und Schulden im Griff und erfülle alle Beitrittskriterien.
Autorin: Marion Linnenbrink (afp, apn, dpa)
Redaktion: Reinhard Kleber