EU zeigt Solidarität mit Großbritannien
23. März 2018Es war das wichtigste Anliegen der britischen Premierministerin Theresa May auf dem Gipfel. Sie hatte noch einmal dringend um die Solidarität ihrer Kollegen wegen der Nervengift-Attacke in Salisbury gebeten. "Dies ist Teil eines Musters russischer Aggression gegen Europa und seine Nachbarn", erklärte May. Wirklich einig ist die EU in dieser Frage nicht. Länder wie Griechenland oder Österreich halten eine Verurteilung Russlands und darüber hinaus von Präsident Putin wegen des Mordanschlags für verfrüht. Sie mahnen, man solle erst die Ergebnisse der Chemiewaffen-Inspektoren aus Den Haag abwarten, bevor man sich der britischen Analyse anschließen will. Auch Italien hatte Einwände erhoben.
Deutliches Signal: EU-Botschafter wird für Konsultationen zurückgerufen
Trotzdem haben die Staats- und Regierungschefs eine Entscheidung mit Signalwirkung getroffen: Die EU zieht ihren Botschafter in Moskau für Konsultationen zurück. Man wolle damit Entschlossenheit zeigen, sagte ein EU-Vertreter in der Nacht zum Freitag. Dass Russland für den Anschlag verantwortlich sei, halte man für "höchst wahrscheinlich". Von Strafmaßnahmen gegen Russland ist in der Gipfelerklärung zwar nicht die Rede. Die Mitgliedstaaten wollen sich aber weiter "zu den Konsequenzen abstimmen, die im Lichte der von der russischen Regierung gelieferten Antworten gezogen werden sollten".
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker gab demgegenüber zu bedenken, dass man trotz aller Probleme den Gesprächsfaden mit Moskau nicht abreißen lassen dürfe: "Wir müssen uns mit unseren Nachbarn ins Benehmen setzen, ohne unsere Werte zu verraten". Wo allerdings diese Grenze verläuft, ist durchaus umstritten. Juncker war etwa von Ratspräsident Donald Tusk für seine Glückwünsche an Präsident Wladimir Putin nach dessen Wiederwahl kritisiert worden, eine Gratulation, die nicht nur von dem Polen Tusk als distanzlos und deplatziert betrachtet wurde.
Vorsichtige Erleichterung in Sachen Strafzölle
Gegenüber Trump und seinen Strafzöllen bleibt die EU skeptisch. War noch am frühen Nachmittag spekuliert worden, man müsse wohl auf einen nächtlichen Tweet des US-Präsidenten warten, um das europäische Schicksal in punkto Strafzölle zu erfahren, kam die Mittelung aus den USA dann schneller und in konventionellerer Form als erwartet. Mit einem Pressestatement gab der US-Präsident bekannt, dass die EU vorerst von seinen Strafzöllen ausgenommen sei.
Obwohl Handelskommissarin Cecilia Malmström schon vorsichtig optimistisch von ihren Verhandlungen Anfang der Woche in Washington berichtet hatte, ging ein Aufatmen durch die Reihen. Aber weitere Erklärungen zum Thema ließen vorerst auf sich warten: Die Regierungschefs wollen zunächst klären, was hinter der Entscheidung Trumps steht. Es könne schließlich sein, dass der US-Präsident damit Bedingungen wie etwa höhere Rüstungsausgaben verbindet, gab der belgische Ministerpräsident Charles Michel zu bedenken.
EU als Verfechter des Freihandels
"Die EU wird weiter eine robuste Handelspolitik verfolgen und ihre Werte und Standards weltweit vorantreiben, um gleiche Bedingungen zu erreichen", heißt es in den Gipfelbeschlüssen zu dem Thema. Das heißt, man will sich vom Prinzip des freien Welthandels und den von der WTO garantierten Spielregeln nicht abbringen lassen. Auch wenn EZB-Chef Mario Draghi warnte, dass man sich derzeit weniger auf multilaterale Organisationen verlassen könne. Bei der Mehrheit der Regierungschefs überwiegt nach den Erfahrungen der letzten zwei Wochen die Vorsicht, ob aufgeschoben beim US-Präsidenten auch aufgehoben bedeuten solle. Klar scheint bereits, dass es Verhandlungen mit Washington geben wird und dass beide Seiten dabei Forderungen geltend machen werden.
Brexit zum Nachtisch
Zwischen Kaffee und Nachtisch, so hat es sich inzwischen eingebürgert, konnte dann Theresa May noch einmal kurz zum Stand der Brexit-Verhandlungen sprechen. Aber die Beschlüsse, die erst am zweiten Gipfeltag gefasst werden, wenn die britische Premierministerin schon wieder abgereist ist, sind fertig vorbereitet. Die Regierungschefs werden die politische Einigung auf eine Übergangsphase bis Ende 2020 absegnen. Ein Zeitraum, in dem die Bedingungen der EU-Mitgliedschaft Großbritanniens für weitere 21 Monate eingefroren werden, London allerdings sein Stimmrecht verliert.
Nach zähen Verhandlungen war die britische Regierung am Ende eingeknickt und hatte die Bedingungen der EU für diese Übergangsphase umstandslos akzeptiert, und dafür nur ein paar kleine Zugeständnisse für den Beginn von Handelsgesprächen erhalten. Theresa May stand zu sehr unter Druck von britischen Wirtschaftsvertretern, die Klarheit über die Zukunft fordern. Die endgültige juristisch bindende Unterschrift für die Übergangsperiode wird allerdings erst im Herbst erwartet. Sie ist Teil des Scheidungsabkommens und das hängt vor allem noch an der weiter ungeklärten irischen Grenzfrage fest.
Dennoch können Vorgespräche über das zukünftige Verhältnis zwischen Großbritannien und EU nach diesem Gipfeltreffen beginnen. Auch dazu wird es am Freitag noch einen Beschluss über die gemeinsamen Verhandlungsrichtlinien der Europäer geben. Sie sehen vor, dass auf der Basis der gegenwärtigen roten Linien der britischen Regierung am Ende eine Art von Freihandelsabkommen stehen wird. Über dessen sehr komplexe Einzelheiten müssten sich beiden Seiten theoretisch dann bis zum Ende der Übergangszeit geeinigt haben.