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Juncker will Geld von EU-Staaten einsammeln

Bernd Riegert18. Dezember 2014

Europa will investieren, um Arbeitsplätze zu schaffen. Wie das funktionieren soll, ist umstritten. Die Chefs der EU-Staaten feilschen in Brüssel um gehebelte Milliarden. Aus Brüssel Bernd Riegert.

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EU Euro Münze mit Flagge
Bild: picture-alliance/dpa

"Ich brauche Geld und nicht nur Worte", sagt Jean-Claude Juncker, der Präsident der EU-Kommission und wendet sich damit an die Staats- und Regierungschefs, die sich an diesem Donnerstag zum Winter-Gipfel in Brüssel versammelt haben. Juncker wirbt eindringlich für seinen Investitionsfonds, der am Ende 315 Milliarden Euro umfassen soll. Da die Mitgliedsstaaten bereits viele Wünsche an den Fonds und die Finanzierung von Projekten angemeldet haben, aber bislang keiner konkrete Zusagen über Eigenleistungen für den Fonds gemacht haben, ist Jean-Claude Juncker leicht genervt. "Wir werden ja mit Milliarden Euro überschwemmt werden, wenn alle das machen, worüber sie reden", meinte der Kommissionspräsident süffisant im Europäischen Parlament.

Jean-Claude Juncker 10.09.2014
EU-Kommissionspräsident Juncker: Experten sollen Projekte ohne Einfluss der Mitgliedsstaaten auswählenBild: Reuters/Y. Herman

"Keine überflüssigen Kathedralen"

Die 28 EU-Mitgliedsstaaten hatten insgesamt 2000 Projekte zur Finanzierung durch den Juncker-Fonds eingereicht, sie alle würden zusammen 1300 Milliarden Euro kosten. Viele der Projekte sind aber Autobahnen, Brücken oder Schulen, also Investitionen, die in den Aufgabenbereich der einzelnen Staaten fallen. Private Investoren, die rund 250 Milliarden zu dem Fonds beisteuern sollen, wird man dafür kaum finden, schwant der EU-Kommission. Jean-Claude Juncker warnt deshalb vor zu viel Beton- und Prestigeprojekten: "Nicht neue Kathedralen bauen! Weil wir haben jetzt schon alle Mühe, die Kirchen und Kapellen mit Gläubigen zu füllen. Nicht neue Tunnel bohren durch Berge, die man auch so überwinden könnte. Sinnvolle Projekte! Nicht einfach Projekte, um der Projekte willen!"

Juncker und die Mitgliedsstaaten streiten darüber, wer die Projekte aussuchen soll. Einige Staaten möchten, wenn sie Geld geben, natürlich erreichen, dass im Gegenzug Projekte in ihren Ländern finanziert werden. Die EU-Kommission lehnt das ab. Sie will, dass ein Expertengremium bei der Europäischen Investitionsbank in Luxemburg die Projekte prüft und auswählt, frei von politischem Druck durch die Mitgliedsstaaten. Bundeskanzlerin Angela Merkel stützte diesen Kurs in ihrer Regierungserklärung zum Gipfeltreffen - zumindest im Prinzip. Deutsche Regierungsbeamte erklärten in Brüssel aber, dass man es nicht eilig habe, mit der Ausgestaltung des Fonds. Noch gäbe es ja nicht einmal eine Rechtsgrundlage für den Fonds.

Diese will die EU-Kommission Ende Januar in das Gesetzgebungsverfahren einbringen. Etwas Mitte 2015 soll Junckers neuer Geldtopf dann einsatzbereit sein. Der Ökonom Daniel Gros vom "Zentrum für Europäische Politik-Studien" in Brüssel hat starke Zweifel, ob der Fonds wirklich funktionieren wird. "Es ist sehr fraglich, was das Interesse eines Mitgliedsstaates wie Deutschland oder Frankreich wäre zu sagen: 'Wir geben hier Garantien für Projekte, die wir selber nicht beurteilen können, die wir selber nicht überwachen können und an denen wir Zweifel haben, ob die sich überhaupt lohnen'", sagte Gros der Deutschen Welle.

Belgien EU Daniel Gros Pressekonferenz in Brüssel
Daniel Gros: Jetzt hilft nur noch betenBild: DW/B. Riegert

Investitionen als Schulden zählen?

Der Vizepräsident der EU-Kommission, der für den Euro und wirtschaftliche Fragen zuständig ist, Valdis Dombrovskis, sagte kurz vor Beginn des Gipfeltreffens, er hoffe sehr, dass die Staats- und Regierungschefs den Investitionsfonds billigen werden. "Die Verschuldungsregeln aus dem Stabilitätspakt werden aber weiter gelten. Wir wollen die Verträge nicht ändern, sondern flexibler anwenden", meinte Dombrovskis in einer Diskussionsrunde mit der Brüsseler Denkfabrik "Lisbon Council". Der EU-Kommissar reagierte damit auf Begehrlichkeiten aus Italien, Investitionen künftig nicht mehr bei der Neuverschuldung anzurechnen. Höchstens direkte Beiträge für den Investmentfonds könnten etwas großzügiger beurteilt werden, versprach Dombrovskis.

Die Versuche, die Fiskalpolitik durch die Diskussion über den Juncker-Fonds zu lockern, sieht der Ökonom Daniel Gros skeptisch. Er befürchtet, dass nicht alle Staats- und Regierungschefs, die in Brüssel beraten, wirklich verstanden haben, was Jean-Claude Juncker vorhat. "Ich glaube, sie haben alle verstanden, dass da sehr viel versprochen wird. Da möchte natürlich jeder dabei sein. Ich habe meine Zweifel, ob viele daran glauben, dass das auch wirklich so funktioniert", sagte Daniel Gros der DW. "Es gibt ja auch böse Zungen hier in Brüssel, die sagen, es wurde nur deshalb so vorgestellt, weil es nicht funktionieren wird. Der nächste Schritt wäre dann zu sagen, die EU-Kommission nimmt alle Investitionen pauschal vom Stabilitätspakt aus und dann können die Länder so viel ausgeben, wie sie wollen."

"Wir brauchen privates Kapital"

Die EU-Kommission hat das Investitionsprogramm zu ihrem wichtigsten Projekt für die nächsten Jahre erklärt. Es soll vor allem private Investoren anlocken. Mit einem Euro staatlichen Kapital will Jean-Claude Juncker 14 Euro an privatem Kapital anlocken. Diese Hebelwirkung sei entscheidend, so Juncker. "Wir haben kein öffentliches Geld, das wir in Ansatz bringen könnten ohne die Defizite zu vergrößern und ohne die Schuldenberge anwachsen zu lassen. Also war es intelligent, finde ich, das mobilisierbare Geld aus dem EU-Haushalt in Richtung Investitionen zu bringen und für Investitionen in der realen Wirtschaft zu sorgen."

EU-Gipfel in Brüssel 23.10.2014 Juncker und Merkel
Einlagen für den Fonds, bitte! Juncker (li.) und MerkelBild: picture-alliance/dpa/Wiktor Dabkowski

Diese Gleichung kann nicht funktionieren, kritisiert der Brüsseler Wirtschaftsfachmann, Daniel Gros. Private Unternehmen zögerten nicht mit Investitionen, weil es zu wenig Finanzierungsmöglichkeiten gebe. "Es gibt eine Kapitalschwemme in Europa. Man sieht es an den enorm niedrigen Zinsen nicht nur für Staaten, sondern auch für Unternehmen. All die großen Unternehmen, die typischerweise die große Investitionsvorhaben durchführen, können sich am Kapitalmarkt reichlich mit Geld eindecken. Wenn sie es nicht tun, dann hat das seine Gründe", so Daniel Gros.

Bei vielen Projekten stimme einfach die Rechnung nicht. Sie seien nicht wirtschaftlich oder würden den Unternehmern keinen Gewinn bringen. Andere Projekte würden durch staatliche Regulierung, Genehmigungsverfahren oder zu viel Bürokratie so unsicher, dass die Unternehmen davon die Finger lassen würden. "Das sind alles Probleme, die die EU nicht beheben kann."

Hohe Erwartungen sind gefährlich

Jean-Claude Juncker setzt darauf, dass das Investitionsprogramm auch eine psychologische Wirkung entfaltet und die Botschaft transportiert: Europa will es packen! Das hatte der neue Kommissionschef schon vor vier Wochen angekündigt. Jetzt geht es beim Gipfel um die Details. Wirkliche Entscheidungen sollen aber noch nicht fallen. Als Werbeträger eignet sich der Fonds vielleicht, glaubt Daniel Gros vom "Zentrum für Europäische Politik-Studien", seine ökonomische Wirkung werde begrenzt bleiben. "Das ist die große Gefahr: Ich habe immer wieder davor gewarnt, dass die EU zu große Programme auflegt, die sie selber nicht einhalten kann, was sie verspricht. Vor zwei Jahren gab es bereits eine ähnliche Wachstumsinitiative, wo selbst Bundeskanzlerin Merkel sagt, die Gelder wurden gar nicht abgerufen. Ich glaube, hier wird es wohl ähnlich sein."

Symbolbild Blaumann
Mehr glückliche Bauarbeiter: Fonds soll Beschäftigung ankurbelnBild: imago/McPHOTO

Das Europäische Parlament muss dem Juncker-Plan auch noch zustimmen. Der zuständige Berichterstatter ist der deutsche SPD-Abgeordnete Udo Bullmann. Er begrüßt Junckers Ansatz, fordert aber gleichzeitig, dass die Mitgliedsstaaten in den Fonds einzahlen sollten. "Deutschland kann beim EU-Gipfel mit gutem Beispiel vorangehen und einen Eigenanteil ankündigen. Der Beitrag der Mitgliedstaaten kann - bei richtiger Konstruktion des Fonds - entscheidend für den wirtschaftlichen Aufschwung in Europa sein", so Udo Bullmann. In Brüssel hat der strategische Investmentfonds bei EU-Beamten und Diplomaten bereits einen Kosenamen: Junckers Wundertüte.